WM-Qualifikation:Nur die Verschwendung kostet einige Nerven

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In Island bewehrte sich die Nationalelf als gut abgestimmte Gemeinschaft, keiner stach hervor - nicht einmal Joshua Kimimch (li.). (Foto: Matthias Koch /imago)

Beim 4:0 gegen tapfere Isländer genügt der DFB-Elf ein beherrschter, energiesparender Auftritt. Die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick bewährt sich als gut abgestimmtes Ensemble.

Von Philipp Selldorf, Reykjavik

Auf den Tribünen des hinlänglich berüchtigten Stadions Laugardalsvöllur herrschte die Stimmung zwischen Langeweile und Fatalismus, wie sie nicht selten in den ehrenwerten deutschen Regionalligen anzutreffen ist. Ein paar Unentwegte lärmten in ihrer angestammten Ecke unabhängig vom Spielstand fröhlich vor sich hin, die meisten Zuschauer aber verfolgten weitgehend stumm das Geschehen, weil sie sich längst mit dem Schicksal ihrer Mannschaft abgefunden hatten.

Von der Atmosphäre des Häcker-Wiehenstadions zu Rödinghausen unterschied sich das mit 3600 Zuschauern maximalmöglich gefüllte isländische Nationalstadion nur durch das Wetter und die Topografie. Hin und wieder nieselte es nordatlantisch, und die nahen Berge hüllten sich in dichte Wolken.

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So ging sie in aller Ruhe zu Ende, die letzte Partie der Nationalmannschaft zur Einstandsrunde des neuen Bundestrainers Hansi Flick, aber es wird sich niemand darüber beklagt haben in der Delegation des Deutschen Fußball-Bundes. Die Deutschen gewannen auch das dritte WM-Qualifikationsspiel, das sie binnen sieben Tagen zu bestreiten hatten, und bauten dadurch ihre Stellung an der Spitze der Gruppe J aus.

Zum 4:0-Sieg gegen die tapferen, aber konstant unterlegenen Isländer genügte ihnen ein beherrschter, energiesparender Auftritt. Hansi Flick konnte mit seinen Dispositionen zufrieden sein, seine Elf bewährte sich als Ensemble, in dem jeder Einzelne seine Rolle kennt und weitgehend gewissenhaft versieht. Einzig die Chancenverwertung mochte Flick gelegentlich ein paar Nerven gekostet haben. Wie Timo Werner und Kai Havertz mit besten Gelegenheiten umgingen, hatte schon etwas Verschwenderisches.

Gnabry befindet sich zurzeit offenbar in gehobener Goalgetter-Stimmung

Keine fünf Minuten waren vergangen, und die Illusion einer Wiederholung von Rudi Völlers legendärer Mist-&-Käse-Gala hatte sich bereits erübrigt. Es würde kein 0:0 geben, nach dem sich der Bundestrainer wie damals vor 18 Jahren sein schnauzbärtiger Vorgänger provokanten Fragen stellen müsste, dafür hatte Serge Gnabry nach Leroy Sanés prägnanter Vorlage mit dem 1:0 gesorgt. Der Münchner Angreifer befindet sich zurzeit offenbar in gehobener Goalgetter-Stimmung, schon beim 6:0 gegen Armenien hatte er mit seinen Treffern die Startschüsse für ein sorgloses Spiel gegeben. Auch diesmal hatte sein Tor wohltuende Wirkung auf die Mitspieler.

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Hansi Flick hatte entschieden, die Abschlusspartie seiner Startpremiere nicht durch Experimente durcheinanderzubringen; bis auf Ilkay Gündogan, der den verletzt daheimgebliebenen Marco Reus ersetzte, spielte die Elf, die bereits gegen Armenien begonnen hatte. Der Effekt war eine Mannschaft, in der es keine Verständnisprobleme gab, jeder kannte seinen Posten und machte seinen Job, es gab keinen Spieler, der alle überragte, und keinen, der einen schlimmen Tag erwischt hatte.

Die Isländer trugen ihren Teil dazu bei, sie kamen nicht in die Lage, mit körperlichem Einsatz die Deutschen aus dem Rhythmus zu zwingen. Die Ballkontrolle lag bei den Gästen vom fernen Festland, die Hausherren liefen hinterher. Die unvermutete Chance zum Ausgleich durch Johannesson machte Manuel Neuer mit einer routinierten Faustabwehr zunichte (17.), aber bevor sich aus dieser gelungenen Attacke ein Aufbäumen entwickeln konnte, legten die Deutschen das 2:0 nach. Einen durchaus schicken Freistoß von Joshua Kimmich nutzte Antonio Rüdiger zu einem Kopfball, der das Prädikat perfekt verdiente.

Es war nun eines dieser Länderspiele, auf den schon der Schatten des nächsten Liga-Spieltags fiel, am Sonntag stehen sich RB Leipzig und der FC Bayern gegenüber, der FC Chelsea trifft auf Aston Villa. Im Besitz der 2:0-Führung meldete sich bei den deutschen Profis das Bewusstsein vom Ernst des Alltags und das Gefühl, dass die wesentlichen Aufgaben dieser Dienstreise getan waren. Man stellte die Bemühungen um weitere Treffer nicht ein, aber man meinte auch nicht, es mit den Anstrengungen übertreiben zu müssen.

Nachdem ein Pfostenschuss durch Johann Gudmundsson verkraftet war (49.) und der erneut gut aufgelegte Sané mit dem 3:0 endgültig alle Unklarheiten beseitigt hatte (56.), absolvierte das deutsche Team die zweite Halbzeit im Modus der Pflichterfüllung. Hansi Flick assistierte bei der Abwicklung des Abends und beim Kräfteschonen, indem er von seinem Wechselrecht in vollem Umfang Gebrauch machte. Der verschwenderische Mittelstürmer Timo Werner aber blieb bis zum Schluss auf dem Rasen - womöglich aus erzieherischen Gründen. Prompt bewährte er sich mit dem Tor zum 4:0 (89.).

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