Dann kam der Moment. Er musste ja mal kommen. Matchball. Matchball zum Sieg. Wichtiger noch: zur Erlösung. Simona Halep und Caroline Wozniacki hatten beide schon zweimal in Grand-Slams-Finals gestanden - und verloren, jeweils zweimal. Und nun? Führte Wozniacki, die Nummer zwei der Weltrangliste, 7:6 (2), 3:6, 5:4, 40:30 bei Aufschlag Halep. Der Ballwechsel folgte, und als die Rumänin einen Rückhandball ins Netz schlug, war es vorbei.
Die Uhr in Melbourne zeigte 22.23 an, als Wozniacki, die Dänin aus Odense, den Schläger in die Luft warf. Dann legte sie sich auf den blauen Boden in der Rod Laver Arena, flach auf dem Rücken. Und die Zuschauer, 15 000, erhoben sich. Sie waren aufgeladen von einer 2:49 Stunden währenden Auseinandersetzung - die intensiv und packend war und oft spektakulär. Es wurde laut. Tränen schossen in die Augen von Halep, der Verliererin. Und noch mehr bei der Siegerin.
Caroline Wozniacki, 27 Jahre alt, seit 2005 Profi, ist jetzt keine Spitzenspielerin mehr, keine Nummer eins der Weltrangliste ohne großen Titel, die sie 2010 und 2011 war, 67 Wochen lang. Sie ist jetzt eine echte Grand-Slam-Gewinnerin. Auch wenn sie später sagte, das alles sei "surreal".
"Sorry, lasst mich noch kurz Daphne drücken", sagte sie auf der Siegerehrung. Gerade hatte sie den Pokal in Empfang nehmen dürfen, den Daphne Akhurst Memorial Cup, benannt nach einer australischen Spielerin aus den Anfängen des Tennissports. "Meine Stimme zittert, das ist ein emotionaler Moment", sagte Wozniacki, "das waren unglaubliche zwei Wochen."
Halep hatte zuvor schon tapfer ein paar Worte von sich gegeben, klar sei sie "traurig, dass es beim dritten Mal nicht geklappt hat, vielleicht habe ich beim vierten Mal Glück". Mit der Niederlage ist sie auch nicht mehr die Nummer eins - das ist jetzt Wozniacki, die 2,6 Millionen Euro für den Triumph erhält. The winner takes it all! Mal abgesehen davon, dass Halep auch stattliche 1,3 Millionen Dollar bleiben.
Eine Serie ungewöhnlichster Konstellationen
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Gegen Chung Hyeon dominiert der Titelverteidiger bei den Australian Open - und gewinnt letztlich, weil seinen Gegner eine Blase am Fuß plagt.
Die ganze Bandbreite an Gefühlen hatten die beiden Finalistinnen bereits während des Endspiels erlebt. Nein, es war nicht ohne Drama gegangen, warum sollte es auch? Das hatte auf dem Weg dorthin schon nicht geklappt.
Halep hatte in Runde drei gegen die Amerikanerin Lauren Davis drei Matchbälle abgewehrt. Und dann nach 3:44 Stunden mit 15:13 gesiegt. Im Halbfinale hatte sie dann zwei Matchbälle gegen Angelique Kerber abwehren müssen, ehe ihr 9:7 im dritten Satz feststand. Damit war sie die Erste überhaupt, die in zwei Duellen jeweils Matchbälle abgewehrt hatte auf dem Weg ins Finale. Wozniacki hatte ihrerseits zwei Matchbälle in der zweiten Runde gegen die Kroatin Jana Fett beim Stand von 1:5, 15:40 im dritten Satz abgewehrt und dann sechs Spiele in Serie geschafft. Alles absolut ungewöhnliche Konstellationen.
Letztlich spielte das aber an diesem Samstagabend keine Rolle mehr. Beide waren jetzt da und es ging nur um den Titel. Beide waren schon mal in Finals gewesen, Wozniacki 2009 und 2014 bei den US Open, Halep 2014 und 2017 bei den French Open. So ganz haben beide die verpassten Chancen bis heute nicht vergessen. "Wir sind sieben Jahre weiter und der Gedanke ist immer noch da", hatte Wozniacki nach dem Halbfinalsieg gegen die Belgierin Elise Mertens gestanden. 2011 hatte sie im Halbfinale Matchball gegen die Chinesin Li Na und verlor. Für Halep wäre ein Sieg in Melbourne "größer als die Nummer eins" gewesen, hatte die Spielerin zugegeben, die im vergangenen Jahr an die Spitze aufgestiegen war und bei den Australian Open an Eins vor Wozniacki gesetzt war.
Es ging um die Erfüllung eines Traumes, der schon mehrmals zum Greifen nahe war.
Das Match begann so unerwartet, wie das Halbfinale von Halep gegen Kerber begonnen hatte. Halep war gegen die Deutsche im ICE-Tempo (in einem funktionierenden) gleich auf 5:0 davongezogen. Nun führte die forschere Wozniacki verdient 3:0, nach einem Break zum 2:0. Sie transportierte den Vorteil bis zum 5:2, doch bei 5:3 schaffte sie es nicht, ihr Aufschlagspiel durchzubringen. Es ging in den Tie-Break. Und jetzt dominierte Wozniacki, weil sie mutiger, aggressiver agierte. Das war die Erkenntnis dieses ersten Satzes: Es punktete meist diejenige in diesem oft hochklassigen, engen Duell, die den Punkt selbst machen und nicht den Fehler vermeiden wollte.
Beide Spielerinnen müssen behandelt werden
Im zweiten Satz sank die Qualität des Matches etwas, was auch an der immer stickiger werdenden Luft lag. Die Temperatur betrug 31 Grad, die Luftfeuchtigkeit war jenseits der 50-Prozent-Grenze, es wehte kein lindernder Wind. Halep rief bei 2:2 nach Arzt und Physiotherapeut. Ihr Blutdruck wurde gemessen. Matt schlich sie fortan nach Punkten umher. Trotzdem ließ sie spielerisch nicht nach. Im Gegenteil. Sie nahm Wozniacki den Aufschlag ab zum 5:3, wehrte Breakbälle ab - 6:3.
Beide kämpften jetzt mit dem Befinden. Halep hatte laute Unterstützer, viele Rumänen waren im Stadion. Wer würde sich die Erlösung verdienen? Die Regeln der sogenannten "Extreme Heat Policy" griffen nun, aufgrund der Kombination aus Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit. Es gab zehn Minuten Pause vor dem dritten Satz, in den Wozniacki sich besser reinbiss. 1:0, Break, 2:0. Es wurde ein Duell der Nerven, der letzten Energiereserven. Breaks und Re-Breaks reihten sich aneinander. Halep ging erstmals in Führung, 4:3. Wozniacki rief ihrerseits nach dem Physio, ihr linkes Knie schmerzte. Es wurde mit einem Klebeband stabilisiert. Ihr gelang der Konter, 4:4. 5:4 für Wozniacki. Und es folgte das letzte Aufschlagspiel.
Einen Wunsch hat sich Wozniacki allerdings noch nicht erfüllen können. Als sie jedem Helfer in ihrer Box gedankt hatte, ihrem Vater etwa, der ihr Trainer ist, und ihrem Verlobten, kam sie auf ihren Manager zu sprechen. "Ich hoffe, es klappt jetzt mit dem Elle-Cover." Sie lachte herzhaft auf.