Nationalteam in Seefeld:Kopfzerbrechen vor Panoramakulisse

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Start vor schneebdeckten Alpen: Bundestrainer Joachim Löw im Trainingslager in Seefeld in Tirol. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Die deutsche Nationalmannschaft beginnt in Tirol das Trainingslager vor der Europameisterschaft. Akute Probleme sind die Quarantäneregeln - und die Form einiger Spieler.

Von Sebastian Fischer

Die kommenden Tage, so hat es Niklas Süle angekündigt, werden ausgesprochen bedeutsam für die deutsche Nationalelf und ihre Auftritte auf der großen Bühne des europäischen Fußballs. Die EM-Vorbereitung werde entscheidend, so hat er das schon im Frühjahr gesagt: Endlich mal im Kreise der Nationalmannschaft an den Dingen arbeiten, für die sonst auf Länderspielreisen kaum Zeit bleibt: Abstimmung, Abläufe, Zusammenspiel. Allerdings tritt man dem Verteidiger des FC Bayern wohl nicht zu nahe, wenn man mutmaßt, dass er sich die Umstände etwas anders vorgestellt hat.

Am Freitag hat die deutsche Nationalelf die Vorbereitung auf das Turnier, das für sie am 15. Juni mit der Partie gegen Frankreich in München beginnt, offiziell begonnen. Bundestrainer Joachim Löw versammelt seinen 26 Spieler großen Kader bis zum 6. Juni in Seefeld in Tirol, natürlich in einer abgeschirmten Blase. Das Aufgebot ist jedoch noch nicht vollzählig, es sind erst 20 Spieler da. Und damit beginnen schon ein paar Probleme, über die DFB-Direktor Oliver Bierhoff zum Auftakt vor der ersten Trainingseinheit der Mannschaft am Abend sprach.

Hansi Flick als Bundestrainer
:Die logische Wahl

Hansi Flick war durch seine Titel mit Bayern für andere Top-Klubs interessant geworden, entschied sich aber für die Nationalelf. Dass er nach der EM Bundestrainer wird, liegt auch an Oliver Bierhoffs Rolle.

Von Sebastian Fischer

Es fehlt zum Beispiel Toni Kroos von Real Madrid, der nach einer Infektion mit dem Coronavirus derzeit noch in Spanien ist, er darf erst mit einem Negativtest nachreisen. Er hoffe, sagte Bierhoff, dass der Mittelfeldspieler "in den nächsten zwei, drei Tagen eintreffen" könne. Außerdem fehlen noch die vier Champions-League-Finalisten: Ilkay Gündogan von Manchester City sowie Kai Havertz, Antonio Rüdiger und Timo Werner vom FC Chelsea. Sie können zwar demnächst nach Österreich einreisen, weil sie dort von der Quarantänepflicht für Einreisende aus dem Virusvariantengebiet England ausgenommen werden. Aber: "In Deutschland wird's ein Problem", sagte Bierhoff, das bereite ihm gerade noch "Kopfzerbrechen". In Deutschland, wo die EM-Vorbereitung am 7. Juni mit einem Testspiel gegen Lettland in Düsseldorf weitergeht, gibt es derzeit noch keine ähnliche Sonderregelung.

Neben den organisatorischen Schwierigkeiten vor einer paneuropäischen EM im Corona-Sommer kommen gerade noch in einem Fall Verletzungssorgen hinzu: Leon Goretzka, der Mittelfeldspieler des FC Bayern, kuriert einen Muskelfaserriss aus und trainiert noch individuell, er soll zu Beginn der kommenden Woche zur Mannschaft stoßen. Und dann hat Bierhoff in der ersten Pressekonferenz aus Tirol auf Nachfrage auch noch über einen Spieler gesprochen, der zwar schon da ist, aber seine Bestform noch sucht: Süle, der zuletzt in München mit freiwilligem Spezialtraining an seiner Verfassung arbeitete, "muss hier intensiv arbeiten, um die Form aufzubauen", sagte Bierhoff. Er komme "sicher aus keiner leichten Situation", habe aber "unheimliche Qualität".

Alter Bekannter I: Thomas Müller kommt bei der Nationalmannschaft an. (Foto: imago)

Natürlich gibt es für Löw, der das Trainingslager jüngst als "wichtigen Schlüssel" bezeichnet hat, vor seinem letzten Turnier nach 15 Jahren als Bundestrainer in allen Mannschaftsteilen noch viele Erkenntnisse zu gewinnen und Entscheidungen zu treffen. Wer die Tore schießen soll, obwohl ein klassischer Mittelstürmer mit Startelfperspektive fehlt, das ist so eine Frage. Selbst der zurückgeholte Thomas Müller, der am Freitag den Fotos nach zu urteilen mit besonders guter Laune in Tirol eintraf, ist ja eher niemand für die Sturmspitze. Wer im zentralen Mittelfeld spielt, wo im erwarteten Fall der rechtzeitigen Genesungen von Kroos und Goretzka ein Überangebot an herausragenden Fußballern herrscht, das ist die nächste nicht ganz unkomplizierte Entscheidung. Und dann ist die Besetzung der zuletzt oft wackligen Abwehr ein Schlüsselthema.

Weil neben Müller auch der ebenfalls im März 2019 aussortierte Mats Hummels zurück in der Nationalelf ist, gilt ein Platz in der Innenverteidigung bereits als vergeben, sonst würde sich die Rückholaktion des 32-Jährigen kaum lohnen. Und in Antonio Rüdiger hat sein potenzieller Nebenmann sich bereits ausgesprochen zuversichtlich über die Zusammenarbeit mit Hummels geäußert. "Wir spielen beide schon lange auf hohem Niveau, das wird sich automatisch einpendeln", sagte er dem Kicker. Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach steht bei Löw ebenfalls hoch im Kurs. Und Süle?

Alter Bekannter II: Mats Hummels gilt in der Abwehr als gesetzt. (Foto: imago)

Hinter dem Münchner, 25, liegt eine nicht ganz einfache Saison, seine erste nach einem Kreuzbandriss 2019, womit er zwar eine gute Begründung für Formschwankungen hatte, doch das macht die jüngsten Eindrücke nicht unbedingt besser. In einer ohnehin für ihn schwierigen Phase kam im Champions-League-Viertelfinale im April ein Muskelfaserriss hinzu, durch den er erst im Mai wieder zum Bayern-Kader zählte. In den letzten drei Partien der Saison spielte er nur einmal, als Rechtsverteidiger, und das auch nicht besonders überzeugend.

Nun aber, im Nationalmannschaftsumfeld, soll es bald besser laufen. Bierhoff sagte: "Meine Hoffnung ist, dass er, wenn er in so einem Kreis arbeitet, wieder an seine Leistungen anknüpfen kann."

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