Deutsche Nationalmannschaft:Der Hier-und-heute-Hansi

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Servus! Bundestrainer Hansi Flick stellt sich am Dienstag vor. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bundestrainer Hansi Flick wird an diesem Dienstag seinen neuen Mitarbeiterstab vorstellen - und erklären, warum Thomas Müller und Mats Hummels weiterhin Nationalspieler sind.

Von Christof Kneer, München

Die Antwort auf die drängendste Frage, die dem neuen Bundestrainer Hansi Flick an diesem Dienstag gestellt werden wird, ist eigentlich schon bekannt. Es ist durchaus erstaunlich, dass diese Antwort nicht längst eine große Karriere gemacht hat, sie war so sehnsüchtig erwartet worden und ist dann so untergegangen. Sie hat sich ein bisschen versendet. In einem Statement, das der DFB jüngst veröffentlichte, sagte Flick: "Bei mir gibt es kein Alter, wo es heißt, von da an ist er kein Nationalspieler mehr." Womöglich ist diese Formulierung etwas zu verschraubt, um es in die Überschriften zu schaffen, aber im Grunde hat Flick damit gesagt: Ja, Thomas Müller und Mats Hummels bleiben Nationalspieler. Und İlkay Gündoğan - wenn er sein herausragendes Talent mit der entsprechenden Intensität unterlegt - auch.

Am Dienstag wird der Deutsche Fußball-Bund offiziell seinen neuen Bundestrainer vorstellen, der ein alter Bekannter ist. Dieser einst so unsichtbare Assistent ist durch seine sieben Titel beim FC Bayern dermaßen sichtbar geworden, dass es eigentlich keine durchkonstruierte Regierungserklärung mehr braucht. Das Land weiß, wen es da jetzt bekommt.

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Es kommt ein Bundestrainer, der anders als sein Vorgänger Joachim Löw keinerlei Anlagen zum Kauz in sich trägt, der pragmatisch und klar durchregiert und wie beim FC Bayern das Kunststück schaffen möchte, Empathie und Konsequenz in einem konstruktiven Verhältnis zu halten. In München gehörte ihm die Kabine, er hatte die Spieler bis zum Schluss hinter sich, obwohl er kein Kuschelcoach war. Er hat Trainingseinheiten abgebrochen, wenn ihn die mangelnde Körperspannung der Spieler mal genervt hat, aber nach den Spielen ist er immer nach vorne an die Rampe getreten und hat den Spielern Hymnen gesungen.

Gegen Liechtenstein, Armenien und Island muss Flick sofort liefern

Flick, 56, trifft keine Entscheidungen, die einen verkopften Über- oder Unterbau besitzen, er ist ein Hier-und-heute-Hansi, dem die EM 2024 in Deutschland hier und heute ausgesprochen egal ist. Hier und heute trifft er Entscheidungen, die sich an seinem ersten Länderspiel-Triple gegen Liechtenstein (2. September), Armenien (5. September) und Island (8. September) orientieren. Jogi Löw hat ihm den dritten Tabellenplatz in der Gruppe J hinterlassen, woraus die Öffentlichkeit folgert, dass Flick sofort "liefern" müsse. Flick hat kein Problem mit. Und das ist auch der Grund, warum er auf die Müller-und-Hummels-Frage so antwortet, wie er antwortet.

Flick ist ein großer Anhänger der in der Jungsteinzeit geborenen italienischen Verteidiger Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini, und deshalb wird er mit Sicherheit kein Talent für die Müller-Rolle nominieren, wenn er findet, dass der Originalmüller noch besser ist. Gleiches gilt für Hummels. Flick findet Ausbilden gut und nützlich, aber nicht unbedingt in der A-Nationalmannschaft. Er wird sich auch niemals vor seine Spieler stellen und sagen: Jungs, Folgendes, die WM in Katar ist nur ein Übergangsturnier, erst bei der EM 2024 in Deutschland sollten wir möglicherweise den Titel holen. Flick wird vermutlich an diesem Dienstag schon sagen, dass der deutsche Fußball wieder die Nummer eins auf der Welt werden soll, und zwar so bald wie möglich.

Aus diesem Glaubensbekenntnis heraus entwickelt Flick auch seine Personalien. Weder wird er also Müller, Hummels und Gündoğan in Rente schicken noch wird er ihnen einen Startplatz fürs Auftaktspiel der WM 2022 garantieren. Er hat mit ihnen bereits telefoniert und wird sie wohl weiterhin Nationalspieler sein lassen, aber auch beobachten, ob sie in ihren Vereinen weiterhin nationalspielerreife Leistungen bringen. Und auch seinen Trainerstab hat er so gebaut, wie es ihm am erfolgversprechendsten erscheint. Inzwischen lässt sich das große Bild erkennen, nachdem die Installierung des Teammanagers Benedikt Höwedes vom Verband bereits vorige Woche bestätigt wurde.

Flicks Team kommt aus allen Ecken und Enden des Fußballs

Wie erwartet wird der Schweizer Andreas Kronenberg, 46, neuer Torwarttrainer werden, in der aktuellen Saison allerdings erst mal anlassbezogen und auf Honorarbasis, um ihn nicht aus dem Trainingsbetrieb beim SC Freiburg zu reißen. Als externen Experten wird sich Flick zusätzlich den Südschleswiger Mads Buttgereit leisten, der 36-Jährige soll jenes Ressort verantworten, mit dem Flick bei der WM 2014 in Brasilien berühmt wurde: Buttgereit gilt als Spezialist für Standardsituationen und stand in dieser Eigenschaft schon in Diensten des dänischen Erstligisten FC Midtjylland, der in Nerdkreisen für seine innovativen Ansätze gefeiert wird.

Mit Ecken und Freistößen hat die DFB-Elf bei der EM tatsächlich auf sich aufmerksam gemacht, allerdings nur, weil die Bälle bei Freistößen auf die Tribüne flogen, wo schon die Bälle von den vorausgegangenen Eckbällen lagen. Flick hat das Herz geblutet. Er findet, dass Standards vor allem im kompakten Turnierformat eine entscheidende Waffe sein können bzw. ein relevantes Tool, wie die Nerds in Midtjylland möglicherweise sagen würden.

Schon jetzt lässt sich feststellen, dass der Mitarbeiterstab des neuen Bundestrainers aus allen Räumen und Zeiten des Fußballs kommt. Neben dem datengetriebenen Buttgereit und dem aus München entwendeten Co-Trainer Danny Röhl, 32, wird Flick auch weiterhin der Expertise eines Mannes vertrauen, der das Wort "Belastungssteuerung" für eine neumodische Schrulle hält. Bei Hermann Gerland, 67, wurde früher nur belastet. Gerland soll das Scoutingteam unterstützen, außerdem schwebt Flick vor, ihn als Mentor zu Junioren-Turnieren mitzuschicken, als eine Art Horst Hrubesch, der die Talente mit herzlicher Knurrigkeit unterstützt.

Am Dienstag wird Flick in Frankfurt am Main sein komplettes Team vorstellen. Es war ihm wichtig, dass nicht nur er auf dem Podium sitzt, sondern auch seine Mitarbeiter.

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