Champions League:Guardiola wutjubelt

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Der erlösende Moment: Das 1:0 durch Kevin De Bruyne feiert ManCity-Trainer Pep Guardiola mit einem Gefühlsausbruch der anderen Art. (Foto: Craig Brough/Reuters)

Der Trainer von Manchester City wirkt genervt gegen Atlético Madrid, genauso wie sein Team. Eine Fehleinschätzung des Gegners bringt den Klub aber dennoch auf Halbfinal-Kurs.

Von Sven Haist, Manchester

Einen herkömmlichen Torjubel führte Pep Guardiola nicht auf, als der Sieg­treffer von Manchester City fiel. Statt Freude über das wichtige Tor im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League zu zeigen, öffnete der Trainer die Wasserflasche in seiner Hand und knallte sie auf den Bo­den. In einer Fontäne spritzte das Wasser in die Luft, es erwischte auch ihn selbst. Aber was sind schon ein paar Tropfen mehr auf der Kleidung angesichts des Dauernieselregens in Manchester?

Guardiolas Gefühlsausbruch wäre am Dienstagabend eher bei seinem Gegenüber, Atlético Madrids Trainer Diego Sime­one, zu vermuten gewesen, der das Gegentor seines Teams hingegen weitgehend emotionslos zur Kenntnis nahm. Sein primäres Ziel, den Kontrahenten aus der Fassung zu brin­gen, hatte er durch Guardiolas Flaschenwurf offenkundig erreicht. Bei seinem Jubel ließ Guardio­la unverkennbar seinem Unmut freien Lauf, der sich wohl aufgrund der Spielweise des Gegners, der Darbietung seiner Elf und der vorangegangenen Berichterstattung an­gestaut hatte. Der Guardian fasste die Stimmungslage so zusammen: Zwar hatte Atlético verloren, es fühle sich aber nicht so an, als hätte Manchester City gewonnen.

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Schon tags zuvor hatte Guardiola auf der Pressekonferenz einen bemerkenswerten Einblick in seinen Gemütszustand gewährt, als er den Vorwurf des taktischen Messianismus in bedeutenden Cham­pions-League-Spielen mit Sarkasmus konterte. Ja, er denke "immer zu viel" nach und liebe es, "dumme Taktiken" zu entwerfen, spottete er: "Morgen werden wir mit zwölf Mann spielen!" Obwohl ein unerlaubter zusätzlicher Offensivspieler wohl tatsächlich ein vielversprechender Ansatz wäre gegen das Abwehrbollwerk des spanischen Meisters, verzichtete Guardiola darauf - aber in der Startelf halt auch auf Phil Foden, 21, seinen hochveranlagten Spielmacher.

Simeones folgenreiche Fehleinschätzung

Offensichtlich traute Guardiola Foden nicht zu, in diesem richtungsweisenden Viertelfinal-Hinspiel die Balance aus Sicherheit und Risiko richtig abzuwägen. Die war dringend nötig, schließlich ist kaum eine Mannschaft mehr auf Balleroberungen und Tempogegenstöße gedrillt als At­lético, das in Manchester einmal mehr jede Initiative verweigerte. Für Foden spielte der Mittelfeldallrounder Bernardo Silva auf der Position des Mittelstürmers, Guardiola legte mit dieser überraschenden Personalrochade unfreiwillig den eigenen Angriff lahm: In der ersten Halbzeit gab City keinen Schuss aufs Tor ab.

Vielmehr entlarvten die zahlreichen, für das ballgewandte Manchester völlig unüblichen Fehlpässe die Furcht des Favoriten vor einem neuerlichen Scheitern in der Königsklasse. Die Nervosität in Verbindung mit der Ereignislosigkeit auf dem Spielfeld führte zu einer unterschwelligen Unruhe im Stadion, die offensichtlich auch die City-Profis erfasste. Mehrmals versuchten die Spieler sogar im Stil von Atlético zum Erfolg zu kommen, indem sie nach banalen Zweikämpfen laut Elfmeter forderten. Der Guardian analysierte, dass Atlético dem Tabellenführer der Premier League "die Freude am Spiel, am Fußball, ja sogar am Leben" genommen habe. Aus dieser Drohkulisse schien sich City kaum selbst befreien zu können - bis Simeone eine folgenreiche Fehleinschätzung unterlief.

Nicht zu stoppen: Phil Foden (re.) zieht an Madrids Verteidiger Geoffrey Kondogbia vorbei. (Foto: Dave Thompson/AP)

Nach einer Spielstunde wechselte Simeone die von Guardiola gefürchteten Konterspieler Antoine Griezmann und Marcos Llorente aus sowie Kapitän Koke, um die Spielintensität hoch zu halten. Doch diese Maßnahmen bewirkten das Gegenteil, weil sie Guardiola ermutigten, mit der Hereinnahme von Foden und Mittelstürmer Gabriel Jesus doch noch der gewohnten Offensivstärke zu vertrauen. Nur 78 Sekunden nach seiner Einwechslung leitete Foden mit einer genialen Täuschung und einem ebenso genialen Zuspiel durch die Beine des Atlético-Verteidigers Reinildo den Siegtreffer zum 1:0 durch Kevin De Bruyne (70.) ein. "Kein Verteidiger, ja nicht mal das Auge selbst" sei in der Lage gewesen, den drei Richtungswechseln von Foden innerhalb einer Sekunde zu folgen, schrieb der Guardian.

Atléticos Koke kontert Guardiola auf Instagram

Nur, genügt dieser eine Geniestreich für City als Polster für das Rückspiel in Madrid am kommenden Mittwoch? Wegen der vor dieser Saison gekippten Auswärtstorregel reicht Atlético vor heimischem Publikum bereits ein einfacher Sieg, um die Hinspiel-Niederlage zu egalisieren. Direkt nach dem Spiel stellten die englischen Medien den Wert des knappen Erfolgs deswegen infrage. Am TV-Mikrofon rief De Bruyne den Nörglern zu, jeder, der sich über Citys mitunter einfallslose Leistung mokiere, solle lieber selbst "auf dem Trainingsplatz" nach einer Lücke in einer so dicht besiedelten Abwehr suchen. Ähnlich erbost reagierte Guardiola, der das Herausspielen von Torchancen gegen eine ultradefensive Madrider 5-5-0-Formation als "sehr schwierig" geißelte - "egal ob in der Steinzeit, heute oder in 100 000 Jahren", sagte er.

Auf Instagram konterte Atléticos Koke, in die Historie seines Klubs schon "in der Steinzeit" verliebt gewesen zu sein. Erstmals seit Beginn der Datenerfassung vor knapp zwei Jahrzehnten gelang es den Madrilenen zwar nicht, zumindest einen einzigen Torschuss abzugeben. An dieser Bilanz schien sich aber kein Spieler und erst recht nicht Trainer Simeone zu stören. Denn sein Plan ging auf: ein Ergebnis in Manchester zu erzielen, mit dem er die Chance wahrt, Pep Guardiola in der nächsten Woche richtig wütend zu machen.

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