Champions League: Schalke 04:Die Hecken sind weg

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Ralf Rangnick hat den Ton beim FC Schalke geändert - im Viertelfinal-Hinspiel gegen Inter Mailand jedoch bereitet die Abwehr Sorgen. Christoph Metzelder spielt wohl trotz eines Nasenbeinbruchs.

Philipp Selldorf

Matthias Schober, 34, hat unter den Torhütern der Bundesliga den aussichtslosesten Job: Er muss sich mit Manuel Neuer messen. Es ist also keine Schande, dass er in dieser Saison noch nicht zum Einsatz gekommen ist. Neuer, das steht fest, ist der bessere Torwart, aber unklar ist, wer von beiden der größere Schalke-Fan ist.

War auch beim letzten Aufeinandertreffen zwischen Inter Mailand und Schalke 04 im Jahr 1997 schon dabei: Javier Zanetti von Inter Mailand. (Foto: dpa)

Neuer kam zwar bereits als Vierjähriger zum Klub seiner Heimatstadt, doch damals war Schober längst der Schlussmann der Schalker B-Jugend, und anders als der Junior Neuer gehörte Schober sieben Jahre später auch jener Abordnung an, die im Giuseppe-Meazza-Stadion gegen Inter Mailand den Uefa-Cup gewann. Er fungierte als Ersatztorwart hinter Jens Lehmann, also auf einem der aussichtslosesten Posten, die es damals in der Liga gab.

Schober war am Montag wieder dabei, als die Mannschaft des FC Schalke 04 abermals nach Mailand aufgebrochen ist, diesmal in der Champions League. Als letzter Vertreter der Generation "Eurofighter" war er ein gefragter Mann, und er hatte etwas mitzuteilen: Er erzählte, dass im Mai 1997 seine Frau im Mailänder Stadion auf der Tribüne gesessen hatte, was er nun als gutes Omen ansieht, denn "dieses Mal ist meine Frau auch dabei - und es ist immer noch die Gleiche".

Schober, der auf der Ersatzbank tatsächlich ein gehobenes Fan-Dasein führt, hat außerdem erwogen, das Video von jenem historischen Spiel auf USB-Stick zu ziehen und im Teamkreis vorzuführen, um junge Kollegen wie den Japaner Uchida oder den Griechen Papadopoulos in das Geheimnis Schalke 04 einzuweihen.

Solche sentimentalen Anwandlungen haben jetzt wieder Relevanz in Schalke, denn der Klub ist nach der Trennung vom eisern unsentimentalen Felix Magath im Begriff, sich ein wenig rückwärts zu reformieren. "Dieser Verein braucht Wärme und Identifikation", sagt Horst Heldt, der Manager, der just an dem Tag aus den Kulissen hervortrat, als der Aufsichtsrat die Trennung vom Allesentscheider Magath verkündete.

Heldt, 40, will auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass er seinem Vorgänger die gebührende Achtung vorenthält, "ich fände es anmaßend, zu sagen: Es war falsch, wie Magath es gemacht hat", sagt er. Aber alles, was Heldt und Trainer Ralf Rangnick in den vergangenen Wochen unternommen und postuliert haben, unterschied sich grundlegend von der Praxis des ehemaligen Generaldirektors.

Der wesentliche Wandel besteht darin, dass in Schalke wieder miteinander geredet wird, am zweiten Abend seiner neuen Tätigkeit hat Heldt das erste Treffen mit Fan-Vertretern anberaumt. Auch den Spielern ergeht es, als wären über Nacht die Mauern und dornigen Hecken verschwunden, die sie im Trainingsalltag umgeben hatten; der peruanische Angreifer Jefferson Farfan war angeblich schockiert, als ihn Rangnick zur Unterhaltung zur Seite nahm.

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So viel Aufmerksamkeit hat ihm der "Professor", wie er Magath nannte, selten geschenkt. "Sie haben die Vergangenheit bearbeitet und alles ausgeräumt", sagt Heldt, "es ist ja auch eine Mentalitätssache: Er erwartet, dass wir mit ihm reden." Prompt wurde aus Südamerika kolportiert, Farfan plane, seinen bis 2012 laufenden Vertrag mit Schalke vorzeitig zu verlängern.

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Aber für solche Erfolgsmeldungen sei es zu früh, dementiert Heldt, und er glaubt auch nicht, dass ein Revival des Mailand-1997-Wunders idealistische Gefühle wecken könnte. "Es hilft nur bedingt, die Spieler zu emotionalisieren, jeder Profi hat ein Management", weiß er.

Sollte es Schalke trotz der herrschenden Einschätzungen (Heldt: "Wir sind klarer Außenseiter") schaffen, Inter Mailand aus dem Weg zu räumen, hätten Manager und Trainer zumindest mehr Spielraum für den nächsten Umbau. Der ist nötig, denn dass Magath eine seltsame Kaderwirtschaft betrieben hat, das muss Rangnick jetzt bei der Aufstellung fürs Spiel am Dienstagabend erfahren.

Zwar hat sein Vorgänger im Laufe von anderthalb Jahren 35 Verpflichtungen getätigt, trotzdem herrscht auf diversen Posten akuter Personalmangel. Für die beiden elementaren Positionen im defensiven Mittelfeld stehen nach dem Ausfall von Peer Kluge (Zerrung) lediglich zwei Männer zur Verfügung, der 19-jährige Joel Matip und der 19-jährige Kyriakos Papadopoulos. Die übrigen Kandidaten für den Räumdienst vor der Abwehr hat Magath im Winter verkauft (Ivan Rakitic/FC Sevilla) respektive ausgelagert (Jermaine Jones/Blackburn Rovers). Mit Matip und Papadopoulos gegen die Inter-Offensive mit Snijder, Eto'o, Pandev und Milito - da hilft nur Gottvertrauen.

"Dann machen die nicht so erfahrenen Spieler ihre Erfahrungen", sagte Rangnick. Der Trainer ist froh, dass Christoph Metzelder trotz des am Freitag erlittenen Nasenbeinbruchs mitspielen will - es ist ja auch erst der vierte Nasenbeinbruch seiner Karriere. "Wir versuchen das hinzubekommen", sagt Metzelder, "wir wissen, dass wir in Mailand eine herausragende Defensive brauchen."

Auf den Torwart wird es ankommen, auf Manuel Neuer. Der hat vor der Abreise gesagt, dass er "stolz" sei, dass sein Verein der letzte deutsche Klub im Europacup ist. Ein wahrer Fan.

© SZ vom 05.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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