Deutsche Handballer gegen Polen:Abhaken, aber schnell

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Nach der Niederlage gegen Dänemark schauen die deutschen Handballer nur auf ihr Ziel: das EM-Halbfinale. Bundestrainer Martin Heuberger ist guter Dinge, dass Polen seiner Mannschaft besser liegt als die Dänen.

Joachim Mölter, Belgrad

Am Dienstagmittag ließ sich Pascal Hens im Café Incognito, im siebten Stock des Mannschaftshotels, von Christian Schwarzer erklären, zu welchen Konstellationen es kommen könnte an diesem Mittwoch, dem letzten Hauptrundenspieltag der Europameisterschaft. Hens und Schwarzer waren 2007 noch Teamkollegen gewesen beim WM-Gewinn der deutschen Handballer; bei dieser EM ist Hens als Kapitän der Mannschaft dabei und Schwarzer als Experte fürs Fernsehen. Er musste es also wissen.

Fokussiert aufs Halbfinale: die deutschen Handballer um Dominik Klein. (Foto: dpa)

Schwarzer rechnete Hens in allen Details vor, was passieren würde, wenn diese Mannschaft gegen jene gewinnt, verliert oder unentschieden spielt und andere Teams sich so oder so voneinander trennen und dann, in der dritten Partie, noch dies und das passiert. Es war eine komplizierte Rechnung, eine Gleichung mit vielen Unbekannten, aber das Ergebnis lässt sich simpel zusammenfassen: Wenn die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) an diesem Mittwoch ihr Spiel gegen Polen gewinnt, steht sie im Halbfinale.

Das wäre zwar keine Sensation, aber doch eine große Überraschung", findet der DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier: "Wenn man mir vor einer Woche gesagt hätte, dass wir zwei Chancen aufs Halbfinale haben, hätte ich sie dankend angenommen." Die erste Chance hatte die als Außenseiter ins Turnier gestartete Mannschaft am Montagabend freilich dankend abgelehnt, da verlor sie in der Belgrad Arena 26:28 (14:17) gegen den WM-Zweiten Dänemark. Ein Punkt hätte gereicht, um erstmals seit der EM 2008 wieder das Halbfinale einer internationalen Meisterschaft zu erreichen.

Am Tag zwischen den zwei Chancen waren die Spieler schon wieder etwas fröhlicher als unmittelbar nach Spielschluss. Da hatte sich vor allem Torwart Silvio Heinevetter mächtig geärgert - der noch am wenigsten für die Niederlage konnte. "Wenn man's nachher noch mal in Ruhe betrachtet", sagte Heinevetter, nachdem er eine Nacht und den halben Morgen über die Niederlage geschlafen hatte, "dann stand zumindest die Abwehr. Aber wir kriegen aus unserem Positionsangriff heraus 14 Gegentore!"

Das war die gängige Meinung, welche die Nationalspieler vertraten: dass sie das Spiel im Angriff verloren haben. Zum einen durch Ballverluste, welche die Dänen zu ihren gefürchteten Gegenstößen nutzten. Zum anderen durch schlechte Würfe. "Wir haben den dänischen Torwart zum Helden geschossen", fand der Berliner Rückraumspieler Sven-Sören Christophersen.

Niklas Landin hatte in der Schlussphase etliche Chancen mit spektakulären Paraden zunichte gemacht. Außerdem, so Bundestrainer Martin Heuberger, haben es seine Angreifer abermals nicht verstanden, eine kompakte Abwehr wie die der Dänen durch Einbeziehen der Außenspieler in die Breite zu ziehen, um Lücken zu schaffen.

Unter den Beobachtern des Handballsports ist nach der Partie gegen Dänemark jedoch am meisten darüber diskutiert worden, ob es eine so gute Idee von Heuberger gewesen war, seinen Kapitän Pascal Hens anstelle des erfolgreicheren Lars Kaufmann wieder von Beginn an in die Mannschaft zu nehmen. Der 31-Jährige vom HSV Hamburg agiert bei dieser EM äußerst glücklos; am Sonntag hieß es auch noch, er leide an einem Magen-Darm-Virus.

Deutsche Handball-Nationalmannschaft
:Schüchterne Weltklasse-Außenseiter

Silvio Heinevetter kämpft um seinen Status als Stammtorwart, Abwehrchef Oliver Roggisch hat neun Kilo abgespeckt - und Pascal Hens ist endlich ein richtiger Kapitän. Mit diesen 16 Spielern will Bundestrainer Martin Heuberger bei der Handball-EM in Serbien überraschen. Die Nationalspieler in Kurzporträts.

Carsten Eberts

Es war ein Risiko, ihn einzusetzen, zumal das Team zuletzt ohne Hens prima zurechtgekommen war beim 21:21 gegen Serbien, dem 29:24 gegen Schweden und dem 24:23 über Mazedonien. Das Risiko wurde nicht belohnt: Nach 22 Minuten, drei erfolglosen Torwürfen und zwei Ballverlusten nahm der Trainer Hens wieder aus dem Spiel, vermutlich für den Rest des Turniers. Bei Hens' Auswechselung hatten die Dänen nach einer fulminanten Anfangsphase der Deutschen (5:1 nach fünf Minuten) zum ersten Mal die Führung übernommen, 11:10. Sie gaben sie nicht mehr ab.

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Falls intern über die Personalie Hens diskutiert wurde, so einigten sich die Spieler offenbar schnell, Kapitän und Trainer aus der Kritik zu nehmen. "Wir sollten aufhören, zu diskutieren, warum, wieso, weshalb wir verloren haben", sagte Christophersen: "Wir können immer noch das Halbfinale erreichen, darauf sollten wir uns fokussieren."

Trainer Martin Heuberger tat das noch in der Nacht nach dem Dänemark-Spiel, nach ausgiebigem Studium der Videoaufzeichnung war er am Dienstag "sehr guter Dinge", was das bevorstehende Spiel gegen Polen angeht, den Gegner im WM-Finale von 2007. "Die Polen haben einen wurfgewaltigen Rückraum", stellte er fest, mit Karol Bielecki, Krzysztof Lijewski und Bartlomej Jaszka, die alle für deutsche Klubs spielen. "Die haben wir in der Bundesliga richtig gut ausgebildet", sagte Heuberger. Was ihn jedoch zuversichtlich stimmt: "Wir haben auch gegen den dänischen Angriff gut ausgesehen."

Nun kann man einwenden, dass die dänische Mannschaft ersatzgeschwächt zur EM angereist war, aber das sind die Polen auch, und die hat es sogar noch härter getroffen: Ihnen fehlt Torhüter Slawomir Szmal, immerhin Welthandballer des Jahres 2009. Was der DHB-Auswahl noch zugute kommt: "Sie spielen nicht so schnell wie die Dänen", wie Torwart Heinevetter feststellt.

Der findet sowieso, dass die deutschen Handballer "gar nicht groß auf den Gegner kucken" sollten: "Wir haben uns bis jetzt ja in jedem Spiel selbst kaputt gemacht." Abwehrchef Oliver Roggisch hatte die verpasste Chance auch schon abgehakt und blickte nach vorne: "Morgen ist das Spiel der Spiele", sagte er und fügte hinzu: "Ich denke an gar nichts, was danach kommt." Das Rechnen überlässt er anderen.

Dabei helfen soll auch der Lemgoer Mittelmann Martin Strobel: Heuberger nominierte ihn am Mittwoch, kurz vor Ablauf der Meldefrist, als 16. Spieler in sein Aufgebot.

© SZ vom 25.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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