Confed Cup:DFB in Russland - eine heikle Mission

Lesezeit: 3 min

  • Am Samstag startet der Confed Cup in Russland.
  • Dabei ist das politische Agieren des DFB mindestens so bedeutsam wie das sportliche Abschneiden.
  • Bisher gibt der Verband kein überzeugendes Bild ab, Anfragen lässt der DFB unbeantwortet.

Von Johannes Aumüller, Sankt Petersburg

Die deutsche Mannschaft ist schon in ihrem Quartier in Sotschi gelandet, aber Reinhard Grindel legt noch zwei Stopps ein, ehe er sich dazu gesellt. Erst geht es für den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach Moskau, wo er Vertreter der Botschaft und politischer Stiftungen trifft sowie beim "Petersburger Dialog" einen Vortrag hält. Danach besucht er das Eröffnungsspiel des Confed Cups zwischen Russland und Neuseeland (Samstag, 17 Uhr, ARD), denn Grindel ist ja nicht nur DFB-Chef, sondern auch Mitglied im Rat des Weltverbandes Fifa.

Zwei Wochen dauert das Turnier, und mindestens so sehr wie das sportliche Abschneiden ist dabei das politische, gesellschaftliche und sportpolitische Agieren von Belang. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Und bisher gibt der DFB in dieser Hinsicht kein überzeugendes Bild ab.

Grindel, 55, der bis vor einem Jahr für die CDU im Bundestag saß und durch die Sommermärchen-Affäre an die Spitze kam, äußert sich derzeit oft zu Russland und den Zuständen dort. Er mahnt Presse- und Demonstrationsfreiheit an; er fordert korrekte Bedingungen für Arbeiter und eine "rote Karte" gegen Hooliganismus; er verspricht "Signale" und plant für das kommende Jahr Aktionen wie deutsch-russische Junioren-Länderspiele an historisch bedeutsamen Orten wie Wolgograd (früher Stalingrad). Viele richtige und wichtige Sachen sagt Grindel. Vieles ist auch selbstverständlich, aber weil Funktionäre sich oft schon mit Selbstverständlichkeiten schwertun, fällt es auf. Doch solche Äußerungen gegenüber der "Heimatpresse", von der Grindel neulich selbst in der FAZ sprach, sind das eine. Das andere ist die Frage, was das konkret für Russland heißt.

Scharfe Drohungen hält der DFB nicht für sinnvoll

Ein Beispiel liefert das Thema der Meinungs- und Pressefreiheit. Kurz vor dem Confed Cup hat Russlands Staatsmacht bei Protesten Hunderte Menschen festgesetzt und den Oppositionspolitiker Andrej Nawalny zu 30 Tagen Arrest verurteilt - so dass er erst nach dem Turnier wieder freikommt. Für die Dauer des Confed Cups ist, wie schon bei den Sotschi-Spielen 2014, das Demonstrations- und Versammlungsrecht eingeschränkt. Für ausländische Journalisten gilt formal folgende Regel: Wer nur eine Fifa-Akkreditierung hat, darf nur über Fußball berichten; wer über andere Themen berichten möchte, braucht eine Extra-Erlaubnis des Außenministeriums. Wie Russlands Behörden diese Regel im Zweifel anwenden und umsetzen, ist unklar, aber die Statuten sind eindeutig.

Die Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit sind offenkundig, und so sagt Grindel etwa zum Umgang mit den Protestlern und Nawalny, es sei Dialog statt Haft angezeigt. Aber konkrete Konsequenzen? Keine. Einen Boykott oder eine Verlegung des Turniers, die schärfste Drohung gegenüber den Mächtigen, um Missstände verändern zu können, hält Grindel für nicht sinnvoll. Er findet, dass die Menschen das Recht auf ein Turnier hätten.

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Auffällig ist, wie eng in den vergangenen Jahren die deutsch-russischen Fußballbeziehungen waren. Wenn es um sportpolitische Ämter und Vorhaben geht, ist es fast schon Usus, Deals mit Russlands Verbandschefs zu suchen, weil die in Osteuropa so viel Einfluss haben. 2007 stieg der staatliche kontrollierte und von der Führung um Wladimir Putin auch strategisch eingesetzte Energiekonzern Gazprom bei Schalke 04 als Hauptsponsor ein. Zudem haben die Deutschen ihren Anteil daran, dass nun der Confed Cup und die WM in Russland stattfinden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Franz Beckenbauer als damaliges Mitglied des Fifa-Vorstandes für Russland stimmte; kurz darauf trat er einen gut dotierten Job als Botschafter von Russlands Gas-Industrie an. Aber das Votum war kein einsamer Entscheid Beckenbauers, sondern auch eine Empfehlung der Granden von DFB und Liga. Die kamen in kleinem Kreis zum Schluss, dass sie lieber Russland wollten als die Doppel-Bewerber Spanien/Portugal und Niederlande/Belgien - und auch lieber als England, um die Position der Premier League nicht weiter zu stärken.

In dieses Muster fügte sich Grindel ein. Das fiel vor allem auf, als es um den umstrittenen russischen Funktionär Witalij Mutko ging. Der 58-jährige ist der entscheidende Mann in Russlands Sportpolitik, unter anderem Vize-Premier und Chef des nationalen Fußballverbandes. In seiner Zeit als Sportminister steuerte sein Haus das staatliche Dopingsystem. Mitglied im Fifa-Rat ist Mutko nicht mehr, weil der konsequente (und inzwischen geschasste) Compliance-Chef Miguel Maduro ihn wegen seiner politisch-sportpolitischen Doppelrolle aus diesem Gremium bannte.

Aber als es vor einigen Wochen angesichts Mutkos Rolle im Dopingsystem um weitere Konsequenzen ging, blieb Grindel still. Alischer Aminow, Vertreter der russischen Fußball-Opposition und erbitterter Mutko-Widersacher, sagt der SZ, dass ihm Grindel zugesagt habe, einen Brief an das Ethikkomitee in der Causa Mutko zu unterzeichnen, doch dies sei nicht erfolgt. Eine schriftliche Anfrage dazu beantwortet der DFB nicht - mit dem Verweis, dass auf einer Pressekonferenz Fragen zu Russland hätten gestellt werden können.

Statt Mutko zu kritisieren, reiste Grindel im Mai nach Moskau, um gemeinsam mit Mutko die Fortschritte im Luschniki-Stadion zu begutachten - und einen Vertrag zu signieren. Die Verbände beider Länder verlängerten ein erstmals 2012 aufgesetztes "Memorandum of Understanding". Nun sind solche Abkommen nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches. Der DFB unterzeichnete zuletzt auch welche mit den Föderationen Englands und Namibias, Russland eines mit Italien. Andererseits war der Vorgang wegen der sportpolitischen Debatten um Russland und Mutko bemerkenswert. "Warum muss Grindel ausgerechnet in diesem Moment nach Moskau fahren und sich mit Mutko an einen Tisch setzen?", fragt Alischer Aminow.

Der DFB antwortet auf eine Anfrage nach seinen Gründen nicht. Mutko jedenfalls konnte den Pakt so verkaufen, dass die Deutschen zu ihm stünden. Es ist die Frage, ob ihm der DFB in den nächsten Wochen auch Gelegenheiten zu solchen Schlussfolgerungen bieten.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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