DFB-Nationalteam der Frauen:Ein Jahr im Testmodus

Lesezeit: 3 min

Einen Schritt schneller als die Gegnerinnen: Lea Schüller, Torschützin zum 2:0 beim Drei-Nationen-Turnier in Aachen. (Foto: Tatjana Herzberg/SPP via www.imago-images.de/imago images/Sports Press Photo)

Nach dem Sieg gegen Belgien wartet nun die Niederlande auf die deutschen Fußball-Nationalspielerinnen. In elf Länderspielen ohne Ergebnisdruck soll das Team für die EM 2022 zu früherer Dominanz reifen.

Von Anna Dreher, München

Alexandra Popp stand am Spielfeldrand, ganz entspannt, ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. Drei Monate hatte die 29-Jährige wegen einer komplizierten Fußverletzung pausiert, ihr letztes Spiel für das deutsche Fußballnationalteam lag fünf Monate zurück. Und wie Popp da so vorfreudig auf ihre Einwechslung wartete, hatte etwas Symbolhaftes. Bei ihr stand Sjoeke Nüsken, mit eher angespanntem, nervösem Blick. Wer nicht, wie Popp, schon mehr als 100 Partien für die Auswahl absolviert hat, sondern noch gar keine, darf allemal aufgeregt sein vor dem ersten Einsatz. Ein Routinier und ein Rookie wurden also gemeinsam eingewechselt in der 72. Minute im ersten Länderspiel des Jahres am Sonntag. Eine Szene, die gut passte zu dem, was sich die deutsche Mannschaft vorgenommen hat für die nächsten Monate.

Gegen defensive Belgierinnen gewann das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg beim Drei-Nationen-Turnier in Aachen 2:0 (1:0). Ein Pflichtsieg, der höher hätte ausfallen können. Aber das Zusammenspiel lief nicht richtig rund. Zwar zeigten sich die Deutschen variabel, engagiert und offensiv. Mit dem 1:0 von Svenja Huth nach 88 Sekunden gelang auch ein idealer Start. Was dann aber die meiste Zeit fehlte, waren Timing und Präzision.

"Wir haben uns in diesem Kreis lange nicht gesehen und zusammengearbeitet. Da kann noch nicht alles klappen", sagte Huth. Und so konnte einzig Lea Schüller in der 55. Minute erhöhen. "Im Tennis würden wir sagen, wir haben zu viele Unforced Errors gemacht", sagte Voss-Tecklenburg. "Wenn etwas mal nicht so funktioniert, wollen wir es erzwingen. Grundsätzlich sind Engagement und der Wille, Dinge umzusetzen, ja richtig und gut. Aber wir agieren da eben manchmal einen Tick zu kompliziert."

Das Team hat nun viel Zeit - aber wenige echte Herausforderungen

Das Turnier "Three Nations. One Goal", das im Zeichen der gemeinsamen Bewerbung um die WM 2027 von Deutschland, Belgien und den Niederlanden steht, soll eine erste Standortbestimmung für die DFB-Frauen sein. Und es soll genutzt werden, um im Wettbewerb die Weiterentwicklung des Teams voranzutreiben. Nur darum geht es 2021. Die Olympischen Spiele finden ohne die Titelverteidigerinnen statt, der nächste große Wettkampf ist die Europameisterschaft 2022 in England, deren Eröffnung am Sonntag noch 500 Tage entfernt war. Viel Zeit ohne Herausforderungen, bei denen es wirklich um was geht. Die EM-Qualifikation wurde mit acht Siegen in acht Partien und einem Torverhältnis von 46:1 bereits locker geschafft. "Wir sehen dieses Jahr als Chance", sagte Sara Däbritz. Die kann es natürlich auch sein - wenn sie genutzt wird.

Der Blick geht nur nach vorne in dieser sehr langen Vorbereitungsphase. Und wenn auch die für dieses Jahr geplanten elf Länderspiele ohne Ergebnisdruck absolviert werden können, so wächst dieser doch umso mehr bei der EM. Ein Erfolg in England ist nach den jüngsten Turnierenttäuschungen ein Muss, um dem eigenen Anspruch, immer noch Weltklasse zu sein, gerecht zu werden.

Die nächste Generation soll möglichst viel von den Erfahrenen lernen

Voss-Tecklenburg will also dafür sorgen, dass ihre Mannschaft möglichst intensiv arbeitet an der Rückkehr zu früherer Dominanz, die die 53-Jährige einst mitgeprägt hat. Sie will, dass die nächste Generation von Spielerinnen wie Sjoeke Nüsken, 20, oder Nicole Anyomi, 21, die ebenfalls ihr Debüt feierte, möglichst viel von den Erfahrenen wie Popp, Huth, Däbritz oder Dzsenifer Marozsán lernen - und diese herausfordern. Dass Voss-Tecklenburg ein Gefühl für die Integration von Talenten hat, zeigte sich bei der WM 2019: Lea Schüller, Giulia Gwinn, Lena Oberdorf und Klara Bühl betraten erstmals die große Bühne und überzeugten.

In diesem Jahr sollen sich also bei gleichzeitigem Stärken einer Achse aus Stammspielerinnen möglichst viele zeigen können und die Prinzipien des Trainerteams verinnerlichen. Aber um zu wissen, wie gut welche Aufstellung wirklich funktioniert, braucht es natürlich auch entsprechende Gegner. "Wir können unsere Defensive da noch gar nicht richtig einschätzen, weil sie im vergangenen Jahr nicht wirklich gefordert wurde", sagte Voss-Tecklenburg. Wenn ihre Spielerinnen zum Turnierabschluss am Mittwoch (18.30 Uhr, Eurosport) auf den Europameister und WM-Zweiten Niederlande treffen, wird sich das ändern. Die Gegnerinnen zählen zu den unangenehmsten - wie auch die USA. Über Länderspiele gegen den Weltmeister im Sommer wird noch verhandelt, die Intention ist klar: Wenn dieses Jahr schon unfreiwillig eines zum intensiven Testen wird, dann bitteschön eines mit Gütesiegel.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: