Chelsea besiegt den FC Barcelona:Abgeprallt an der wuchtigen Wand

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Barcelona dominiert das Hinspiel des Champions-League-Halbfinals, doch Chelsea gewinnt: Ein überfallartiger Treffer von Didier Drogba reicht unterlegenen Londonern zum 1:0-Sieg an der Stamford Bridge. Die Katalanen agieren bei ihren zahlreichen Chancen zu fahrlässig und müssen gegen die kraftvollen Engländer erkennen, dass es ein Gegenmittel für ihren Fußball gibt.

Jonas Beckenkamp

Unter all den schreienden Ungerechtigkeiten des Fußballs rangiert auf der Insel eine Verschaukelung der vergangenen Jahre besonders weit oben. Im Mai 2009 scheiterte der FC Chelsea nach einhelliger britischer Meinung nur deswegen am Künstlerkollektiv des FC Barcelona, weil Schiedsrichter Øvrebø den Londonern gleich mehrfach offenkundigste Elfmeter verwehrt hatte.

Hochgesprungen und abgewehrt: So wie in dieser Szene prallten viele Angriffe Barcelonas an der Chelsea-Abwehr ab.  (Foto: dpa)

Unvergessen die Szenen, als Michael Ballack den glatzköpfigen Norweger wild gestikulierend über das halbe Feld verfolgte - und am Ende doch frustriert in die Kabine trottete. Barça lachte dank Andres Iniestas Stich ins Chelsea-Herz zum 1:1 kurz vor Ultimo zuletzt und zog ins Finale ein. Und Øvrebø? Dem trachten bis heute wegen seiner Fehlentscheidungen englische Fanatiker nach dem Leben.

Beinahe drei Jahre später bot sich den Blues an diesem Abend die Chance zur Revanche für den fatalen Frevel: Im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gastierten einmal mehr die katalanischen Zauberkicker an der Stamford Bridge. Und tatsächlich spielte den Londonern diesmal der Referee keinen üblen Streich, so dass Chelsea trotz deutlicher Unterlegenheit ein genialer Moment von Angreifer Didier Drogba (45. Minute) zum überraschenden 1:0-Sieg reichte.

Es sollte das Duell zweier verschiedener Spielstrategien werden - so viel war schon vor dem Anpfiff klar: Hier die kraftvolle Fortentwicklung des britischen Kick-and-Rush, dort Barcelonas quälende Kurzpassfolter, die den Gegner wie einen Lack-und-Leder-Spielgefährten einschnürt. Diese Methode haben die Katalanen seit dem letzten Aufeinandertreffen unter ihrem beinahe philosophenhaften Trainer Pep Guardiola sogar noch einmal optimiert, während Chelsea ein wenig eingerostet ist. Kurzum: Der Favorit konnte trotz aller Respektsbekundungen für die Briten nur Barcelona heißen.

Das bestätigte auch die Anfangsphase, wo Chelsea zwar losrannte, als gäbe es das Kilometergeld extra ausgezahlt, Barça jedoch die erste Chance besaß. Iniesta lupfte einen Pass aus der Spielfeldmitte in den Lauf von Stürmer Alexis Sánchez, dessen Heber von der Latte zurückprallte (9.). Trotz aller Giftigkeit der Engländer offenbarte sich bald, wie dieses Spiel verlaufen würde: Barcelona zelebriert sein "Tiki-Taka", Chelsea lauert auf den großen Überfall. Der nächste Beweis dieser These folgte, als Lionel Messi im Strafraum auf Iniesta ablegte, der mit rechts abzog und Chelsea-Keeper Petr Čech zu einem Abpraller zwang. Beim Nachschuss ließ es Cesc Fàbregas mit einem kuriosen Kullerball (18.) dann doch ein wenig menscheln.

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Der FC Bayern besiegt Real Madrid durch einen Treffer kurz vor Schluss. Die spanischen Zeitungen kritisieren vor allem Fabio Coentrao, loben aber die Willenskraft der Münchner. Die italienischen Zeitungen sprechen vor allem über den Angstgegner und eine immer länger werdende Serie.

Barça dominierte - wie sollte es auch anders sein - und falls man sich fragte, was dieser Messi eigentlich nicht kann, so war bei einem von Čech gehaltenen Kopfball des 1,68 Meter kleinen Argentiniers aus elf Metern (28.) zu erfahren: auch das beherrscht er. Und er hat präzise Pässe drauf, wie jenen zu Fàbregas' zweiter Großchance, die jedoch mit einem schlampigen Heber des Mittelfeldmannes verpuffte (42.).

Als so mancher Stadionbesucher schon nach dem Wechselgeld für das Pausenpint kramte, zeigte Messi dann doch eine Schwäche: Er vertändelte im Mittelfeld den Ball, ein langer Pass von Frank Lampard segelte zu Chelseas Außenspieler Ramires und der brachte die Kugel irgendwie nach innen zu Drogba - der Ivorer stürzte heran und traf zum 1:0 (45.). Es war tatsächlich passiert, Barcelona erlebte einen seltenen Kunstfehler.

Bei aller Überraschung durch diesen Spielverlauf blieb das Geschehen wenig berauschend, zu vehement drückte das Heimteam mit dem Vorsprung im Rücken seine Zerstörungswut durch: Der Abwehrdickicht der Blues wucherte immer dort, wo es gerade brenzlig wurde. Und Barcelona? Wirkte ungewohnt verlegen, irritiert und vergab weiter beste Möglichkeiten wie jene von Sánchez, der frei vor Čech einfach vorbeischoss (57.). Sollte der Titelverteidiger wahrhaftig über sich selbst stolpern? Zumindest hatten die Engländer es geschafft, dass Barça nicht mehr wirklich wie Barça spielte, sondern eher wie ein ganz normal überlegenes Fußballteam.

Unaufhörlich kreiselte das Spielgerät um den Chelsea-Sechzehner herum, ohne dass Barcelona dadurch entscheidende Vorteile gewinnen konnte. Und wenn doch einmal ein Ball hindurchzischte, wie bei einem Freistoßchip von Messi auf den Kopf von Carles Puyol, war Čech in ausgezeichneter Manier zur Stelle (87.) - oder es rettete der Pfosten, wie beim Versuch des eingewechselten Pedro in der Schlussminute.

Die Engländer gingen den Katalanen mit ihrem Gemauere derart auf die Nerven, dass den Gästen einfach nichts mehr einfiel. Am Ende blieb es beim 1:0 - und eine schreiende Ungerechtigkeit des britischen Fußballs war zumindest teilweise gerächt.

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