RB Leipzig im DFB-Pokal:Der ungeliebte Favorit

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Weiß, dass seine Leipziger keine Beliebtheitswettbewerbe gewinnen, kommt aber gut damit klar: Trainer Domenico Tedesco. (Foto: Ronny Hartmann/AFP)

RB Leipzig könnte im DFB-Pokal seinen ersten Titel der Vereinsgeschichte gewinnen. Die Aussichten sind gut - auch Böllerschüsse nachts vor dem Auswärtshotel können Trainer Tedesco nicht schrecken.

Von Carsten Scheele, Hannover

Domenico Tedesco hat die Böllerschüsse genau gehört. Er lag im Hotelbett, da krachte es draußen. "Die haben uns um ein Uhr nachts und um fünf Uhr nachts wach geschossen", berichtete Tedesco. Die, das waren einige Fans von Hannover 96, die sich von dieser - vor allem in europäischen Kriegszeiten - fragwürdigen Aktion erhofften, im Viertelfinale gegen übermüdete Leipziger etwas chancenreicher dazustehen als gegen fitte, ausgeschlafene Leipziger, was sich als Trugschluss erweisen sollte.

Den 4:0-Sieg der Leipziger in Hannover als souverän zu umschreiben, wäre dabei ein unzulässiger Akt der Untertreibung. Hannover hatte als Zweitligist zwar die Chance, erstmals seit 15 Jahren wieder in ein Pokal-Halbfinale einzuziehen - am Ende war diese jedoch bloß theoretischer Natur. "Wir haben eine kurze Nacht gehabt, schlecht geschlafen und dann trotzdem so ein Auswärtsspiel gemacht", fasste es Tedesco zusammen.

Aus spitzem Winkel zum zweiten Tor: Christopher Nkunku (rechts) war von den Hannoveranern nicht zu stoppen. (Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Und die Sache mit den Böllerschüssen? "Man wird immer unsympathischer, wenn man gewinnt", sagte Tedesco lapidar, als müsse man dies einfach mal aushalten. Er klang dabei eindeutig entspannter als RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der sich tags zuvor erheblich über die öffentliche Wahrnehmung echauffiert hatte, der sein Klub ausgesetzt ist: speziell wegen der Kritik, die aufkam, weil die Leipziger nach dem Ausschluss von Spartak Moskau zwar kampflos ins Europa-League-Viertelfinals eingezogen sind, ihre sechsstellige Uefa-Prämie jedoch nicht an Kriegsopfer gespendet hätten. "Die, die jetzt fordern, die sollen das und das spenden, die sollen erst einmal selber spenden", motzte Mintzlaff. Das sei ihm alles "zu viel Symbolpolitik".

"Wir wissen, dass wir jetzt als Favorit gehandelt werden", sagt Mittelfeldspieler Kevin Kampl

Beliebtheitswettbewerbe haben die als "Retortenklub" verschrienen Leipziger noch nie gewonnen, das weiß Tedesco, und er kann sportlich vergleichsweise entspannt mit der Situation umgehen. Zumal ihn der Erfolg gerade begünstigt: Als einziges deutsches Team ist RB noch in drei Wettbewerben vertreten, in der Bundesliga hat Leipzig als Vierter die Champions-League-Plätze im Visier, in der Europa League steht man kampflos im Viertelfinale, weil der Achtelfinalgegner von der Uefa gesperrt worden ist.

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Und im Pokal? Die Bayern sind raus, Dortmund auch, nicht mal Leverkusen ist noch dabei. Am Sonntag wird das Halbfinale ausgelost, nur der SC Freiburg, Union Berlin und Zweitligist Hamburger SV könnten den ersten Leipziger Titelgewinn der Vereinsgeschichte noch verhindern. "Wir wissen, dass wir jetzt als Favorit gehandelt werden", sagte Mittelfeldspieler Kampl, als sei dies auch völlig richtig und in Ordnung. Auch Tedesco wehrte sich nicht gegen etwaige Feststellungen.

Zumal der Trainer sieht, in welcher Form sein Team gerade steckt: Auf sieben Positionen hatte Tedesco seine Bundesliga-Elf vom Auswärtsspiel in Bochum (1:0) verändert, unter anderem eine ganz neue Mittelfeldachse (diesmal spielten Kampl und Konrad Laimer) sowie ein frisches Sturm-Trio (Christopher Nkunku, Dani Olmo, André Silva) installiert, um dann - nach drei Ballverlusten in den ersten fünf Minuten, wie Tedesco verärgert feststellte - über den Zweitligisten hinwegzufegen.

Nach 22 Minuten war die Partie eigentlich vorüber, da hatte Nkunku schon zweimal getroffen, beim zweiten Treffer legte er sich den Ball zu weit vor, erhaschte das Spielgerät aber, ließ Abwehrspieler Marcel Franke ins Leere rutschen und vollendete aus spitzem Winkel. Danach ließen die Leipziger Gnade walten, man beschränkte sich auf zwei weitere Tore durch Laimer (67.) und Silva (73.). Leipzig sei "total dominant aufgetreten", urteilte Kampl. Man spiele viel ruhiger und gelassener als vor ein paar Wochen: "Wir haben wieder diese Reife in unserem Spiel."

Dass sich Nkunku nach seinen Toren dazu hinreißen ließ, den Ball an der Seitenlinie zu jonglieren und seinen Teamkollegen per Hacke Steilpässe zu servieren, rief die erwartbaren Pfiffe der Hannoveraner Fans hervor, mehr aber auch nicht. So war 96-Trainer Christoph Dabrowski der einzige 96er, der dem Gegner einen erfolgreichen weiteren Wettbewerbsverlauf gönnte. "Jetzt wünsche ich euch, dass ihr den Pokal holt", sagte Dabrowski, an Tedesco gerichtet. Der nahm es zur Kenntnis und bedankte sich.

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