Im Fußball geht nichts ohne angemessene Dramatik, und deswegen muss die Frage nun natürlich lauten: Ist alles verloren? Im Champions-League-Achtelfinale haben drei Bundesliga-Teams (Bayern, Dortmund und Schalke) gegen drei Teams aus der englischen Premier League (Liverpool, Tottenham und Manchester City) gespielt - und das Ergebnis über alle sechs Spiele ist ein auch in der Höhe verdientes 3:17. Wer ab und zu mal Fußball guckt, der weiß, dass so eine 14-Tore-Niederlage schwer schönzureden ist.
Kein Team aus der Bundesliga steht unter den besten acht Mannschaften Europas. Das ist zum ersten Mal seit 2006 der Fall, weswegen man das durchaus als historisch bezeichnen kann. Und dass dieses historische Aus nur Monate nach dem historischen Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland stattfindet, ergibt ein aktuell eher ungutes Gesamtbild des deutschen Fußballs.
Aus in der Champions League:Ohne Überzeugung, ohne Mut
Der FC Bayern scheitert auch am FC Liverpool, weil er zu wenig Risiken eingeht. Mats Hummels übt unverblümt Kritik an der Spielweise.
Man muss also sagen: Es ist alles verloren - für diese Saison. Aber die viel interessantere Frage ist ja: Geht das jetzt so weiter? Oder gehen 2018 und 2019 schlicht als Seuchenjahre in die Chroniken ein - als Abschwung nach und vor dem Aufschwung, als Tal, das man nun mal auf dem Weg zum nächsten Berg durchqueren muss?
Die Antwort auf diese Frage ist: Kann schon sein - aber es wird für den deutschen Fußball und speziell für die Bundesliga schwerer werden. Die Premier League ist erwacht, was sehr pathetisch klingt, aber faktisch schlicht bedeutet, dass die Engländer ihren schon länger vorhandenen finanziellen Vorsprung nun auch auf den Platz bringen. Kurz: Sie geben ihr ganzes Geld endlich sinnvoll aus. Die deutsche Liga leidet direkt darunter. Das sieht man an den zahlreichen Transfers von Deutschland auf die Insel; das sieht man auch sehr schön daran, dass zwei der drei erfolgreichsten Bundesliga-Trainer der vergangenen Jahre, Pep Guardiola und Jürgen Klopp, nun die beiden erfolgreichsten englischen Klubs Manchester City und Liverpool trainieren. Dass sich die Engländer nicht auch noch den dritten Trainer geholt haben, liegt daran, dass Jupp Heynckes in Rente ist.
Die Premier League ist mittlerweile eine globale Liga - sie wird geschaut von Rio bis Tokio. Die Engländer haben den Fußball-Kapitalismus entfesselt, sie haben ihre Klubs an Investoren verkauft. Es gibt dort nun sechs Spitzenmannschaften und darum jedes Jahr einen spannenden Meisterschaftskampf. Der Vorteil, dass die Welt eher Englisch als Deutsch spricht, wird ohnehin erst einmal bleiben.
In Deutschland kann nur der FC Bayern finanziell mit den britischen Klubs konkurrieren - er ist der viertreichste Fußballverein Europas. Die Münchner spielen dieses Jahr eine außergewöhnlich schwache Saison, auch, weil sie im Sommer exakt null Euro in ihren Kader investiert haben. Das wird sich, glaubt man Bayern-Präsident Uli Hoeneß ("Wenn Sie wüssten, wen wir schon sicher verpflichtet haben"), nun ändern. Die Prognose ist nicht allzu gewagt, dass der FC Bayern, sollte er nicht sehr viel falsch machen, langfristig wieder einen Stammplatz unter den Top acht und Top vier Europas haben wird.
Komplizierter ist die Situation hinter den Münchnern. Borussia Dortmund bekommt die Verschiebung der Kräfte im europäischen Fußball viel deutlicher zu spüren. Der BVB hat in den vergangenen Jahren beständig seine besten Spieler verloren, von Robert Lewandowski und Mats Hummels über İlkay Gündoğan und Henrikh Mkhitaryan bis hin zu Ousmane Dembélé, und Pierre-Emerick Aubameyang. Er hat es durch eine außergewöhnlich kluge Transferpolitik geschafft, diese Verluste zu kompensieren. Aber wer sich ständig eine neue, junge Mannschaft zusammenbauen muss, der erlebt eben Formschwankungen, wie man sie in dieser Saison beobachten kann. Im großen europäischen Verdrängungskampf könnten Klubs wie der BVB von der Kante fallen.
Der Bericht zur Lage des deutschen Fußballs muss also mit dem Urteil enden: Es ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Generation, die 2014 Weltmeister wurde und 2013 mit dem FC Bayern die Champions League gewann, wird bald Geschichte sein. Die neue Generation wird sich in einer Fußballwelt behaupten müssen, die härter geworden ist. In ihr kämpfen neben den ungebrochen starken Spaniern die Franzosen mit ihren Talenten und die Engländer mit ihrem Geld (und mit ihren Talenten) um die Plätze. Ein Erfolg der deutschen Nationalmannschaft oder der deutschen Klubs ist weiterhin möglich. Aber mit einem zweiten Champions-League-Finale zwischen Bayern und Dortmund sollte erst mal niemand rechnen. Mit einem zwischen Liverpool und Manchester City schon eher.