Eishockey-Playoffs:Psychologe gegen "Psycho Bill"

Lesezeit: 3 min

Der Vulkan brodelt wieder: Mannheims Trainer Bill Stewart ist pünktlich zur heißen Playoff-Phase auf Betriebstemperatur. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Das DEL-Halbfinale zwischen Mannheim und Ingolstadt ist auch das Treffen zweier Trainerschulen: Ingolstadts Mark French setzt auf schnelles Eishockey statt flotte Sprüche - Mannheims Bill Stewart befeuert das emotionale Duell abseits des Feldes.

Von Christian Bernhard

17 Wörter. Mehr wollte William Donald Stewart, genannt Bill, nicht zum Spiel sagen: "Gratulation, Mark. Ich finde, 40 Minuten lang war es ein wunderbares Spiel. Dann wurde es unterbrochen." Sein knappes Statement in der Pressekonferenz nach der 3:6-Heimniederlage seiner Mannschaft gegen den ERC Ingolstadt beendete der Trainer der Adler Mannheim mit einem knappen "Danke".

Auf Nachfrage, was genau denn die Partie interrupted, also unterbrochen, habe, schüttelte Stewart den Kopf und sagte lediglich, er habe nicht genügend Geld, er könne nicht die Wahrheit sagen. Dadurch machte er - auch ohne viel zu sagen - klar, wem sein Groll galt: Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) ist nämlich ziemlich fix im Verteilen von Geldstrafen, wenn ihre Schiedsrichter öffentlich kritisiert werden. Der von Stewart beglückwünschte Mark war Ingolstadts Trainer Mark French, der wenige Meter neben ihm saß und seine Miene kurz zu einem kleinen Lächeln verzog, als Stewart den Geldspruch aussprach.

Eishockey-Halbfinale
:Der Bär ballt die Faust

Die Grizzlys Wolfsburg gleichen im Eishockey-Halbfinale gegen den EHC Red Bull München zum 1:1 aus. Entscheidender Mann beim 3:2-Erfolg ist Torhüter Dustin Strahlmeier.

Von Christian Bernhard

Stewarts kurioser Auftritt war das Ende eines ereignisreichen Spieltages, der die Playoff-Halbfinalserie zwischen den Mannheimern und Ingolstädtern so richtig angeheizt hat. In der Schlussphase, als die Mannheimer mit einem sechsten Feldspieler auf das 4:5 drängten, entluden sich nach einer gegen Mannheims Matthias Plachta verhängten Strafzeit die Emotionen. Dessen Teamkollege David Wolf schnappte sich Daniel Pietta und schlug auf ihn ein, obwohl der Ingolstädter kein Interesse an einem Faustkampf hatte und seine Arme schützend vor sein Gesicht hielt. (Die Liga sperrte Wolf deshalb am Montag für drei Spiele.) Die Serie hatte ihre erste Eruption. Stewart befeuerte die aufgeheizte Stimmung mit fragwürdigen Gesten. Erst wedelte er ein weißes Handtuch durch die Luft, dann hielt er sich mit zwei Fingern demonstrativ die Nase zu.

Mal täuschte Stewart einen Schwächeanfall vor, mal versuchte er einen Nachwuchsspieler im Kofferraum über die Grenze zu schmuggeln

Das Halbfinalduell zwischen dem ERC und den Adlern, in dem es nun 1:1 steht, ist auch das Duell zwischen zwei Trainern, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite Mark French, 51, studierter Psychologe und smarter Kommunikator, der in seinem ersten DEL-Jahr zum Trainer des Jahres gewählt wurde. Auf der anderen Stewart, 65, der die Adler schon Anfang der Nullerjahre trainiert hat und dies mittlerweile zum dritten Mal tut. Ein Trainer der alten Schule, der in seinen Anfangsjahren einiges dafür tat, sich Spitznamen wie Kill Bill oder Psycho Bill zu verdienen. Mal täuschte er einen Schwächeanfall hinter der Bande vor, um seinen Spielern das Nachschleifen der Schlittschuhkufen zu ermöglichen, oder er versuchte, einen ukrainischen Nachwuchsspieler ohne Papiere im Kofferraum in die USA zu schmuggeln.

Stewart sagt seit Jahren, dass er ruhiger geworden sei, dass er mittlerweile Humble Bill, der bescheidene Bill sei. Dass er immer noch sehr deutlich werden kann, wurde schon gegen Ende der Hauptrunde klar, als die Mannheimer in Augsburg ihr fünftes Spiel hintereinander verloren. Er habe die Nase voll davon, dass sich das Trainerteam den Allerwertesten aufreiße, er aber Spieler sehe, "die nicht ihren Job machen", schimpfte Stewart. Frustrierend sei das, und "ein Witz".

Die Herangehensweise von French, Stewarts Gegenüber, erklärte ERC-Stürmer Mirko Höfflin vor dem Start der Playoffs so: "Ganz oft sagt er lieber mal nichts, bevor er etwas Falsches sagt" - die tiefergehende Bewertung erfolge dann später, "mit emotionalem Abstand". Das sei etwas, "was man nicht so oft sieht", sagte Höfflin, der schon einige Trainer erlebt hat, darunter den mit Stewart befreundeten Doug Shedden, ebenfalls ein Vertreter der alten, harten Schule.

Was soll die Aufregung? Ingolstadts Mark French sagt lieber nichts, bevor er etwas Falsches sagt. (Foto: Johann Medvey/Eibner/Imago)

French, 51, und Stewart, 65, trennen mehr als nur 14 Jahre. "Wir wollen das Spiel diktieren", sagte French vor dem Halbfinalstart. Stewart verwies mit Blick auf die erfolgreiche Viertelfinalserie gegen die Kölner Haie auf die "richtig gute Defensivleistung in allen drei Zonen" seines Teams. Beide Stile waren im Halbfinale bereits erfolgreich. In Spiel eins hielten die Adler dem Ingolstädter Druck Stand und drehten die Partie kurz vor Schluss, am Sonntag setzten sechs unterschiedliche ERC-Torschützen das Offensivpotenzial, das im auf Geschwindigkeit getrimmten ERC-Kader steckt, um.

Vor dem Start des Halbfinales hatte der neue Bundestrainer Harold Kreis, der bis vor wenigen Wochen die Schwenninger Wild Wings trainierte, erklärt, French lasse ein "völlig anderes Eishockey spielen, als wir das in der DEL kannten". Auch Stewart ist von Frenchs Ansatz angetan. Im Februar lobte er seinen Kollegen für dessen "hervorragende" Arbeit, es mache Spaß "gegen einen Trainer zu spielen, der weiß, was er tut".

Jetzt ist die Zeit der Nettigkeiten vorbei, in den Playoffs kommt die raue Seite einiger Protagonisten zum Vorschein. Stewarts abschließende Aussage mit Blick auf Spiel drei, das am Dienstag (19 Uhr) in Ingolstadt stattfindet, lautete: "Hoffentlich überwiegen die coolen Köpfe, denn du willst nicht..." Dann machte er eine kleine Pause und sagte final: "Eishockey ist ein emotionaler Sport."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neuer Eishockey-Bundestrainer
:Der Gentleman übernimmt

Die Berufung von Harold Kreis, 64, zum Eishockey-Bundestrainer ist eine naheliegende Wahl. Nach dem überraschenden Abschied von Toni Söderholm war er der Konsenskandidat - dabei war es eher Zufall, wie der gebürtige Kanadier einst nach Deutschland kam.

Von Johannes Schnitzler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: