Daniel Bierofka :Neustart mit Otto

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Roter statt blauer Pulli: Daniel Bierofka an der Seitenlinie beim FC Wacker. (Foto: FCW/oh)

Beim TSV 1860 wurde Trainer Daniel Bierofka zerrieben zwischen den Fronten und der Frage: Zahlt der Investor? In Innsbruck soll er etwas aufbauen - der Geldgeber bleibt im Verborgenen.

Von Thomas Gröbner

Es gibt stolze, majestätische Lebewesen und recht gewöhnliches Getier im Alpenzoo Innsbruck, und Daniel Bierofka hat sich schon mal umgesehen, wer hier bald seinen Namen tragen könnte. Ein Löwe ist nicht dabei. Der Baummarder ist schon vergeben, er heißt "Sir Karl", nach dem letzten Aufstiegstrainer Karl Daxenbacher. Und das ist nun die Mission von Daniel Bierofka: Wacker Innsbruck wieder zu einem stolzen, majestätischen Verein zu machen, aufzusteigen in die erste Liga.

In Innsbruck haben sie genau beobachtet, wie Bierofka beim TSV 1860 München versucht hat, den Verein nach dem Sturz in die Regionalliga wieder aufzurichten. "Auf dem Nullpunkt" habe er 1860 übernommen, sagt Bierofka "viele waren nicht mehr da, alle haben ja das sinkende Schiff verlassen". Das dürfte die Innsbrucker überzeugt haben, glaubt Bierofka: "Die haben gesehen, dass ich was entwickeln kann." Bei 1860, sagt Bierofka, sei er überall involviert gewesen: "Vielleicht zu viel."

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Mehr als 14 Jahre war er bei seinem Herzensverein in München, erst als Spieler, dann als Trainer, doch die vergangenen Jahre haben tiefe Spuren hinterlassen. Am Ende war er aufgerieben worden zwischen den Fronten im Verein, die sich zwischen den Befürwortern und Gegnern des Investors Hasan Ismaik bildeten. Entkräftet warf er mitten in der Saison hin, als auch noch sein Gehalt öffentlich diskutiert wurde und schließlich das dünne Band des Vertrauens endgültig zerriss.

Die Parallelen sind kaum zu übersehen zwischen den Vereinen, beide mit großer Vergangenheit und unklarer Zukunft. 2002 gingen die Innsbrucker insolvent, unter dem Namen FC Tirol Milch Innsbruck gewann man mit Trainer Joachim Löw den letzten von zehn Meistertiteln, bevor der Schuldenberg den Verein erstickte. Der neue FC Wacker Innsbruck trat an die Stelle, doch viele Fans wendeten sich ab. Bierofka sieht seinen Job deshalb auch so: "Du musst das Feuer wieder anzünden", am besten gleich zum Ligastart am Freitag gegen Kapfenberg (18:30 Uhr). Bei 1860 war er meist damit beschäftigt, die Brandherde auszutreten.

Eine Piefke-Saga? "Einen Bayern können sie hier schon akzeptieren", sagt Bierofka

Statt eines jordanischen Geschäftsmanns gibt es in Innsbruck einen unbekannten Investor, den nicht einmal Bierofka kennt. Im März stellte sich ein Abgesandter einer "honorigen Hamburger Kaufmannsfamilie" vor, einen Namen nannte er nicht, die offizielle Sprachregelung lautet seitdem: "der finanzstarke Partner". Jens Duve, ehemaliger Bundesligaspieler beim HSV und von 2010 bis 2014 Vize-Präsident bei St. Pauli, ist der Vertrauensmann des Investors im engen Inntal. Ein Geldgeber, der sich nicht zeigt? Präsident Joachim Jamnig versucht, gegen die Spekulationen anzukämpfen: "Es ist kein Scheich, kein russischer Oligarch, sondern eine eingesessene Familie - ich bitte zu respektieren, dass sich die Familie nicht zeigen möchte", sagte er in der Tiroler Tageszeitung.

Ein geheimnisvoller Investor? Schnell schwirrte der Name "Otto Group" durch Tirol, das berühmte deutsche Handelsunternehmen. Nur die Vereinsspitze kennt die wahre Identität, doch im Klub hat sich "Otto" schon als Codewort eingebürgert. Mittlerweile wird stattdessen ein gewisser Matthias Siems gehandelt, der jüngst mit dem Innsbrucker Bürgermeister einen Termin gehabt haben soll, um die Modalitäten für den Bau eines Trainingszentrums abzuklopfen. Ein Trainer aus München, ein Investor aus Hamburg, man witterte in Innsbruck schon eine Piefke-Saga. Daniel Bierofka macht sich da keine Sorgen. "In Wikipedia steht, die Sprache in Tirol ist südbairisch. Einen Bayern können sie hier schon akzeptieren."

Was Bierofka eher weniger vertraut ist: "Hier gibt es einen Plan, und der ist langfristig angelegt. Da muss man nicht schauen, ob man irgendwo noch einen Euro rausziehen kann", sagt Bierofka. Für die nächsten drei Jahre stehe die Finanzierung, für Bierofka ein fremdes Gefühl: "Das war bei 1860 bisschen schwieriger, wir wussten nie: Haben wir Geld, haben wir keines, wann kommt eins, kommt nix, kommt es in zwei Wochen, kommt überhaupt was?"

"Es ist nicht so, dass wir hier im Wunderland leben": Das Budget liegt etwa auf Drittliga-Niveau

Warum investiert der Unbekannte also in Innsbruck? Auch Jens Duve kann das nicht so recht schlüssig erklären. "Bisschen Liebhaberei" sei dabei, wie bei einem Gemälde, das schön anzusehen ist, und "wenn sich der Wert des Gemäldes steigert, auch schön". Doch wenn man im Bild bleibt: Das Gemälde zeigt im Moment die Tristesse der zweiten österreichischen Liga, einen Verein in einem hübschen Stadion mit fantastischer Aussicht auf die Alpenkette und recht glorreicher Vergangenheit. Doch die sportliche Aussicht der Gegenwart ist ziemlich verheerend. Die letzten vier Jahren waren "ein Überlebenskampf, der Wahnsinn war", wie der frühere Präsident Stocker bei der Vorstellung des Investors gestand. Dessen Einstieg war die Rettung für den einst so stolzen Klub, der Sturz in den Amateurfußball war eine ständige Drohkulisse. Bis die Mitglieder über eine Änderungen der Statuen abstimmten und den Weg frei machten für den Einstieg eines Geldgebers.

Aber: "Es ist nicht so, dass wir hier im Wunderland leben", sagt Bierofka. "Ich kann nicht zum Ali ( Sportchef Alfred Hörtnagl, Anm.) gehen und sagen: Hol' mir einen von den Bayern." Das Budget verortet Bierofka im Moment auf dem Niveau der dritten Liga in Deutschland - doch mit dem geplanten Aufstieg würden wohl auch die Zuwendungen des Investors steigen. Und dann soll Innsbruck zurückkehren an die österreichische Spitze, wo seit Jahren unangefochten RB Salzburg steht.

"Aber nicht mit der Brechstange, da gibt es viele Vereine, die daran gescheitert sind", warnt Bierofka. Man muss nur an 1860 denken, als der portugiesische Trainer Vitor Pereira den Sturm auf die Bundesliga ausrief mit dem Schlachtruf "We go to the top". Der Rest ist weiß-blaue Horror-Geschichte.

Wenn Bierofka über die Verarbeitung seiner eigenen weiß-blauen Geschichte spricht, dann sagt er: "Die Batterie war richtig leer danach." Den Abschied von 1860 habe er "nie bereut". Endlich habe er sich wieder auf seine zwei Kinder und seine Frau einlassen können, einkaufen, bummeln, die Kinder in die Schule bringen, solche Sachen genoss er. "Das war vorher nicht möglich, als Trainer war ich immer im Tunnel."

Auch im Zoo in Innsbruck war er mit der Familie. Daniel Bierofka hat dort einen jungen Steinbock entdeckt, der munter Kopfnüsse verteilt hat in der Runde. Das könnte einer sein für ihn, findet er.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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