Champions League:Benzema ist eine Welt für sich

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Jubel der Erleichterung: Mit seinen beiden Treffern hält Karim Benzema die Finalchancen von Real Madrid am Leben. (Foto: Craig Brough/Reuters)

Dank zweier Treffer des Stürmers verschafft sich Real Madrid beim spektakulären 3:4 in Manchester eine gute Ausgangsposition fürs Rückspiel. City-Trainer Pep Guardiola ist trotz des knappen Sieges gewarnt.

Von Javier Cáceres, Manchester

Auf dem Weg hinunter in die Katakomben des Stadions von Manchester City, unterhalb der nach Colin Bell benannten Tribüne, sind ein paar Tafeln angebracht, auf denen Wegmarken der Geschichte des Klubs festgehalten sind. Natürlich auch die Ankunft von Josep Guardiola als Trainer im Jahr 2016. Mehr als eine Milliarde Euro hat City seither für neue Spieler ausgegeben - und auch zehn Titel geholt. Doch diesem einen Pokal jagt Guardiola noch immer hinterher: der Champions-League-Trophäe, die er bisher nur mit dem FC Barcelona gewann.

Am Mittwoch kam er seinem Traum etwas näher: Denn in einem Spiel voller dramatischer Sprünge und Volten siegte sein Team gegen den Rekordmeister des Wettbewerbs Real Madrid - mit 4:3. Das Rückspiel findet kommende Woche in Madrid statt, auf einer Bühne, die in diesem Jahr auf irrwitzige Plots spezialisiert ist.

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Es gibt vielleicht keine Mannschaft auf der Welt, die sich am Rande des Abgrunds besser bewegt als Real Madrid. Und es gibt unterm Fußballhimmel keine größere Sünde, als diese Mannschaft zu unterschätzen. Keiner weiß das besser als Guardiola, der seiner Mannschaft ebendies gepredigt hatte. Top-top-top-Wiederaufersteher seien diese Madrilenen, bläute er ihnen ein. Sinngemäß. Er zeigte ihnen die Videos der wundersamen Siege über Paris Saint-Germain und den FC Chelsea.

Und nun wissen seine Spieler aus eigener Erfahrung, was es damit auf sich hat, wenn jemand sagt, dass es keine Sicherheiten gibt, wenn der europäische Henkeltopf auf dem Spiel steht und auf der anderen Seite des Platzes Real Madrid steht.

Als die ersten Gravuren der Grabsteine für Madrid in Auftrag gegeben waren, leistete Citys Torwart Éderson Mund-zu-Mund-Beatmung

Zunächst dauerte es allerdings keine zwei Minuten, bis Manchester City führte: Ryad Mahrez zog von der rechten Flanke in den Halbraum und chippte den Ball in den Strafraum, weil ihn niemand angriff; und Kevin De Bruyne flog heran und drückte den Ball per Flugkopfball über die Linie, weil sein Bewacher Dani Carvajal sich schüchterner bewegte als ein Tourist vom Kontinent vor einer Theke voller Hooligans in einem englischen Pub. Sein belgischer Landsmann im Tor der Madrilenen, Thibaut Courtois, war ohne Chance. Neun Minuten später war es De Bruyne, der die Vorarbeit leistete und auf Gabriel Jesús passte, der sich im Strafraum um den früheren Bayern-Profi David Alaba drehen konnte. 2:0 nach elf Minuten! Doch als die ersten Gravuren der Grabsteine für Madrid in Auftrag gegeben waren, leistete Citys Torwart Éderson Mund-zu-Mund-Beatmung.

Mit ein paar risikoreichen Pässen trieb er seinen Mitspielern den Angstschweiß auf die Stirn - und holte Real Madrid zurück ins Spiel. Stellvertretend dafür stand eine Szene aus der 26. Minute. Éderson wollte Ruben Dias am eigenen Strafraum anspielen, Benzema sprintete dazwischen, und es entstand ein solches Chaos, dass Dias den Ball an den Innenpfosten des eigenen Tores spitzelte. Danach beging City eine Todsünde: Die Mannschaft von Guardiola vergab durch Mahrez und Foden zwei Großchancen (26./29.). Und musste dann dabei zusehen, wie Real Madrid den Anschlusstreffer erzielte. Durch Karim Benzema, wen sonst. Der Franzose dirigierte einen gefühlvollen Flankenball von Reals Außenverteidiger Ferland Mendy mit einem artistischen Volleyschuss ins Netz.

Die Entscheidung, wer ins Finale von Saint-Denis einzieht, sie blieb vertagt

Das Spiel trat danach in eine langanhaltende, fiebrige Phase, was Real Madrid mehr behagte als den Engländern. Guardiola musste verletzungsbedingt John Stones auswechseln - und brachte den brasilianischen Veteranen Fernandinho (35.), von dem noch die Rede sein sollte. Es gab eine Reihe von gut durchdachten Spielzügen, eine stattliche Zahl an Ouuuuuhs und Aaahs auf den Lippen der Zuschauer, neuerlich eine Großchance für Mahrez (48.) - und schließlich doch das dritte Tor für City. Der alte Fernandinho setzte sich auf der rechten Seite bis zur Grundlinie durch und schlug eine präzise Flanke auf Phil Foden, der aus kurzer Distanz zum 3:1 einköpfelte (53.). Doch auch das war nicht das letzte Wort. Mitnichten. Nur zwei Minuten später ließ Madrids Linksaußen Vinícius den bereits erwähnten Fernandinho stehen, zog über den halben Platz davon und schob den Ball zum 3:2 ins Tor.

Just als sich das Spiel ein wenig zu beruhigen schien, erzielte City den Treffer zum 4:2. Toni Kroos, der bei defensiven Aufgaben oft überfordert wirkte, foulte am Strafraumrand Citys Linksverteidiger Zinchenko, doch der Schiedsrichter ließ Vorteil gelten. Der Ball kam zu Bernardo Silva, der trocken abzog - und aus 14 Metern in den linken oberen Winkel traf. Alles vorbei mit dem 4:2? Oh nein! Denn Citys Innenverteidiger Aymeric Laporte pflückte eine Flanke im eigenen Strafraum mit der Hand vom Himmel und verursachte einen Elfmeter, den Karim Benzema zum 4:3-Endstand verwandelte. Mit der ihm eigenen Eleganz, und das hieß: Indem er ihn im Stile von Antonin Panenka unter die Querlatte löffelte, als Torwart Éderson schon in seine linke Ecke flog. Und hätte es nicht noch den einen oder anderen Flitzer gegeben, und vor allem: den dankbaren Applaus eines hingebungsvollen Publikums, wäre das ein überaus würdiger Schlusspunkt unter einen grandiosen Fußballabend gewesen. Die Entscheidung aber, wer ins Finale von Saint-Denis einzieht, sie blieb vertagt.

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