Machtkampf beim DFB:Doch noch ein letztes Gespräch

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Wollen es noch einmal miteinander versuchen: DFB-Präsident Fritz Keller (rechts) und Generalsekretär Friedrich Curtius (Archivbild). (Foto: dpa)

Nach langer Krisensitzung verkündet der DFB, dass sich Präsident Keller und Generalsekretär Curtius noch einmal zusammenraufen wollen. Das ging schon einmal schief.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt

Rekordverdächtig lange dauerte die Sitzung, der die deutsche Fußball-Gemeinde in den vergangenen Tagen so erwartungsvoll entgegengeblickt hatte. Am Freitagvormittag kamen die 13 stimmberechtigten Präsidiumsmitglieder des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in einem Tagungsraum der Verbandszentrale in der Otto-Fleck-Schneise zusammen. Auseinander gingen sie erst am späten Nachmittag, nach fast sieben Stunden. Dann stand in der erbittert geführten Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten Fritz Keller, 63, und dem Generalsekretär Friedrich Curtius, 44, ein sehr banales Ergebnis: Dieser Machtkampf ist immer noch nicht entschieden - der Showdown wurde nur ein weiteres Mal vertagt.

Die Kontrahenten würden, hieß es hinterher in einer Erklärung, noch einmal versuchen, miteinander ein einigendes Gespräch zu führen. "Nach intensiver und konstruktiver Aussprache im DFB-Präsidium" wolle man "unverzüglich letztmalig einen gemeinsamen Versuch unternehmen, Regeln und Rollen für eine künftige gemeinsame professionelle Zusammenarbeit zu diskutieren und festzulegen", tat das Statement des Verbandes kund.

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Angesichts der dramaturgischen Zuspitzung vor der Sitzung war das ein überschaubares Ergebnis. Immerhin hatte Keller zuletzt die Einrichtung einer Art Untersuchungsausschuss angeregt und gegenüber Präsidiumskollegen erklärt, er wolle alle Fakten auf den Tisch legen, wegen denen er "kein Vertrauen mehr" zu Curtius habe.

Keller und die Liga stören sich an diversen Vertragswerken

Eine formale Abstimmung gab es jedenfalls nicht; richtig siegessicher fühlte sich wohl keines der Lager. Typisch DFB-Verwalter: Wieder hatte der Funktionärsberg laut gekreißt, wieder wurde ein Mäuslein geboren. Es ist wie im Oktober, als vor einer Präsidiumssitzung auch schon Curtius' Ablösung im Raum gestanden hatte.

So dürfte der Oktober-Treff auch der Fingerzeig sein, wie es nun abseits frommer Bruderküsse und im Schatten des letztmaligen Schlichtungsgesprächs weitergeht. Auch damals war schon vereinbart worden, die Dissonanzen gemeinsam aufzuarbeiten. Stattdessen krachte es danach erst richtig, die Vorhaltungen verschärften sich. Und auch jetzt hat sich nichts an den grundsätzlichen Verwerfungen geändert, der Mediationsbeschluss nach einem konfusen, siebenstündigen Positionsgefecht wirkt eher als Fanal der gesammelten Hilflosigkeit.

Zumal sich zwei gewaltige Entwicklungen der vergangenen Tage nicht mehr korrigieren lassen. Das eine ist der Vertrauensentzug der Liga-Vertreter gegenüber Curtius. Am Vorabend der Präsidiumssitzung hatte die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die die Interessen des Profibetriebs vertritt und die in dem Machtkampf seit Längerem im Lager des Präsidenten steht, dem Generalsekretär eine Art Hausverbot erteilt, indem sie Keller bat, Curtius nicht mehr in die DFL-Gremien zu entsenden. Der Grund: fehlendes Vertrauen wegen Curtius' angeblichem Umgang mit Informationen aus internen Besprechungen.

Hintergrund des Beschlusses, hieß es in einer Erklärung, sei die Tatsache, "dass in mehreren Fällen Indizien darauf hinweisen, dass Dienstleister, die durch den Generalsekretär im Namen des DFB beauftragt wurden und/oder an ihn berichten, Informationen und Interpretationen von Sachverhalten an Medien übermittelt haben, die darauf gerichtet waren, das Ansehen der DFL zu schädigen". Curtius wies das zurück. Aber wie soll auf dieser Basis überhaupt noch eine Zusammenarbeit zwischen DFB und DFL möglich sein?

Zugleich förderte der Zwist zutage, dass sich Keller und die Liga an diversen Vertragswerken stören. Es liegt auf der Hand, dass diese auch in der Präsidiumssitzung behandelt wurden; sie sollen nun an anderer Stelle Nachhall finden. So wurde dem Vernehmen nach auch Substantielleres vereinbart: Diese Verträge sollen nun sauber unter Compliance-Aspekten geprüft werden. Was jedoch sinnvollerweise nicht im DFB-Haus selbst geschehen sollte, wo nach Aktenlage die zuständige Abteilung bereits ins Vertrags-Geschehen involviert war.

Es geht zum Beispiel um eine sehr spezielle Markenberatung, die Curtius auf Kosten des DFB erhielt. Überdies schloss der DFB im Oktober 2019 einen gut sechsstellig dotierten Vertrag mit einem Kommunikationsberater, der im Zusammenhang mit dem Verband eine lange Vorgeschichte hat: Schon im August 2012 saß der Vermittler mit DFB-Vizepräsident Rainer Koch (und anderen Verbands-Granden) zu spannenden Themen beisammen. Auch stößt sich Kellers Lager daran, dass der Aufbau und die Pflege von Curtius' Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia für den Verband die stolzen Kosten von 20 000 Euro verursachte, wie am Vorabend der Sitzung zunächst der Spiegel berichtete - wenngleich der DFB erklärte, es gebe keine Unregelmäßigkeiten.

Diese Wikipedia-Pflege war interessanterweise Teil der umfangreichen Arbeiten der Ermittler-Firma Esecon, die seit Längerem von vielen im DFB kritisch beäugt werden. Die Forensiker spüren seit eineinhalb Jahren Unregelmäßigkeiten im DFB nach. Dabei ging es vor allem um Geschäfte mit dem Langzeit-Vermarkter Infront sowie um eine Generalinventur, die Korruptions-Fragen rund um den Zuschlag für die Fußball-WM 2006 einschließt.

Nebenbei dürfte Esecon pikantes Insiderwissen angehäuft haben - das liegt in der Logik jeder gründlichen forensischen Prüf-Tour durch verbandsinterne Mailaccounts, zu der die Firma ebenfalls verpflichtet worden war. In DFB-Mitarbeiterkreisen kam das dem Vernehmen nach nicht überall positiv an; es hat ein jeder so seine Projekte, Korrespondenzen etc. Die Gesamtkosten für die Aktivitäten von Esecon werden auf drei bis 3,5 Millionen Euro taxiert. Pikant dabei: Vor dem ersten Großauftrag wünschte sich DFB-General Curtius, dass Esecon den Zuschlag ohne Ausschreibung erhalten solle.

All diese Dinge sind brisant, sie bleiben Debattierstoff. Zumal sie den Blick auf jene Spitzenfunktionäre lenken, die ihren gut besoldeten General im Clinch mit Keller und der Liga so vehement verteidigen - vorneweg der einflussreiche Strippenzieher Rainer Koch, Chef des bayerischen Verbandes und als DFB-Vize auch oberster Amateurvertreter. Der Dinosaurier unter den Topleuten, fein vernetzt und konsequent unauffällig - der nur stets in nächster Nähe war, wenn Präsidenten fielen (Wolfgang Niersbach, Reinhard Grindel) oder gingen (Theo Zwanziger). Leute, die im Zenit der jeweiligen Krise mit ihm über Kreuz lagen. Auch mit dem mysteriösen Medienberater, der nach interner Darstellung auch die Infront-Auseinandersetzung und damit Esecons stille Tätigkeiten medial begleiten sollte, steht Koch nach SZ-Informationen seit Langem auf vertrautem Fuß.

Ein Sturz Curtius' könnte für ihn jedenfalls ziemlich ungemütlich werden, heißt es rund um die DFB-Zentrale - auch in Hinblick auf sein Vorstandsamt in Europas Fußball-Union, für das er beim Uefa-Kongress im April erneut kandidiert. Aber auch ein jäher Abgang Kellers dürfte diese Ambitionen nicht fördern: Zu viele Köpfe sind schon gerollt an der deutschen Fußball-Spitze. Was nicht zwingend Vertrauen in denjenigen schafft, der alle überlebt hat.

Die gesamte Führungs-Matrix des zerrissenen DFB wird nun beleuchtet, das Problem lässt sich nicht mehr auf Gesprächsdefizite zwischen Curtius und Keller reduzieren. Deshalb ist der Intrigantenstadl mit dem Krisentreff vom Freitag nicht vorbei, er erlebte nur seinen vorläufigen Höhepunkt.

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