Es war ja nicht irgendeine Mannschaft, die da gerade im eigenen Stadion vom FC Schalke 04 besiegt und gedemütigt worden war. Es war Inter Mailand, Titelverteidiger in der Champions League, italienischer Meister, Pokalsieger, Supercupgewinner, Weltpokalsieger, Gewinner aller gewinnbaren Titel, mithin aktuell erfolgreichster Klub des Erdballs, und wenn sie nicht in fernen Galaxien ebenfalls diesem seltsamen Spiel namens Fußball frönen: aktuell erfolgreichster Klub des Kosmos, der vermutlich sogar einer Auswahl von Engeln mindestens ein Unentschieden abtrotzen würde.
Und dann kam Raúl: Schalkes Spanier erzielte gegen Inter das 3:2.
(Foto: AP)Aber gegen Schalke? Keine Chance. 2:5 (2:2) hat Inter das Hinspiel des Viertelfinales der Champions League gegen die Mannschaft aus dem Gelsenkirchener Stadteil Buer verloren, es war ein denkwürdiger Abend, an dem beide Teams ein denkwürdiges Spiel boten. Schalke hat nun alle Möglichkeiten, sich am Mittwoch in einer Woche im Rückspiel fürs Halbfinale zu qualifizieren.
Es war eine Nacht wie im Rausch, und was sagt man da als Trainer? Singt man eine Arie in die Mikrofone, stößt man spitze Schreie aus, redet man ohne Punkt und ohne Sinn? "Wir stehen noch nicht im Halbfinale", sagte Ralf Rangnick so sachlich, als bewürbe er sich für den Ehrenvorsitz des Bundesverbands der Stoiker. "Wir haben am Samstag wieder ein Spiel in der Bundesliga", sagte er im wohl glücklichsten Moment seiner Laufbahn und erkannte: "Und wenige Tage später haben wir dann wieder ein Spiel."
Rangnicks glücklichster Moment
Die Spieler Inters waren zu diesem Zeitpunkt in den Katakomben verschwunden. Sie waren geschockt, obwohl man in Mailand ja durchaus wusste, was sich hinter diesem denkbar unitalienischen Wort verbirgt: "Schalke", das ist den Interisti ein Begriff, seit die Männer aus Gelsenkirchen Inter im Finale des Uefa-Cups im Jahr 1997 besiegten; die Mannschaft erhielt damals den Ehrentitel "Eurofighter". Wie soll man jetzt die Männer von 2011 nennen, nach diesem Abend, nach diesem Spiel?
Und wie erst, wenn sie den ganzen Weg gehen, bis zum Titel? Nun, dieser Gedanke ist freilich arg weit hergeholt, aber ebenso absurd erschien vor diesem Dienstagabend die Vorstellung, Schalke könnte auch nur die kleinste Chance haben gegen dieses Weltklasse-Ensemble mit Eto'o, Sneijder, mit Cambiasso, Milito. Schalke eroberte Mailand, Schalke verzauberte Mailand, Schalke wuchs über sich hinaus bis in den Himmel und erschuf ein großes Märchen des Fußballs.
Allein, wie das Spiel begonnen hatte: In der Philharmonie würde das Publikum sich die Ohren zuhalten, wenn das Orchester zu Beginn einfach mal alle Instrumente in voller Laustärke erklingen ließe, im San-Siro-Stadion, einer Oper des Fußballs, waren die Menschen hingegen zunächst noch begeistert davon, dass die Partie umgehend Getöse, Action und Lärm entfaltete, und davon, dass allein in der ersten Minute mehr passierte als in manchem Bundesligakick.