Wolfsburgs Pokal-Aus:Eine angemessene Sanktion

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Gestörte Kommunikation: Was genau der Vierte Offizielle Tobias Fritsch (links) den Wolfsburgern und ihrem Trainer Mark van Bommel in der Wechsel-Causa gesagt hat, ist weiterhin strittig. (Foto: Marco Steinbrenner/Kirchner/Imago)

Ja, der Vierte Offizielle hat bei der Wolfsburger Wechselpanne einen Fehler gemacht. Aber die entscheidende Schuld trägt immer noch der Klub.

Kommentar von Johannes Aumüller

Die Vertreter des VfL Wolfsburg stellen dieser Tage gerne eine Analogie zum Verkehrsrecht her. Was wäre, so geht ihr Gedankenspiel, wenn ein Autofahrer im Halteverbot parken möchte, aber ein vorbeikommender Polizist es ihm erlaubt, seinen Wagen dort abzustellen? Dann trüge der Autofahrer zwar immer noch die Verantwortung dafür, dass er im Halteverbot parkt, aber wenn es für diesen Verstoß ein Knöllchen gäbe, würde das Verhalten des Beamten das Strafmaß mildernd beeinflussen.

DFB-Pokal
:Schuld ist nur Wolfsburg, nicht der Schiedsrichter

Das DFB-Sportgericht wertet den 3:1-Pokalsieg des VfL Wolfsburg gegen Preußen Münster als Niederlage - wegen eines unerlaubten Wechsels. Die Strategie des Klubs, den vierten Offiziellen in Mitverantwortung zu nehmen, geht nicht auf.

Von Johannes Aumüller

Nun sind Vergleiche zwischen der Welt des Fußballs und dem normalen Leben in den seltensten Fällen komplett schlüssig. Und das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist auch nicht dem Kerngedanken hinter dieser Analogie gefolgt. Es hat den Wolfsburger Pokalsieg gegen den Regionalliga-Vertreter Preußen Münster (3:1 nach Verlängerung) jetzt in eine 0:2-Niederlage verwandelt, weil Trainer Mark van Bommel sechs Mal wechselte. Erlaubt waren, anders als in anderen Wettbewerben wie der EM, nur fünf.

Dass der Vierte Offizielle Tobias Fritsch als Polizist am Straßenrand dabei den sechsten Wechsel zuließ, war für das Gericht nebensächlich. Und ob er einen sechsten Wechsel auf mehrmalige Nachfrage als möglich bezeichnete - wie von den Wolfsburgern behauptet und von Fritsch bestritten - sah es sogar als komplett irrelevant an. Am Dienstag legte der VfL gegen diesen Entscheid Berufung beim DFB-Bundesgericht ein, die Chancen dürften allerdings gering sein.

Der Fall dürfte die juristischen Fachleute beim DFB noch weiter beschäftigen

Es ist völlig eindeutig, dass die Schuld für diesen peinlichen Fauxpas in erster Linie beim VfL Wolfsburg liegt. Es ist kaum nachvollziehbar, dass einem Klub auf diesem Niveau die genauen Regularien eines Wettbewerbs nicht vertraut sind. Alleine für dieses Versäumnis erscheint das Pokal-Aus als eine angemessene Folge.

Aber natürlich haben die Wolfsburger recht, wenn sie das Verhalten des Vierten Offiziellen kritisieren. Auch die geladenen Schiedsrichterexperten erklärten in dem Prozess eindeutig, dass es zu dessen Kontrollpflichten gehöre, die Zulässigkeit eines Wechsels zu prüfen - doch das blieb aus. Diesen Fehler müssen der Verband und die Schiedsrichter-Bosse nun aufarbeiten, zumal Fritschs Schilderung in der Tat befremdlich wirkt: Demnach erklärte er den Wolfsburgern in der 98. Minute, dass nur noch zwei Wechsel erlaubt seien, aber ließ er in den folgenden vier Minuten drei Wechsel zu. Doch dieses Verhalten entbindet den VfL nicht von seiner obersten Pflicht: selber die Regeln zu kennen. Zudem wirkte es sich im Spiel nicht negativ für ihn aus, vielmehr erzielte Wolfsburg die beiden entscheidenden Tore zum 3:1 auch dank eines zusätzlichen frischen Spielers.

Bemerkenswert an dem Vorgang ist noch ein anderer Punkt: Gemäß dem Passus, auf dem das Urteil gründet, kann das Sportgericht ein Spiel beim Einsatz von nicht spiel- oder einsatzberechtigten Akteuren als verloren werten. Nicht spielberechtigt und nicht einsatzberechtigt sind allerdings Formulierungen, die sich in der Regel eher auf Fälle beziehen, in denen ein gesperrter Spieler zum Einsatz kam - nicht aber auf so eine Konstellation wie bei der Wolfsburger Wechselpanne und einen sechsten eingewechselten Spieler. Dass sowohl Münster als auch das Sportgericht über diese Krücke gehen mussten, um den Fall zu klären, dürfte die juristischen Fachleute beim DFB in jedem Fall noch beschäftigen.

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