Deutschland beim Davis Cup:Im deutschen Tennis entflammt Zuversicht

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Alexander Zverev (Mitte) und Boris Becker (re.) freuten sich gemeinsam beim Davis Cup in Brisbane. (Foto: dpa)
  • Deutschlands Davis-Cup-Team zeigt sich beim Sieg in Australien stark - besonders Alexander Zverev kann glänzen.
  • Teamchef Michael Kohlmann hat gemeinsam mit Head of Tennis Boris Becker eine eingeschworene Gemeinschaft mit den Spielern geschaffen.

Von Gerald Kleffmann

Das Ende war dann für einen Moment wie bei einem normalen Match. Ein Aufschlag, ein Rückhand-Return, ein zu langer Vorhandball ins Aus. Kurz schrie Alexander Zverev auf, blickte hoch, dann herrschte völlige Kontrolle. Zverev ging seelenruhig ans Netz, als sei er auf dem Weg zum Check-in in einem Hotel. Nick Kyrgios flanierte ihm entgegen. Ein Händedruck, der Dank an den Schiedsrichter, an den Teamchef des anderen Teams.

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Und dann war es doch mit der Selbstbeherrschung vorbei. Deutschland hatte ja in Brisbane Australien 3:1 besiegt, Zverev hatte mit dem überraschend einseitigen 6:2, 7:6 (3), 6:2 gegen Kyrgios den entscheidenden dritten Punkt noch vor dem letzten Einzel zwischen Alex de Minaur und Jan-Lennard Struff geholt, das storniert wurde. Erstmals seit vier Jahren steht das DTB-Team damit wieder im Viertelfinale des Davis Cups, des traditionsreichen Teamwettbewerbs im Tennis.

Mit der Brust voraus sprangen sich Zverev und Teamchef Michael Kohlmann an, umarmten einander. Von hinten stürzten wie aus einem Hut gezaubert weitere Personen herbei, ein Kreis formierte sich, der "Hey, hey, hey!" rief. Viel mehr Symbolkraft konnte es in diesem Augenblick kaum geben, als Kohlmann, Zverev, Struff und Tim Pütz ihren Zirkel der Einigkeit bildeten.

Ersatzmann Peter Gojowczyk stieß auch noch dazu. Dennoch sollte noch ein stärkeres Motiv folgen, zumindest eines, das eine Brücke bildete an diesem besonderen Sonntag in Brisbane, auf der anderen Seite der Erde. Als Alexander Zverev sich die deutsche Fahne schnappte, sie sich auf den Rücken legte, über den Platz schritt und sich mit der rechten Faust pathetisch ans Herz klopfte, drängten sich zart Erinnerungen auf: an 1987 und an Boris Becker, als der nach einer Sechsstundenschlacht John McEnroe besiegt hatte. Damals packte sich Deutschlands bester Profi eine Fahne und lief durch das Civic Center von Hartford in Connecticut.

Es war eine bemerkenswerte Sequenz, dass nun Becker wieder zugegen war und mit jubelte. Als "Head of Men's Tennis" war er in der Pat Rafter Arena. "Es gibt eine Wiedergeburt des deutschen Tennis", teilte der sechsmalige Grand-Slam-Gewinner später dem deutschen Tennis-Magazin mit: "Sie begann mit dem Erfolg von Kerber, und sie setzt sich fort mit dem Sieg heute und den guten Ergebnissen der anderen Frauen." Er meinte damit etwa Julia Görges, die an diesem Wochenende erstmals die Top Ten erreicht hat, nach dem Erreichen des Halbfinals in St. Petersburg (das sie gegen Petra Kvitova in drei Sätzen verlor); oder Sabine Lisicki, die in Taipeh unverhofft das Semifinale erreichte.

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"Wir sind superglücklich, aber hoffentlich ist das erst der Anfang für uns", sagte Zverev. Der Weltranglisten-Fünfte, der 20 Jahre alte Aufsteiger aus Hamburg, der russische Eltern hat und in Monte Carlo lebt, hat in Australien erstmals seine Rolle so interpretiert, wie es in diesem Teamwettbewerb sein muss: Es braucht einen starken Führungsspieler, der fähig ist, seine zwei Einzel als Basis des Gesamterfolgs zu gewinnen. Und dann braucht es Adjutanten, die den dritten Punkt beisteuern. So wie Becker einst Eric Jelen oder Michael Westphal oder Carl-Uwe Steeb hatte.

"Wir haben gezeigt, dass wir viele gute Spieler haben", sagte Kohlmann auf der Pressekonferenz. Im Viertelfinale muss das DTB-Team vom 6. bis 8. April in Spanien antreten und hat bereits einen Vorteil. "Ich habe immer gesagt, solange wir gewinnen, spiele ich auch", sagte Zverev. Der beste gegnerische Spieler, der angeschlagene Weltranglisten-Erste Rafael Nadal, wird sicher fehlen. Noch ein Pluspunkt: "Wir haben auch nach langen Jahren wieder ein starkes Doppel", erkannte Zverev.

Die entflammte Zuversicht hat auch etwas mit Charakteren wie Struff zu tun. Der 27-Jährige aus Warstein hat sich klammheimlich zu einem nervenstarken Punktelieferanten entwickelt. Zweimal in den vergangenen zwei Jahren trug er Wertvolles zum Klassenverbleib des Teams bei. Am Samstag sicherte er den zweiten von drei deutschen Punkten, diesmal im Doppel, mit Pütz. 6:4, 6:7 (1), 6:2, 6:7 (4), 6:4 rangen sie John Peers und Matthew Ebden nieder; zuvor hatte Zverev den 18 Jahre alten de Minaur 7:5, 4:6, 4:6, 6:3, 7:6 (4) bezwungen, Struff war Kyrgios 4:6, 4:6, 4:6 unterlegen.

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Pütz, 30, ist kein überragender Einzelspieler, der Frankfurter trägt aber noch den positiven Wettkampfspirit des früheren US-Collegespielers in sich. Er kann über sich hinauswachsen, und er zeigt Haltung. Als ihm im Herbst beim Relegationsduell in Portugal das reflexhaft überbordende öffentliche Interesse an Becker zu groß wurde, stellte er klar, dass Teamchef Kohlmann die Verdienste gebührten.

"Eine perfekte Kombination", so hatte DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff die relativ neu formierte Männertennisspitze mit dem auch PR erzeugenden Becker und dem unauffälliger arbeitenden Kohlmann bezeichnet. Das Vorschusslob scheint berechtigt gewesen zu sein. Schon bei den Australian Open hatte Kohlmann kürzlich bestätigt, dass die Zusammenarbeit mit Becker sehr gut sei, dass sie stets im Austausch seien, in eine gemeinsame Richtung denken würden. Dissonanzen, wie häufig in den vergangenen Davis-Cup-Zeiten, gab es diesmal offenbar nicht. "Jeder hat in dieser Woche auf seine Weise etwas zum Sieg beigetragen", sagte Kohlmann, der den gesamten Prozess der Nominierungen und des Teamzusammenbaus transparent nach innen wie außen moderiert hatte.

Becker, der als Einziger eine unerfreuliche Nachricht verkraften musste, weil er sich beim Basketballspielen mit der Mannschaft in Brisbane einen Muskelfaserriss zuzog, war vor allem von Zverev begeistert. "Kyrgios zu Hause auf seinem stärksten Belag so zu bezwingen, war eine beeindruckende Vorstellung. Als Nummer eins war der Druck groß, der auf ihm lastete", sagte der 50-Jährige. Becker resümierte daher auch den Erfolg als "eine Nachricht an die anderen Tennisnationen, dass man mit Deutschland wieder rechnen kann".

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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