Darts und Alkohol:Zu viel Zielwasser?

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Dass es beim Darts Doppelt- und Dreifach-Felder gibt, hat nichts mit Alkoholika zu tun. (Foto: Leonhard Simon)

Dartsspieler Jochen Graudenz erweckt den Eindruck, 70 Prozent der Profis stünden alkoholisiert auf der Bühne. Stimmt das? Nachfrage bei den drei prominentesten deutschen Pfeilwurfspezialisten.

Von Korbinian Eisenberger

Alkohol, eventuell auch im übertriebenen Maß, gehört zum Dartssport wie die "180"-Schilder und die Irokesen-Frisur von Peter Wright. Allerdings, so ist bei Turnieren der Pfeilwurfbranche zu beobachten, fließen die berauschenden Getränke nie auf, sondern immer vor der Bühne, also in die Kehlen des Publikums. Ein deutscher Dartsspieler hat nun gewissermaßen einen Sturm im Cocktailglas ausgelöst, es geht um die Frage: Was trinken die Profis hinter der Bühne?

Jochen Graudenz hat einige Bundesliga-Matches absolviert und war auf der Schweizer Tour unterwegs. Einen Namen hat er sich nun vor allem durch kernige Aussagen beim Onlineportal Dartsnews.de gemacht. Der Breisgauer holt darin zum Rundumschlag gegen Kollegen aus. Quintessenz: Wo Dartsscheiben für Profis hängen, haben nicht nur die Zuschauer einen sitzen. Die besten Dartsspieler seien überwiegend Alkoholiker und könnten nur unter Alkoholeinfluss Pfeile präzise auf Scheiben werfen. Bild titelt: "Deutscher Profi packt aus! Schwere Alkohol-Vorwürfe gegen Darts-Stars". Die Welt wählt ein direktes Zitat: "Gefühlt 70 Prozent Alkoholiker, ein richtig dreckiger Sport."

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Der Artikel von Dartsnews.de ist von knackigen Zitaten gespickt wie eine Dartsscheibe. Unter den Topspielern, so Graudenz, "findest du keinen, der richtig gut spielt ohne Alkohol", Ausnahme seien hierzulande drei Spieler: Lukas Wenig, Niko Springer - und er selbst. Namentlich benennt Graudenz Max Hopp, den ersten deutschen Spieler, der ein Turnier der PDC Pro Tour gewinnen konnte. Hopp habe "auch mal die falsche Schiene eingeschlagen". Die beiden besten und prominentesten deutschen Pfeilwurfspezialisten, Gabriel Clemens und Martin Schindler, sind nicht erwähnt. Das lässt sich kaum anders lesen, als reihe Graudenz die beiden indirekt unter die Trunkenbolde der Szene ein - wofür es bisher wie bei Hopp keine Anhaltspunkte gab.

Nachfragen bei den Managements von Clemens und Schindler ergaben am Mittwoch, dass Graudenz offenbar auf professionellem Level bisher praktisch nicht auftauchte, weswegen der Begriff "Dartsprofi" mindestens strittig ist. Clemens' Management spricht von einem "angeblichen Profispieler, der noch auf keinem Profievent anwesend war, bei welchem Gabriel gespielt hat". Er könne deshalb "kein Urteil über die Gegebenheiten bei den Turnieren bzw. verallgemeinernd zu allen Spieler" treffen. Schindlers Management reagiert ähnlich: "Graudenz ist kein Darts-Profi", zumal er "nicht im Besitz einer Tourcard ist und daher überhaupt nicht an den Turnieren teilnimmt, bei denen mein Mandant antritt". Hopp erklärt, er könne die Aussagen nicht nachvollziehen. Seinen sportlichen Werdegang seit 2012 habe Graudenz "gar nicht erlebt".

Graudenz selbst war am Dienstag und Mittwoch für die SZ nicht zu erreichen. Eventuell war sein Ansinnen, ein Thema anzusprechen, das im Darts dem Vernehmen nach durchaus aktuell ist - allerdings bei den professionellen Spielern eventuell längst nicht mehr so akut wie einst. Grund: In der Weltspitze gibt es mehr Spieler, die qualitativ eng beieinander liegen.

Dass die Spieler der internationalen Dartsszene auf den Bühnen dieser Welt gänzlich alkoholfrei unterwegs sind, davon ist dennoch nicht zwingend auszugehen. Alkohol steht nämlich nicht auf der Dopingliste des derzeit größten und wichtigsten Weltverbands PDC - ist also nicht nur vor, sondern auch hinter der Bühne erlaubt.

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