Die meisten Menschen trinken, wenn sie etwas zu feiern haben, ein Glas Champagner oder sowas. Auch Marco Reus hätte am Dienstag allen Grund gehabt, sich etwas zu gönnen. Auf spektakuläre Weise hatte der 30-jährige Nationalspieler zuvor das Spiel geprägt. Mal wieder. Doch als Reus in schwarzer Trainingsjacke aus der Stadionkabine geschlendert kam, hatte mitnichten ein gefülltes Glas dabei. Stattdessen hielt er in der rechten Hand einen Becher mit Melonen-Stückchen und in der linken Hand eine Plastikgabel. So sehen Sieger aus.
8:0 hatte die DFB-Elf am Dienstagabend in Mainz in der EM-Qualifikation Estland abgefertigt. Reus gelang dabei das frühe Führungstor und kurz vor der Halbzeitpause ein wundervoller, gefühlvoller Freistoßtreffer. "Wahrscheinlich war dies mein schönstes Länderspieltor", gab selbst der bescheidende und zurückhaltende Reus nach dem Spiel zu, während er den Becher mit den Melonen umklammerte.
Eine ohnehin außergewöhnliche Saison von Reus hatte die perfekte Schlussanekdote bekommen. Nun steht der Sommerurlaub an, was dem BVB-Angreifer allerdings alles andere als gelegen kam. "Wenn es gut läuft", sagte er, "kannst du eigentlich immer weiterspielen."
Reus harmoniert gut mit Gnabry und Sané
17 Treffer hat Reus in der vergangenen Saison in der Bundesliga für Dortmund erzielt, zwölf Tore bereitete er vor. "Er spürt den Fußball", schwärmte sein Trainer Lucien Favre vor ein paar Monaten. Beinahe hätte der Kapitän seinen Klub sogar zur Meisterschaft geführt, zwei Pünktchen lag Dortmund am Ende hinter dem FC Bayern. Reus ist jedoch nicht nur wegen seiner Torgefahr so wichtig für den BVB und die Nationalelf.
Sondern auch wegen seiner unaufgeregten, bescheidenen Art und seiner Erfahrung. Er reißt die Teamkollegen mit, er wählt während und nach dem Spiel meist die richtigen Worte. "Wenn du einer der Ältesten bist", hatte Reus, der im März Vater wurde, vor ein paar Tagen dem Magazin Kicker gesagt, "dann musst du vorangehen und die Jungen mitziehen."
Aushilfs-Bundestrainer Marcus Sorg, der in der Länderspielwoche den erkrankten Joachim Löw vertrat, lobte seinen derzeit wohl wichtigsten DFB-Spieler überschwänglich: "Er ist in fantastischer Verfassung." Das war sogar schon vor dem außergewöhnlichen Estland-Spiel, in dem Reus seine Bilanz auf 13 Länderspieltore hochschraubte.