Deutsches Aus bei Basketball-EM:Ein Freiwurf vom Glück entfernt

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Pech beim letzten Wurf: der überragende Dennis Schröder (Foto: dpa)
  • Die deutsche Mannschaft verliert bei der EM gegen Spanien mit einem Punkt und scheidet in der Vorrunde aus.
  • Dennis Schröder sammelt die meisten Punkte, vergibt aber seinen letzten Freiwurf zum Ausgleich.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und der Tabellen der EM

Von Joachim Mölter, Berlin

Am späten Donnerstagnachmittag braute sich ein Unwetter über dem Berliner Osten zusammen, stürmischer Wind trieb dunkle Wolken über die Stadt und presste dicke Regentropfen aus ihnen heraus. Die düstere Stimmung hätte von einem Hollywood-Regisseur produziert worden sein können, um zu veranschaulichen, was sich im Inneren der Arena am Ostbahnhof anbahnte: Ein Showdown zwischen der Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) und Spanien, ein Endspiel um das Erreichen des Achtelfinales bei dieser Europameisterschaft.

Nur der Gewinner würde die Vorrunde in Berlin überstehen, der Verlierer musste nach Hause. Ein Heulen und Pfeifen und Donnern setzte in der Arena ein, als sich das Drama zuspitzte. Stille senkte sich erst herab, als Dennis Schröder, der deutsche Spielmacher, seinen letzten Freiwurf daneben warf. Dahin war die Chance auf eine Verlängerung, besiegelt die Niederlage seiner Mannschaft, 76:77 (38:41). "Da nehme ich die Schuld auf mich", sagte Schröder später, "ich muss den Freiwurf machen." Die EM hat also ein trauriges Ende genommen für Dirk Nowitzki, den 37-Jährigen von den Dallas Mavericks, der nach vier Jahren Absenz in diesem Sommer noch einmal zurückgekommen war in die DBB-Auswahl, um einem Haufen Talente zur Olympia-Teilnahme 2016 in Rio zu verhelfen. Das war jedenfalls das erklärte Ziel der DBB-Zwölf gewesen, und dazu wäre ein Platz zwischen eins und sieben nötig gewesen. Dieses Ziel hat sie nun verpasst, mit nur einem Sieg, 71:65 gegen Island, in fünf Vorrundenpartien schied sie aus.

Als Nowitzki nach den ersten Fernsehinterviews das Parkett verlassen wollte, erhoben sich die 13050 Zuschauer dennoch und spendeten ihm im Stehen Applaus, Applaus, Applaus. Der 2,13 Meter große Mann war sichtlich gerührt, er zog sich vorsichtshalber das Trikot übers Gesicht auf dem Weg in die Katakomben. Nach 153 Länderspielen mit 3045 Punkten, nach WM-Bronze 2002, EM-Silber 2005 und Olympia-Teilnahme 2008 war's das also mit der Länderspiel-Karriere von Dirk Nowitzki. Oder doch nicht? Es kann sein, dass sich der DBB um die Ausrichtung eines olympischen Qualifikationsturniers im nächsten Sommer bewirbt und sich so die Tür zu den Spielen in Rio einen Spalt öffnet.

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Nowitzki hat nicht ausgeschlossen, dass er dann ein weiteres Mal in die Mannschaft zurückkommt. "Wir sehen mal, wie die nächste NBA-Saison läuft, und dann können wir uns noch mal zusammensetzen", hat er vor diesem Turnier gesagt. An diesem Abend war es nicht das Spiel von Nowitzki gewesen, obwohl es hoffnungsvoll begonnen hatte - mit einem Dreier nach eineinhalb Minuten. Danach bekam er den Ball kaum noch in die Finger. Dafür spielte Regisseur Schröder (26 Punkte) häufiger mit Center Tibor Pleiß (10/dazu 10 Rebounds) zusammen; auch Schröder-Ersatz Maodo Lo lief zu großer Form auf und steuerte 14 Punkte bei. Die Spanier hatten verständlicherweise auch kein Interesse daran, den besten Spieler der deutschen Basketball-Geschichte zum Erfolg kommen zu lassen. Nachdem sie seit 1999 kein EM-Halbfinale verpasst hatten, wollten sie diese Serie aufrechterhalten. Immerhin ließen sie die Deutschen eine Halbzeit lang mitspielen, ehe sie die Kontrolle übernahmen (46:56/28. Minute) - und in der Schlussphase unverständlicherweise wieder verloren. Die DBB-Profis kamen noch einmal heran, Nowitzki leitete eine stürmische Schlussminute ein mit einem Dreier zum 69:73 (39.), womit er wenigstens auf zehn Punkte kam.

Es wurde noch einmal so knapp wie zuvor beim 66:68 gegen den WM-Zweiten Serbien am Sonntag oder beim 82:89 nach Verlängerung gegen die wieder erstarkten Italiener am Mittwoch. Aber "du darfst nicht drei knappe Spiele verlieren, das ist halt doof", resümierte Nowitzki später in der ARD. Spaniens herausragender Center Pau Gasol (16 Punkte/11 Rebounds) fühlte mit seinem NBA-Kollegen Nowitzki. "Mir tut es sehr leid, dass er mit dem deutschen Team ausgeschieden ist", sagte der 2,15-Meter-Mann von den Chicago Bulls: "Die Deutschen haben bei diesem Turnier so viele enge Spiele verloren, das ist bitter." Der letzte Sieg der deutschen Basketballer gegen Spanien liegt nun zehn Jahre zurück. Im Halbfinale der EM 2005 in Serbien entschied Nowitzki das Duell drei Sekunden vor Schluss mit einem Wurf in großer Bedrängnis zum 74:73. Weil der Würzburger damals sein Team quasi im Alleingang ins Finale führte (das dann klar gegen Griechenland verloren ging), wurde er als bester Spieler des Turniers geehrt. Am Donnerstag war zu sehen, dass Nowitzki mit seinen 37 Jahren nicht mehr der Spieler ist, der er mal war - und Schröder mit seinen 21 noch nicht der, der er mal werden könnte. Auch wenn er in seiner NBA-Karriere bei den Atlanta Hawks große Fortschritte macht, muss er auf dem europäischen Parkett noch einiges lernen.

Nach der Niederlage gegen Italien tags zuvor (82:89 nach Verlängerung), hatte er die Taktik von Bundestrainer Chris Fleming als "nicht smart" kritisiert, weil der in der Schlussphase Instruktionen gegeben hatte, die in Europa üblich, aber in der NBA nicht gängig sind. "Ich habe das nicht verstanden", nörgelte Schröder.

Er sah ein, dass seine Kritik auch nicht so smart gewesen war, weil sie Unruhe ins Team gebracht hatte so kurz vor dem Spiel gegen Spanien. Am Donnerstagmittag nahm er die Vorwürfe auf seiner Facebook-Seite zurück: "Ich möchte mich bei meinem Trainer Chris Fleming entschuldigen. Ich respektiere die Entscheidungen, die er trifft." Das war auch gut so. Schröder hatte gegen Italien in den Schlusssekunden einen Freiwurf vergeben, der seinem Team wohl den Sieg beschert hätte, und gegen Spanien dann einen, der es zumindest in die Verlängerung gebracht hätte. Wem solche Missgeschicke passieren, braucht dem Trainer keine Schuld zu geben.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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