Trainer des SC Freiburg:Christian-Streich-Kenner geben schon Wetten ab

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Blick in die Zukunft: Freiburgs Trainer Christian Streich. (Foto: David Inderlied/dpa)

Nach dem 0:5 bei West Ham und dem Aus in der Europa League rückt in Freiburg die Trainerfrage in den Blick: Hört Christian Streich nach zwölf Jahren auf? Ein paar Signale machen dem Sportclub Hoffnung.

Von Christoph Ruf, London/Freiburg

Jahr für Jahr ist es das Gleiche: Immer, wenn die Osterglocken blühen und die Amphibien gelaicht haben, wagen sich Deutschlands Fußballjournalisten an eine fachfremde Disziplin: das Mimik-Deuten. Grundsätzlich lassen sich in dieser Disziplin angeblich sieben Grundemotionen unterscheiden, von Freude bis Verachtung. Doch wenn es um das spezifische Beobachtungsobjekt geht, den Freiburger Trainer Christian Streich, dann würde den Deutern dieser Tage schon ein einziger klarer Gesichtsausdruck reichen.

Die alljährliche Frage nach Streichs Vertragsverlängerung um eine weitere Saison beschäftigt die Leute diesmal schon länger als sonst. Und je länger es mit einer Entscheidung dauert, umso mehr hoffen die Mimik-Deuter auf einen Hinweis, der zweifelsfrei darauf schließen lässt, dass der 58-Jährige auch in der Spielzeit 2024/2025 seinen Sportclub trainieren wird. Streich-Kenner schließen zwar derzeit hohe Wetten ab, dass der Verein Anfang kommender Woche verkünden wird, mit Streich in dessen 13. Saison als Chefcoach zu gehen. Letztlich aber ist es beim Lesen der Mimik des Trainers gerade wie beim Betrachten des Kaffeesatzes: Viel schlauer ist man nach der Lektüre nicht.

Es ließ auch keine verlässlichen Rückschlüsse zu, dass Streich am Donnerstagabend bei der Pressekonferenz in London einigermaßen geschockt dreinblickte. Und es half ebenfalls wenig zu wissen, dass die Band "The Clash" ihren wohl berühmtesten Song nur wenige Meilen neben dem Spielort, dem London Stadium, geschrieben hatte, und dass dieser Song den sehr, sehr passenden Titel trug: "Should I stay or should I go?" Christian Streich musste in London eine happige 0:5-Niederlage bei West Ham United und das bittere Freiburger Aus in der Europa League kommentieren, nach einem 1:0 im Hinspiel.

"Nächste Woche sagen wir, wie es aussieht. Kann sein: Montag oder Dienstag"

Doch bei einem wie Streich, der sogar nach triumphalen Siegen schon mal dreinblickt wie sieben Tage Regenwetter, heißt es dann auch nicht viel, wenn nach einer derart schwachen Defensivleistung seine Stimme leise wird und die Gesichtszüge einfrieren. "Nächste Woche sagen wir, wie es aussieht. Kann sein: Montag oder Dienstag", sagte Streich zur Vertragsfrage. Und seine Anmerkung, dass diese Frage "nicht so wichtig" sei, muss keineswegs bedeuten, dass er seinen Abschied verkünden wird.

Man müsste sich schon sehr wundern, würde Streich seinen Herzensverein just nach einer Saison verlassen, die nach Lage der Dinge zu den schwächeren in der vergangenen SC-Dekade zählen wird. Zwar ist das Restprogramm in der Liga vergleichsweise einfach - abgesehen von den Spielen gegen Leipzig und nun an diesem Sonntag (15.30 Uhr) gegen Leverkusen -, aber eine neuerliche Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb könnte nur noch mit einer Aufholjagd gelingen. 13 Punkte trennen den Sportclub derzeit von Leipzig und Rang fünf, der wieder für die Europa League ausreichen würde. Die Conference League und Eintracht Frankfurt liegen auch schon sieben Punkte entfernt.

Da waren es schon fünf: West Hams Mohammed Kudus (rechts) trifft zum 5:0 gegen den SC Freiburg. (Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Allerdings wäre für Freiburg auch eine Mittelfeldplatzierung wie der aktuelle Rang acht nichts, was klubintern für Aufruhr sorgen würde. Die SC-Verantwortlichen haben zwar schon länger registriert, dass die Erwartung im Umfeld nach zwei Jahren im Europapokal gestiegen ist. Aber dass es in dieser Saison nicht berauschend läuft, ist erklärbar. Zum einen saßen die Transfers diesmal nicht so wie gewohnt: Rückkehrer Maximilian Philipp ist noch nicht in Tritt gekommen; Junior Adamu, einer der teuersten Transfers der SC-Geschichte, gehört nicht mal mehr zum Kader. Und der profilierteste Angreifer, Michael Gregoritsch, war lange im Formtief. Zudem war Freiburg von diversen Verletzungen geplagt, zeitweise waren drei Innenverteidiger gleichzeitig betroffen.

Eine weitere Erklärung ist, dass sich Freiburg vor der Saison dazu entschied, erneut junge Spieler wie Jordy Makengo, Merlin Röhl, Noah Weißhaupt und Kiliann Sildillia näher an die Stammplätze zu bringen. Ein standorttypischer Weg, der sich naturgemäß eher mittel- als kurzfristig auszahlt. Fehler werden dabei eingepreist - diesmal auch beim Torwart.

Das 0:5 in London lag nicht nur an der "überragenden individuellen Qualität" des Gegners

Dass der Junioren-Nationalkeeper Noah Atubolu mancherorts schon vor seinem ersten Ligaspiel zum künftigen deutschen Nationaltorwart ausgerufen wurde, hatte niemanden mehr geärgert als die Freiburger Verantwortlichen. Deren Mut, einen 21-Jährigen nach dem Weggang von Mark Flekken zur Nummer eins zu machen, sollte nicht noch durch überzogene Erwartungen überfrachtet werden. Tatsächlich ist Atubolu, der zu Saisonbeginn häufig patzte, mittlerweile auf dem besten Weg, das Vertrauen zu rechtfertigen und in zwei, drei Jahren zu einem guten Bundesligakeeper zu werden. Schon jetzt zeigt sich der gebürtige Freiburger verbessert auf der Linie, fußballerisch ist er gut ausgebildet.

Allerdings muss Atubolu an einer Schwäche arbeiten, die mit Ausnahme von Flekken alle Freiburger Keeper der vergangenen Dekade (Alexander Schwolow, Florian Müller) hatten: Seine Einflusszone im Strafraum beschränkt sich auch bei ihm auf wenige Zentimeter vor der Grundlinie; selbst nahe ans Tor gezirkelte Flanken auf den "zweiten Pfosten" werden deshalb häufig zur Gefahr. Außerdem sahen zuletzt auch Atubolus Vorderleute nicht immer souverän aus. Das 0:5 in London lag nicht nur an der "überragenden individuellen Qualität" des Gegners, die Streich registriert hatte. Sondern auch daran, dass West Hams Torschützen Kudus (2), Paqueta, Bowen und Creswell das, was sie taten, ziemlich ungehindert tun durften.

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