Copa América:Wenn beide Mannschaften das Beil rausholen

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Musste hart einstecken: Chiles Arturo Vidal (rechts). (Foto: AFP)
  • Beim zweiten Vorrundenspiel zwischen Chile und Ecuador geht es rau zu, insgesamt zehn Karten - darunter auch eine rote - werden gezeigt.
  • Auf sportlicher Ebene gewinnt Chile das Spiel mit 2:1 und ist damit schon für das Viertelfinale qualifiziert.
  • Vor allem Stürmer Alexis Sánchez konnte überzeugen und erzielte trotz Blessuren den Siegtreffer.

Von Javier Cáceres, Rio de Janeiro

Wer sich einen Begriff davon machen wollte, was für ein Spiel da am Freitag bei der Copa América in Brasilien zwischen Chile und Ecuador stattgefunden hatte, der musste danach nur Arturo Vidal zuhören. Vidal ist, wie man seit seinen Engagements bei Bayer Leverkusen, Juventus Turin, Bayern München und nun auch dem FC Barcelona weiß, alles andere als ein Kind von Traurigkeit. In keiner Hinsicht. Schon gar nicht, wenn es darum geht, auf dem Feld auszuteilen oder einzustecken. Umso bemerkenswerter war, wie sehr der Mittelfeldspieler mit dem Irokesenschnitt nach der Partie gegen die Ecuadorianer stöhnte.

"Das war ein schwieriger Gegner, dem es darum ging, viel zu rennen und viel zuzulangen", sagte Vidal, 32, nach dem 2:1-Sieg in Salvador de Bahia, mit dem sich der Titelverteidiger der Südamerikameisterschaft vor dem abschließenden Gruppenspiel gegen den Tabellenzweiten Uruguay (Montag, Rio de Janeiro) schon mal für das Viertelfinale qualifizierte.

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Zur Wahrheit des Spiels gehörte freilich, dass beide Mannschaften das Beil herausholten. Und damit eine Partie fabrizierten, die von Unterbrechungen gekennzeichnet war. In Salvador de Bahia vergingen kaum mehr als zwei Minuten ohne einen Pfiff des Schiedsrichters. Vidal sah zwar auch Gelb; im Zentrum der Kampfhandlungen stand er aber erst spät, bemerkenswerterweise als Opfer, nicht als Täter. Kurz vor dem Ende der Partie hämmerte ihm Gabriel Achilier den Ellenbogen ins Gesicht - und wurde dafür völlig zurecht vom Platz gestellt.

"Ich habe einen Fehler gemacht, zum Glück ging es noch gut"

Vidal rappelte sich erst wieder auf, nachdem ihn der bei der Bekämpfung von Kopfschmerzen jeglicher Ursache erprobte Arzt der Chilenen ausgiebig behandelt hatte. Zuvor hatte es neun gelbe Karten - und drei Tore gegeben: Im Anschluss an eine Ecke traf José Fuenzalida zur chilenischen Führung (8.); Enner Valencia gelang per Foulelfmeter der zwischenzeitliche Ausgleich für Ecuador, nachdem Chiles Torwart Gabriel Arias Ecuadors Jhegson Méndez so klar gefoult hatte, dass er danach Asche über sein Haupt schüttete.

"Ich habe einen Fehler gemacht, zum Glück ging es noch gut", sagte Arias. Dass es gut ging, lag vor allem an Alexis Sánchez. Der Stürmer von Manchester United traf nach einer Hereingabe des neuerlich glänzenden Leverkuseners Charles Aránguiz per Dropkick zum 2:1-Endstand (51.).

Zuvor hatte Chile Glück gehabt. Der Schiedsrichter hatte es nach Ansicht der Videobilder bei einer Verwarnung für Torwart Gabriel Arias belassen. Arias war aus dem Strafraum herausgestürmt und hatte einen fast allein aufs Tor stürmenden Ecuadorianer gefoult. Mit einem Mann mehr auf dem Feld hätte es Hernán "Bolillo" Gómez andernfalls womöglich vermieden, im achten Spiel als Trainer der Ecuadorianer seine siebte Niederlage einzustecken.

Stattdessen flogen die Träume der Chilenen höher, als man vor dem Turnier vermuten konnte. Von den internen Querelen ist in Brasilien nichts mehr zu hören, stattdessen sorgen zwei Siege aus zwei Spielen dafür, dass in der Heimat kaum über die spielerischen Leistungen debattiert wird. Sie sind bislang nicht einmal ansatzweise so berauschend sind wie das Nationalgetränk Pisco. Doch das ist recht egal: Am Montag spielt Chile im Maracana von Rio de Janeiro gegen Uruguay um den Gruppensieg, unter reger Anteilnahme der Landsleute, die schon am Freitag die Copacabana in Beschlag nahmen.

"Uruguay ist die derzeit beste Mannschaft Südamerikas", warnte freilich der überaus umstrittene Trainer der Chilenen, der Kolumbianer Reinaldo Rueda. Er konnte am Freitag auch personlich aufatmen. Die nunmehr sichere Qualifikation fürs Viertelfinale war das Minimum, das Chiles Verband ANFP gefordert hatte, um seinen Arbeitsvertrag nicht doch nach anderthalb Jahren wieder aufzulösen.

Für den größten aller aktuellen chilenischen Träume, den dritten Copa-América-Titel in Serie, sorgt aber Alexis Sánchez. "El niño maravilla", das nun auch schon 30-Jährige "Wunderkind" aus dem nordchilenischen Tocopilla, hat sich nach einer desaströsen Saison in der Premier League trotz Verletzung zurückgemeldet. Für Manchester United gelang ihm nur ein einziges Tor in der Liga, bei der Copa nun schon zwei, Sánchez hatte schon im Auftaktspiel gegen die Gastmannschaft Japan getroffen. Und das, obwohl sein Einsatz bei der Copa América lange Zeit fraglich war. Zum Saisonende hatte er mit einer Verletzung am rechten Sprunggelenk zu kämpfen, vor der Partie gegen Ecuador wurde gemeldet, dass nun auch der linke Knöchel schmerzt. Doch Sánchez spielte und traf, "mit Bandagen um den Knöchel und um das Herz", wie die chilenische Zeitung La Cuarta am Samstag schrieb.

Sánchez' Willen zur Aufopferung jedenfalls steht für die gesamte Mannschaft, fand Kapitän Gary "El Pitbull" Medel in Salvador. "Unser Ziel ist es, wieder Champion zu werden", sagte Medel - und fügte in der unmissverständlichen Sprache, die er in der rauen Umgebung seiner Kindheit gelernt hat, hinzu, dass die Mannschaft die Grundtugenden für ein erfolgreiches Weiterkommen in Brasilien zeige: "Wir reißen uns den Arsch auf. Und das sieht man."

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