DFB-Pokal:Die Welt von Kränzle soll sich wandeln

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DFB-Pokal-Teilnahme sichergestellt: der FV Illertissen nach dem Finalsieg im Verbandspokal gegen den Drittligisten FC Ingolstadt. (Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

"Es muss mehr gehen, das ist ja so": Der FV Illertissen steht binnen zehn Jahren zum vierten Mal im DFB-Pokal und hat in der Regionalliga seinen Zenit erreicht. Um sich neue Ziele zu setzen, muss sich viel an der Infrastruktur verändern.

Von Markus Schäflein

Am Freitagmittag ist Serge Ahrens gerade damit beschäftigt, beim Aufbau des VIP-Zeltes auf der Sportanlage des FV Illertissen mitzuhelfen. Schließlich ist er "Vorstand Entwicklung und Infrastruktur" beim Fußball-Regionalligisten, dieser Posten wurde soeben neu geschaffen. Und es gilt noch einige Infrastruktur zu errichten, ehe an diesem Sonntag (15.30 Uhr) der Zweitligist Fortuna Düsseldorf zum Erstrundenspiel im DFB-Pokal ins (nicht etwa nach einem Sponsor, sondern nach der einst die Stadt regierenden Patrizierfamilie) benannte Vöhlin-Stadion kommt.

Wobei der Begriff Stadion im Grunde maßlos übertrieben ist: Es handelt sich um einen Fußballplatz mit Laufbahn und einer winzigen Tribüne, die Gästefans werden auf der gegenüberliegenden Seite auf einem Grashügel stehen. "Das Gelände ist für so ein Spiel viel zu weitläufig", sagt Ahrens, "deswegen benötigen wir viel Sicherheitspersonal." Mehr als hundert Security-Mitarbeiter werden im Einsatz sein.

Auch das ist ein Kostenfaktor, dazu das VIP-Zelt, die Stahlrohrtürme für die TV-Kameras, zusätzliche Cateringstände. 5000 Zuschauer dürfen kommen, 3500 Karten waren am Freitag verkauft, die Einnahmen werden auch noch zwischen beiden Vereinen geteilt - aus dem Spielbetrieb wäre kein Plus zu erwarten, nur viel Arbeit. Immerhin gibt es die Erstrunden-Antrittsprämie in Höhe von rund 200 000 Euro. Die Illertisser kennen all dies schon, sie sind zum vierten Mal binnen zehn Jahren dabei. Sie haben in Augsburg gegen Eintracht Frankfurt gespielt (0:2), im benachbarten Ulm gegen Werder Bremen (2:3 n.V.) und im vergangenen Jahr schon mal im eigenen Stadion gegen den 1. FC Heidenheim (0:2). Ahrens sieht eher den Image-Aspekt als einen großen finanziellen Gewinn: "Im Endeffekt muss man das Geld investieren, um sich der Region zu präsentieren."

Bis jetzt hat das trotz der regelmäßigen Pokalpräsenz nicht so richtig funktioniert - zu Illertissens Ligaspielen kamen in der abgelaufenen Saison der Regionalliga Bayern im Schnitt 335 Besucher, das bedeutet Platz 16 in der Zuschauertabelle. Das mag auch damit zu tun haben, dass der FVI seit zehn Jahren an der Obergrenze seiner Möglichkeiten angekommen ist: Seit sich der Verein an der Grenze zu Baden-Württemberg dazu entschlossen hatte, aus dem Württembergischen in den Bayerischen Fußball-Verband zu wechseln, 2012 zur Gründung der Regionalliga Bayern, gehört er immer wieder der Spitze der höchsten Amateurliga im Freistaat an - und zu den regelmäßigen Pokalteilnehmern. An die dritte Liga zu denken, die sportlich in Reichweite wäre, verbietet aber die Infrastruktur. Ein Umzug nach Ulm käme nicht in Frage, dort gibt es ja seit dieser Saison im örtlichen Traditionsklub SSV 1846 schon einen Drittligisten.

Mit dem Verbandswechsel setzte sich der Aufstieg des FV Illertissen, maßgeblich finanziert vom örtlichen Unternehmer Josef Kränzle ("Hochdruckreiniger, Industriestaubsauger und Handkehrmaschinen - das ist die Welt von Kränzle"), rasant fort. Kurz vor der Jahrtausendwende spielte der Verein noch in der Bezirksliga, ehe es mit Kränzles Unterstützung Liga um Liga noch oben ging - Platz vier in der Oberliga Baden-Württemberg erlaubte die Eingliederung in Bayerns Regionalliga. Und vorne mitzuspielen, ist in Bayern wesentlich leichter als in der deutlich professionelleren Regionalliga Südwest.

"Jeder sieht rüber nach Ulm, welche Liga die spielen", sagt Ahrens, "jeder sieht das neue Multifunktionsgebäude in Memmingen."

Kränzle ist als Sponsor noch immer treu, bei den Heimspielen sitzt er stets auf der Tribüne, oft kommt auch sein Sohn Ludwig vorbei, der lange in der Vorstandschaft tätig war. Dort sind mittlerweile andere in der Verantwortung, Ahrens etwa oder auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Sergio Pereira, ein Unternehmer, der in Ulm und anderen Städten "Partner in Sachen temporärer Wohnraum" ist und sich im Stadion gerade um die Beschilderungen und Zuwege für den Sonntag kümmert. Ahrens und Pereira halten sich nicht an das Motto, wonach man zum Arzt gehen sollte, wenn man Visionen hat, sondern haben einen "Fünfjahresplan" entwickelt.

Der Posten "Vorstand Entwicklung und Infrastruktur" ist ja nicht geschaffen worden, um ein DFB-Pokalspiel abzuwickeln - sondern um die Zukunft zu gestalten. "Jeder sieht rüber nach Ulm, welche Liga die spielen", sagt Ahrens, "jeder sieht das neue Multifunktionsgebäude in Memmingen" - bei einem Regionalliga-Konkurrenten. "Wir dürfen nicht schlafen, wir müssen nachziehen", sagt Ahrens. Ansonsten hat Illertissen seinen sportlichen Zenit erreicht: "Es muss mehr gehen, das ist ja so."

So ein Multifunktionsgebäude möchten sie also in Illertissen auch - an der Stelle, wo die winzige, in die Jahre gekommene Tribüne steht. Eine viel größere Sitztribüne soll auf das Gebäude kommen, die Laufbahn soll weg, gegenüber, wo die Düsseldorfer Fans auf dem Graswall stehen werden, sollen Stehstufen errichtet werden. Dass es innerhalb der fünf Jahre dann nebenbei auch in die dritte Liga gehen soll, deuten alle an. Mit der Stadt, der das Stadion gehört, ist der FVI im Austausch, finanziert werden sollen die Maßnahmen über Fördermittel und Sponsoren, ein Ingenieurbüro prüft derzeit die Machbarkeit der Ideen.

"Wir müssen uns fragen: Ist das alles, was wir erreichen wollen? Bleiben wir hier stehen?", fragt Pereira und gibt die Antwort selbst: "Wer stehen bleibt, verliert." Spätestens bis zum Saisonende solle feststellen, was und wann gebaut werde. Schließlich haben die Illertisser schon alles erreicht, was für sie bei den momentanen Gegebenheiten möglich ist. Obwohl, eines noch nicht: die zweite DFB-Pokal-Runde.

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