DFB-Elf:Khedira wählen!

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Kämpfer für die Mannschaft und in eigener Sache: Sami Khedira, 29. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Der Mittelfeldspieler gilt als der versierteste Politiker unter den Nationalspielern. Doch die Konkurrenz auf seiner Position wird stärker.

Von Philipp Selldorf, Hannover

Dem Bundestrainer wurden am Dienstagabend wieder allerlei Komplimente gemacht. Es ging diesmal zwar nicht um seinen unveränderlichen Bryan-Ferry-Look und auch nicht um seine erstaunliche Frisur, die selbst im niedersächsischen Landregen Form und Festigkeit bewahrte. Aber es ging immerhin um seine Mannschaft, die er seit mehr als zehn Jahren hauptverantwortlich betreut. Nach der 0:2-Niederlage gegen Löws Weltmeister stimmte dessen nordirischer Kollege Michael O'Neill eine Hymne auf die Sieger an, unter anderem äußerte er Zweifel daran, "dass es weltweit eine Mannschaft gibt, die die Deutschen aufhalten kann". Offenkundig war er froh darüber, dass seine Elf von diesem Giganten unter den Giganten nicht vollends verdroschen worden war.

Bekanntlich sind die Leute von der grünen Insel, wie sich in Hannover wieder gezeigt hat, zu großer Herzlichkeit und Freundlichkeit imstande. Die nordirischen Fußballfans haben nicht nur den ganzen Tag lang mit den Einheimischen Brüderschaft getrunken, sie haben auch ihre prachtvollen Gesänge nicht eingestellt, als sich das Geschehen nach den frühen Treffern von Julian Draxler und Sami Khedira bedrohlich gegen ihre Jungs richtete.

"Wir wollten Dominanz und Variabilität. Das war hervorragend"

O'Neill reagierte darauf, indem er die Beton-Abwehr mit weiterem Beton zu festigen suchte. "Unser Plan war ein 5-4-1", erklärte er, "wir wollten eigentlich Kroos ruhigstellen. Aber wenn uns das einmal gelungen ist, dann war da gleich ein anderer Spieler, der seine Rolle übernahm." Und so wurde aus der 5-4-1-Formation ein 9-0-1, wie Löw scherzend anmerkte. Früher hat er solche Spielverweigerungsstrategien mit einer Geringschätzung kommentiert, die an Verachtung grenzte, derzeit ist der Bundestrainer aber viel zu zufrieden mit seinen Spielern, um sich zu ärgern.

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Man habe den Plan gefasst, die WM-Qualifikation "rigoros durchzuziehen", sagte er. Dass er dieses Vorhaben professionell verwirklicht sieht, das gefällt dem Trainer ungemein: "Wir wollten Dominanz und Variabilität. Das war hervorragend."

Auch aus der eigenen Mannschaft empfing Löw nette Worte. Jedoch konnte man meinen, dass diese nicht immer so uneigennützig geäußert wurden, wie O'Neill das tat. Sami Khedira etwa sprach auch in eigener Sache, als er hervorhob, Löw habe seit jeher "ein glückliches Händchen, wen er auf welcher Position aufstellt". Schließlich hatte Löws glückliches Händchen dafür gesorgt, dass Khedira in Hannover auf dem Platz stehen und sich mit einem gelungenen Auftritt empfehlen durfte.

Khedira wird beim DFB als profilierte Persönlichkeit geschätzt, er gilt aber auch als der versierteste Politiker unter den Nationalspielern. Er versteht es, Interessen zu vertreten, sowohl die Interessen der Mannschaft als auch die eigenen. Am Dienstagabend hat er diesen Ruf bestätigt, als er in der zugigen Stadionhalle mehrfach vor den Reportern Halt machte und für die Sami-Khedira-Partei warb.

Es hatte ihn in seinem nicht unbeträchtlichen Stolz getroffen, als während der vergangenen Tage der Eindruck entstanden war, er müsse seinen Platz im Mittelfeld an Rückkehrer Ilkay Gündogan abtreten. "Für mich ist das ein Stück weit amüsant", sagte er, "ich spiele jetzt seit neun Jahren in der Nationalmannschaft, und es wurde achteinhalb Jahre darüber diskutiert, ob ich spiele oder nicht." In den vergangenen Tagen will er sogar Stimmen wahrgenommen haben, "dass ich in der Mannschaft keinen Platz habe".

So nutzte Khedira die Gunst der Stunde, um darauf hinzuweisen, dass der Bundestrainer ein echter Fachmann sei - weil er all die Jahre genau erkannt habe, wie wertvoll Khedira fürs Team sei: "Ich weiß, dass mein Spiel nicht immer toll aussieht. Ich spiele nicht mit der Hacke. Aber ich weiß, wie der Fußball funktioniert und der Erfolg. Und das weiß auch der Trainer." In Hannover machte Mesut Özil zur Pause Platz für Gündogan, Khedira durfte bleiben und hielt das für angebracht. "Letztendlich wird man für seine Arbeit belohnt", sagte er.

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"Man hat gesehen, dass ich in beiden Spielen 90 Minuten auf dem Platz gestanden und mehr als ordentliche Leistungen gebracht habe." Khedira spielt beim Spitzenklub Juventus Turin und kann auf eine sehr erfolgreiche Karriere verweisen, aber er kennt seine Wettbewerbsnachteile. Naturgemäß hat er es nicht leicht, wenn er mit Künstlern wie Toni Kroos und Ilkay Gündogan um den Stammplatz konkurriert.

Kroos - "das Navigationssystem" des Weltmeisters, wie die spanische Zeitung AS schrieb - erfüllt konstant die allerhöchsten Ansprüche, weshalb ihn Real Madrid nun mit einem neuen Vertrag ausgestattet hat. Die Vereinbarung drückt gleich doppelt höchste Achtung aus: Kroos, 26, wird dem Rentenalter nicht mehr fern sein, wenn der neue Vertrag 2022 endet, und die obligatorische Gehaltserhöhung macht Kroos mutmaßlich zum Bestverdiener unter den DFB-Nationalspielern. Das steigert teamintern Status und Ansehen.

Joachim Löw stellt sein Team nicht nach der Gehaltstabelle auf. Aber er muss abwägen, wie er den Konkurrenzkampf in seiner Star-Parade einerseits fördert und andererseits unter Kontrolle behält. Außer Kroos, Khedira und Gündogan bieten sich auch noch die jungen Kimmich und Weigl für die Besetzung der Mittelfeldzentrale an. Eine Fußballelf bestehe aber "nicht nur aus Einzelspielern, sondern aus der Konstellation mehrerer Spieler - und die muss passen", klärte Khedira auf. Das klang, als ob er den Slogan seines Wahlkampfs aufgesagt hätte: "Für Titel, Erfolg und Stabilität im Mittelfeld - Khedira wählen!"

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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