DFB-Affäre:Ein Vergleich als Niederlage

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Weiter viel Gesprächsbedarf für den neuen DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf: Die Staatsanwaltschaft interessieren zwei überraschend aufgetauchte Tresore. (Foto: Ronald Wittek/dpa)

Der DFB kann sich im Arbeitsrechtsstreit mit einem früheren Mitarbeiter nicht durchsetzen. Der Ausgang des Verfahrens zwingt den neuen Präsidenten Bernd Neuendorf dazu, sich in der Berateraffäre klar zu positionieren.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Ein für den Deutschen Fußball-Bund wegweisender Termin war für diesen Mittwoch anberaumt: Das Arbeitsgericht Frankfurt wollte nach vielen Verzögerungen sein Urteil zum Kündigungsstreit zwischen dem DFB und dessen früherem Mitarbeiter Samy Hamama verkünden. Aber der Termin fiel aus. Stattdessen, so bestätigt die Behörde, einigten sich die beiden Parteien zu Wochenbeginn auf einen vom Gericht vorgelegten Vergleich. Doch das, was dabei heraus kam, ist nicht etwa als ein Unentschieden zu werten - sondern als eine klare Niederlage für den DFB.

Denn der Kern des Ergebnisses lautet, dass der Verband weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung durchgebracht hat. Auch kostete ihn der Dauerstreit mit Hamama unnötig viel Geld. Und zudem setzt der Ausgang des Verfahrens ein Signal in der größten Affäre, die den DFB ja weiter umtreibt: die Ungereimtheiten rund um einen ebenso mysteriösen wie teuren Beratervertrag, zu dem inzwischen die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt.

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Die Hamama-Causa ist Teil der verworrenen Vorgänge rund um die 2019 erfolgte Beauftragung des Medienberaters Kurt Diekmann - bei der bis heute unklar ist, was genau dahintersteckt. Die ehemalige DFB-Spitze um Vize-Präsident Rainer Koch, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Generalsekretär Friedrich Curtius, die alle nicht mehr im Amt sind, hatten die mit 360 000 Euro dotierte Tätigkeit Diekmanns als mediale Begleitung bei der Trennung vom Vermarktungspartner Infront dargestellt. Der damalige Präsident Fritz Keller vermutete hingegen mediale Kabalen gegen sich, sah sich bei Nachforschungen intern aber abgeblockt. Also bat Keller, immerhin haftender DFB-Vorstand, seinen Büroleiter Hamama, in der hauseigenen Controlling-Abteilung Einsicht in Diekmann-Rechnungen zu nehmen.

In der mysteriösen Berateraffäre ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft

Kurz nach einem Beitrag des ZDF-Sportstudios im Februar 2021, in dem eine Rechnung des Kommunikationsberaters gezeigt wurde, kündigte der DFB Hamama fristlos, Tage darauf auch ordentlich. Hamama soll unberechtigt Einblick in bedeutende Verschlusssachen genommen und die Papiere sogar ans ZDF weitergereicht haben; er habe gegen Geheimhaltungspflichten verstoßen. Medienagent Diekmann stellte parallel sogar Strafanzeige.

Seither konnten jedoch weder interne noch externe Prüfer den tieferen Sinn des teuren Beratervertrags nachvollziehen. Noch rätselhafter: Auch das damalige DFB-Spitzentrio war keine Hilfe bei der Suche nach einer schlüssigen Erklärung. Im März setzte die Frankfurter Staatsanwaltschaft Razzien beim DFB und mehreren Beraterfirmen an. Gegen Curtius und Diekmann wird ermittelt (beide weisen die Vorwürfe zurück), die Behörde spricht von einem möglichen "Scheinvertrag".

Entsprechend bedeutsam war für den DFB das arbeitsrechtliche Verfahren. Wenn das Gericht die Kündigung als rechtens betrachtet hätte, wenigstens die ordentliche, dann hätte er fortan die Diekmann-Unterlagen als Material klassifizieren können, das aus gutem Grund intern besonders diskret behandelt werden müsste. So trotzig zog der DFB die Auseinandersetzung mit dem schon im Vorjahr vergleichsbereiten Hamama durch, dass das bald den Verdacht nährte, hier ginge es nicht so sehr um juristische denn um sportpolitische Ziele: darum, endlich ein Geheimhaltungsetikett für den Diekmann-Vertrag zu bekommen.

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Hätte der DFB den Vergleich nicht akzeptiert, wäre es wohl eine krachende öffentliche Niederlage geworden

Dabei irritierte den Verband auch nicht, dass sich auch die Richterin öffentlich wunderte, warum Präsident Keller solche Rechnungen nicht sehen können solle - und klar signalisierte, dass die Kündigungen nicht haltbar seien. Pikant zudem: Zahlreiche unabhängige Instanzen - der interne Prüfausschuss, das Ethikkomitee und der Betriebsrat - positionierten sich dezidiert gegen die Vorgehensweise der DFB-Verantwortlichen gegenüber Hamama.

Nun torpediert der Verfahrensausgang die bisherige Erzählung des DFB. Der will zwar, in einer nach Anfragen am Mittwoch eilig publizierten Erklärung, den Eindruck pflegen, man habe eine sehr komfortable Einigung erzielt: "Nachdem das Arbeitsgericht Frankfurt den Parteien Anfang April 2022 einen Vergleich vorgeschlagen hatte, hat Samy Hamama seine Klage aufgegeben, in gleichem Zuge leitet der DFB aus den Kündigungsvorwürfen keine Rechte mehr her."

Aber tatsächlich einigten sich die Parteien aufs Essentielle für Hamama - und auf Brisantes für die weiteren Verfahren: Beide Kündigungen sind gegenstandslos. Weshalb das Arbeitsverhältnis nun einvernehmlich zum Juni 2021 beendet wurde. Was im Kern auch bedeutet: Alle Vorwürfe, die im Zuge der fristlosen wie auch der ordentlichen Kündigung erhobenen wurden, sind nicht aufrechtzuerhalten. Bis zuletzt, bis zum Ende der vom Gericht gesetzten Frist hatte der DFB nach SZ-Informationen versucht, seine Sicht der Dinge durchzusetzen. Das Ergebnis lässt den Schluss zu: Hätte der DFB den Vorschlag des Gerichts nicht akzeptiert, wäre das Verfahren in ein Urteil gemündet, das eine krachende öffentliche Niederlage für den Verband geworden wäre.

Für den DFB ist die Causa nun sehr teuer geworden

Nun stehen die bisherigen Fragen an das damaligen Spitzen-Trio Curtius, Koch, Osnabrügge härter denn je im Raum. Aber auch solche an den neuen Präsidenten Bernd Neuendorf, der seit 11. März amtiert. Denn auch er moderierte das heikle Thema nicht in den Wochen nach seinem Amtsantritt freihändig ab, sondern erst jetzt, angesichts eines drohenden Urteils. Und es ist ein entscheidender Punkt, wie er weiter damit verfährt.

Die Causa ist teuer für den DFB geworden. Nach SZ-Informationen kostete der gesamte Prozess inklusive Beratungen und finanzieller Einigung mit Hamama den gemeinnützigen Verband eine Summe von mehr als 500 000 Euro - der DFB dementiert das nicht. In jedem Fall ist es erheblich mehr, als wenn er die frühzeitig offerierte Einigung angestrebt hätte. Im Kammertermin war offenkundig geworden, dass Hamama insgesamt knapp 300 000 Euro forderte und der DFB nur zirka 65 000 Euro bot. Erwägt der DFB nun Schadenersatzansprüche gegen die früheren Spitzenleute, die so stur am Kündigungsstreit festgehalten hatten? Auch dazu sagt der DFB nichts.

Klarer denn je ist aber, dass die Diekmann-Affäre dem DFB lange erhalten bleibt. Die Untreue-Ermittlungen laufen, und jetzt fand auch ein Gericht keine Geheimhaltungsmerkmale am Beratervertrag: Die neue Verbandsspitze muss sich allmählich positionieren. Der Ex-SPD-Politiker Neuendorf sieht das offenbar anders. Am Samstag merkte er im ZDF-Sportstudio an, der Begriff "aufräumen", das sei jetzt "gar nicht mein Vokabular". Am Samstag merkte er im ZDF-Sportstudio an, der Begriff "aufräumen", das sei jetzt "gar nicht mein Vokabular". Die Unterlagen zu den Affären lägen ja bei den zuständigen staatlichen Stellen und seien dort in guten Händen.

Als wäre der neue DFB nicht mittendrin.

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