Damir Canadi beim 1. FC Nürnberg:Auch der Club setzt auf den Österreicher-Trend

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"Ich wollte vielleicht nicht ganz so viel investieren", sagt Damir Canadi über seine Zeit als aktiver Fußballer. (Foto: dpa)
  • Der 1. FC Nürnberg stellt seinen neuen Trainer Damir Canadi vor - offenbar sind Österreicher nun auch in der 2. Bundesliga gefragt.
  • Mit dem gebürtigen Wiener will der Club zurück in die erste Liga - einige etablierte Spieler aus der Erstligasaison sollen bleiben.

Von Sebastian Fischer

Das Trainingszentrum des kleinen Fußballvereins Atromitos Athen ist womöglich nicht das innovativste der Welt, aber Damir Canadi konnte dort zuletzt immer mal wieder in seine Zukunft sehen. "Die deutsche Bundesliga läuft im griechischen Fernsehen sehr intensiv", erzählte der Trainer am Montag, auch an seinem Arbeitsplatz, und zwar die erste und die zweite Liga. Er sah in den vergangenen zwei Jahren, in denen er in Athen arbeitete, also auch manchmal den 1. FC Nürnberg spielen. Und nach Deutschland wollte er ja sowieso schon immer.

Canadi, 49, geboren in Wien, wurde am Montag als jener Trainer vorgestellt, der den Tabellenletzten der vergangenen Bundesligasaison möglichst bald in die erste Liga zurückführen soll. Bereits am Sonntag hatte der Club die Personalie bekanntgegeben, vom Wiederaufstieg sprach Sportvorstand Robert Palikuca bereits, nachdem am 33. Spieltag der Abstieg feststand. Der Aufstieg sei kein "Muss", sagte nun Canadi, aber: "Wir wollen den maximalen Erfolg". Sein Vertrag ist bis 2021 gültig. Spätestens dann, so waren seine Worte zu verstehen, soll Nürnberg wieder ein Bundesligist sein. Und dass der Verein sich für dieses Ziel einen Österreicher als Trainer ausgesucht hat, das scheint im deutschen Fußball nun so etwas wie ein Trend zu sein.

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Nürnberg verpflichtet den Österreicher Canadi, der zuletzt Atromitos Athen in den Europapokal führte.

Von Sebastian Fischer

2017 führten Peter Stöger aus Wien und Ralph Hasenhüttl aus Graz den 1. FC Köln und RB Leipzig jeweils in den Europapokal, gerade schaffte Adi Hütter aus Hohenems mit Eintracht Frankfurt die Qualifikation für die Europa League, demnächst trainiert Oliver Glasner aus Salzburg den VfL Wolfsburg. "Dass es so erfolgreich war bei den Vorgängern, eröffnet uns die Chance", sagte Canadi auf die Frage, was denn Österreicher in der Liga gerade so beliebt mache. "Wir sprechen die Sprache und verfolgen den Fußball sehr intensiv." Allerdings hat seine Geschichte mit denen seiner Vorgänger eher wenig gemein.

Anders als Hütter war er nie Nationalspieler, zwar "hochtalentiert" zu seiner Zeit als Profi, wie er sagt, aber: "Ich wollte vielleicht nicht ganz so viel investieren." Mit Anfang 30 war er Spielertrainer in der sechsten Liga in Österreich, nicht viel später galt er als aussichtsreicher Trainer in der vierten Liga - und sprach nach eigener Erzählung bereits von dem Ziel, mal in der Bundesliga zu trainieren.

Anders als bei Glasner hat sein Ruf in Österreich allerdings etwas gelitten. Canadi wurde 2017 nach nur fünf wenig erfolgreichen Monaten bei Rapid Wien beurlaubt. Dem Magazin ballesterer erzählte er eine vielsagende Anekdote aus der Zeit: Als er in der ersten Trainingswoche sein Spielsystem erklärte, habe sich ein Profi in den Spind gesetzt, ein Handtuch vors Gesicht gezogen und gesagt: "Ich spiele sowieso was ich will." In Athen sollen die Profis ihn dagegen zuletzt derart respektiert haben, dass sie ihn "Lehrer" nannten. Atromitos beendete die Saison als Vierter mit der Qualifikation für den Europapokal.

Sportvorstand Robert Palikuca will erst nach dem Pokalfinale über Peter Hermann sprechen

In Athen hatte Canadi ähnlich wie zuvor bereits beim SCR Altach in Österreich, den er ebenfalls in den Europapokal führte, mit geringen finanziellen Mitteln großen Erfolg, was sicher nicht unwichtig für seine Beschäftigung in Nürnberg war. Allerdings sprach der Trainer am Montag, als er nach seiner Spielidee gefragt wurde, nicht nur davon, dass er sich "dynamischen Fußball" wünsche, Balance zwischen Abwehr und Angriff und schnelles Umschalten. Er sagte auch: "Man muss aber schauen, welche Mannschaft mir zur Verfügung steht."

Das wiederum ist die Aufgabe von Palikuca. Er wolle selbstverständlich die Voraussetzungen schaffen, um mindestens um den Aufstieg mitzuspielen, sagte der Sportvorstand. Dafür sollen, wie er in den vergangenen Tagen oft betonte, viele Profis bleiben: "Wir werden ein gutes Grundgerüst behalten von Spielern, die schon aufgestiegen sind." Innenverteidiger Georg Margreitter etwa, Kapitän Hanno Behrens, Stürmer Mikael Ishak. Der in der abgelaufenen Saison von Sporting Lissabon geliehene Matheus Pereira, Palikucas Wunschspieler fürs Kreative, werde sich im Urlaub in Brasilien überlegen, ob er sich eine weitere Saison beim Club vorstellen kann. Zunächst ist er vertragsgemäß erst mal wieder ein Spieler von Sporting. Trainingsauftakt in Nürnberg ist am 17. Juni.

Ein weiterer Zugang auf der sportlichen Führungsebene, auch das ist schon länger bekannt, soll Peter Hermann werden, derzeit Assistenztrainer beim FC Bayern. "Der Peter hat noch ein sehr wichtiges Pflichtspiel zu absolvieren", das DFB-Pokalfinale am Samstag, sagte Palikuca, was nicht unbedingt nach einem Dementi klang. Mit Hermann arbeitete Palikuca schon bei Fortuna Düsseldorf zusammen.

Und auch Canadi kennt er schon länger, obwohl er am Montag den Eindruck vermeiden wollte, einen guten Kumpel verpflichtet zu haben: "Dass es eine Freundschaft gibt, ist absolut falsch." Er habe seit seinem Arbeitsbeginn in Nürnberg mit drei Trainerkandidaten gesprochen und mit Interimstrainer Boris Schommers, der allerdings nur als Cheftrainer bleiben wollte und deshalb ausschied. Auf Canadi sei die Wahl wegen sehr ähnlicher Vorstellungen gefallen: "Auch Damir hat die Vision Bundesliga."

Canadi wirkte noch etwas vorsichtig, als er am Montag für die Fotografen im Stadion den Daumen hob. Er lächelte höflich, als er darüber sprach, den Club schon seit seiner Kindheit zu kennen. Und ja, er habe über Max Merkel gelesen, den Wiener, der mit Nürnberg 1968 Meister wurde. Aber Canadi sagte: "Ich muss meine Geschichte selber schreiben."

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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