Und dann brach die Nachspielzeit an, die große Saarbrücker Zeit. Drei Pokalspiele, gegen Karlsruhe, Bayern und Gladbach, haben die Saarländer nach der 90. Minute entschieden. Auch diesmal flog der Ball wieder auf das Tor des 1. FC Kaiserslautern, erneut war Saarbrücken in der Offensive. Aber sie brauchten diesmal zwei Tore. So viele unglaublich scheinende Dinge haben sie hier an der Saar geschafft, aber dieses Wunder war zu groß, sogar für den FCS. Die Zuschauer machten sich kurz vor Schluss bereit, um den Spielern für diese wundersame Reise ins Halbfinale zu danken. Und das taten sie dann auch. Die Verlierer bekamen erst leisen, dann sehr lauten und sehr verdienten Applaus.
Am Ende zieht der 1. FC Kaiserslautern ins DFB-Pokalfinale von Berlin ein. 2:0 (0:0) gewannen die Pfälzer - weil sie den 1. FC Saarbrücken mit dessen eigenen Mitteln schlugen. Kaiserslauterns Trainer Friedhelm Funkel hatte mit der Erfahrung seiner 70 Jahre als erster den Weg gefunden, den Drittligisten zu knacken. Die ganze erste Halbzeit riskierte Kaiserslautern nichts - dann trafen sie nach einem Prinzip, das Funkels ganzes Leben lang galt: Flanke, Kopfball, Tor. Marlon Ritter und Almamy Touré waren die Torschützen.
Saarbrücken bleibt trotzdem der Stolz einer Pokalsaison, an die man sich nicht nur an der Saar erinnern wird. Vor dem Spiel hatten die FCS-Fans eine Choreografie vorbereitet und zogen den goldenen DFB-Pokal unters Dach. Doch anstelle des grünen Edelsteins im Zentrum, wo normalerweise die Buchstaben "DFB" zu sehen sind, zeigten sie das blau-weiß-rote Kreuz der alten Flagge des Saarlandes, als es nach dem Zweiten Weltkrieg eigenständig war. Der Patriotismus ist groß in Deutschlands kleinstem Flächenbundesland.
FCK-Trainer Funkel beorderte seine Mannschaft zunächst nach hinten - und wartet ab
Das Spiel begann mit ein paar Sekunden Verzögerung, woran der Platz aber vollkommen unschuldig war. Der Saarbrücker Rasen ist ja mittlerweile eines der bekanntesten botanischen Gebilde Deutschlands geworden, aber er präsentierte sich grün und ohne Pfützen. Eine Plane schützte ihn am Montag vor dem saarländischen Regen, am Dienstag blieb es weitgehend trocken. Nein, die Verzögerung lag ganz klassisch daran, dass ein paar Fans Seenotfackeln durch die Sicherheitskontrolle geschmuggelt hatten. Eine Lauterer Rakete flog in die Gegengerade, was zurecht Pfiffe provozierte. Schiedsrichter Marco Fritz wartete einen Moment, bis sich der Rauch verzogen hatte, damit auch alle Fernsehzuschauer freie Sicht hatten - dann ging es los.
Und Lauterns Trainer Friedhelm Funkel zeigte, dass seine Aussage, der FCK sei hier der Außenseiter, nicht nur Gerede war. Er beorderte seine Mannschaft nach hinten und überließ den Saarbrückern den Ball. Die nahmen ihn an - wollten aber nicht zu viel riskieren. Marcel Gaus, der Siegtorschütze gegen den FC Bayern, sorgte mit vier Einwürfen in den ersten zehn Minuten von mehr oder weniger der gleichen Stelle für die meiste Gefahr. Er warf die Kugel immer direkt auf den von seinen eigenen Leuten zugestellten Lauterns Torhüter Robin Himmelmann, um Verwirrung zu erzeugen. Schöne Idee, klappte aber nicht.
Kaiserslauterns beste Chance resultierte auch nach einem Konter, Marlon Ritter machte sich auf den Weg, Saarbrückens Kapitän Manuel Zeitz stoppte ihn. Nach ungefähr einer Viertelstunde tauschten beide Teams die Rollen, der FCK bekam den Ball, sah aber auch nicht ein, mehr Risiko als unbedingt nötig zu gehen. Die Partie lebte von der Spannung, wie man so schön sagt, wenn sonst nicht viel passiert. Nach 31 Minuten musste bei Kaiserslautern Kenny Prince Redondo mutmaßlich mit einer Muskelverletzung raus, nach Topstürmer Ragnar Ache noch ein Verletzter in der Pfälzer Offensive, Aaron Opoku kam.
Friedhelm Funkel übernimmt den FCK:Hat da jemand "Feuerwehrmann" gesagt?
Friedhelm Funkel war drei Jahre ohne hochklassigen Trainerjob. Nun soll der 70-Jährige Zweitligist Kaiserslautern vor dem Abstieg retten - mit seinem Pragmatismus, der schon oft unterschätzt wurde.
Das Spiel wurde in der Folge etwas ruppiger, aber nicht hochklassiger. In der 42. Minute hatte Kai Brünker, Siegtorschütze gegen Karlsruhe und Gladbach, die beste Chance der ersten Halbzeit, sein Flugkopfball nach Freistoßflanke ging neben das Tor. War ja auch noch früh im Spiel. Als es in die Pause ging, konnte der FCS mal wieder 45 Minuten Pokalminuten als Erfolg abspeichern. Kaiserslautern hatte keine echte Torchance und tat sich auch schwer, diese im Ansatz zu kreieren.
Lautern warf sich in die Bälle, wie es die Saarbrücker in vier Pokalrunden getan hatten
Alles Funkels Plan? Seine Mannschaft kam jedenfalls verändert und sehr viel offensiver aus der Kabine, spielte plötzlich viel mehr Bälle in den Saarbrücker Strafraum. Und einen davon brachte Almamy Touré hoch auf Ritter, der mit seinen 1,73 Metern nicht als Herr der Lüfte gilt. Aber er setzte sich gegen Zeitz durch, brachte den Ball aufs kurze Eck, wo er Saarbrückens Torhüter Tim Schreiber extrem unglücklich durch die Beine rutschte. Die Lauterer Fankurve zündete noch ein paar Seenotfackeln.
Der FCK war danach besser im Spiel, gewann spürbar an Dynamik und Sicherheit. Der FCS war gezwungen zu agieren - aber auch gegen Bayern und Gladbach kamen die Blau-Schwarzen, die wieder in ihren weiß-goldenen Pokaltrikots spielten, nach Rückständen zurück. Lautern hatte nun Platz für Konter, Zeitz räumte bei einem solchen Opoku ab, er sah Gelb. Saarbrückens Trainer Rüdiger Ziehl wechselte dreimal, mit jeder Minute wurde seine Mannschaft offensiver. Lautern warf sich in die Bälle, wie es sonst die Saarbrücker vier Pokalrunden lang getan hatten. Verkehrte Welt im Ludwigspark. "Wir durften uns nicht auskontern lassen. So ist Bayern München hier gescheitert, so ist Borussia Mönchengladbach hier gescheitert", sagte Funkel in der ARD.
Dann bekam Kaiserslautern erneut einen Freistoß. Tymoteusz Puchacz schlug den Ball hoch herein, Touré sprang höher als alle anderen - 2:0. In der 80. Minute hatte Kai Brünker noch die große Chance zum Anschlusstreffer. Doch sein Ball flog mit den Saarbrücker Träumen von Berlin über das Tor.