Champions League: FC Bayern:Sehnsucht nach Kohler

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Die großen Saisonziele hat der FC Bayern verpasst - da kann Louis van Gaal auch Trainer bleiben. Die strategischen Konsequenzen, die der Klub aus dem 2:3 gegen Inter Mailand ziehen muss, erweisen sich jedoch als schwierig.

Carsten Eberts, Fröttmaning

Louis van Gaal starrte den Reporter an. Lange und ausgiebig. Fast bedrohlich, als hätte dieser soeben vor laufender Kamera über die sicherlich formidablen Pfannkuchen von van Gaals Ehefrau Truus gelästert oder noch Schlimmeres von sich gegeben. Tatsächlich wurde der Niederländer nur gefragt, ob er nach der schmerzlichen 2:3-Niederlage gegen Inter Mailand noch Trainer des FC Bayern bleibe. Van Gaal schwieg eisern - und sagte leise: "Ja, natürlich."

Nur noch acht Spiele: Bayern-Trainer Louis van Gaal. (Foto: dapd)

Die Ehe zwischen dem Niederländer und den Bayern ist nach dem Aus in der Champions League endgültig vorbei, mit ihr die Hoffnung auf ein Happy End jeglicher Art. Beiden Parteien bleibt als letztes Ziel, die Qualifikation zur Champions League zu erreichen, das Gesicht zu wahren, bevor es auseinandergeht. "Das war absolut ein Stich ins bayerische Herz", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nach dem Spiel: "Aber wir haben das so besprochen und deshalb werden wir auch bis zum Saisonende weiter zusammenarbeiten, um unser Ziel noch zu erreichen."

Übersetzt hieß das: Er ist halt da. Was sollen wir machen?

Für das Erreichen von Ligaplatz drei, dem erklärten Mindestziel, müssen Siege her, schon am Samstag beim SC Freiburg, wenn die Bayern versuchen, den Rückstand auf Hannover (zeitgleich gegen 1899 Hoffenheim) weiter zu reduzieren. "Ich werde alles versuchen, um meine Spieler aus diesem Loch zu holen", erklärte van Gaal mit gleichfalls leerem Blick. Wie das gehen soll, wurde er noch vorsichtig gefragt. Van Gaal: "Das weiß ich auch noch nicht."

Die "unterschiedliche Auffassung über die strategische Ausrichtung", wie es der Klub im Trennungsschreiben an seinen Trainer trocken formulierte, wurde gegen Mailand überdeutlich: Als Franck Ribéry, Thomas Müller und Mario Gomez beste Chancen vergaben, war fast zwangsläufig klar, dass die Tore hinten fallen würden. Van Gaal hat die Bayern zu einer Mannschaft erzogen, für die alle Spiele "hop" oder "top" ausgehen - ein offensives Gebilde, das hinten zusammenbricht, wenn die entlastenden Tore vorne nicht fallen wollen.

Zur allseitigen Überraschung bekannte nach dem Spiel selbst van Gaal: "Die Niederlage war die Konsequenz aus unserer Identität." Deutlicher geht es wohl nicht.

Unter diesem Eindruck scheint die anstehende Verpflichtung eines Trainers wie Jupp Heynckes nur logisch. Der FC Bayern wünscht sich konservativeren Fußball, weniger risikoreich und experimentell. Laut Medienberichten dieser Tage deutet alles auf diese Lösung hin: Heynckes' dritte Amtszeit soll nur noch Formsache sein, die Bayern verhandeln offenbar mit keinem anderen Kandidaten, Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler bekannte längst, dass sein Klub bereits einen "Plan B" in der Tasche habe. Den Plan für die Zeit nach Jupp Heynckes.

FC Bayern: Einzelkritik
:Schreikrämpfe nach dem Abpfiff

Breno ist bis zum späten 2:3 immerhin ein vages Versprechen, Arjen Robben bis zur Verletzung ein Ereignis und Franck Ribéry eine Entdeckung - die Bayern gegen Inter in der Einzelkritik.

Andreas Burkert, Fröttmaning

Es ist nicht schwer zu erraten, wie die sonstige Personalpolitik des FC Bayern in der Sommerpause verlaufen wird. Wuchtig dürfte sie werden und spektakulär, damit automatisch auch kostspielig. Die Bemühungen um Schalke-Keeper Manuel Neuer dürften nach dem Aus in der Champions League eher verstärkt werden. Außer Frage steht, dass zudem mindestens ein Innen- und ein Außenverteidiger geholt werden sollen. Auf ein Experiment wie unter van Gaal, der sich zugunsten des vorhandenen Personals gegen teure Zugänge aussprach, wird es nicht mehr geben.

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Andreas Burkert, Fröttmaning

Die Frage ist, wer kommen soll. Die große Zeit herausragender Innenverteidiger, die sich mit hundertprozentiger Sicherheit in eine Mannschaft verpflanzen lassen, ist vorbei. Ihre Berufsbezeichnung im modernen Fußball bringt mit sich, dass sie Spiele eher alleine verlieren als gewinnen; spätestens seit die Mannschaften auf gehobenem Niveau verstanden haben, wie eine handelsübliche Viererkette zu knacken ist. Den Prototypen des robusten, nervenstarken Haudegens, wie etwa Jaap Stam einer war, gibt es nicht mehr.

Wer könnte den Bayern also weiterhelfen? Das Anforderungsprofil ist klar: Der Spieler müsste nicht nur komplizierte Manöver beherrschen, sondern auch die einfachen Dinge: Einen Ball wuchtig klären (siehe Breno), bevor das entscheidende Dribbling (gegen Eto'o) überhaupt verloren gehen kann.

Doch die Klassenbesten aus Barcelona werden kaum den Weg nach München finden. Und auch in der Bundesliga gibt es kaum Kandidaten. Der einfache Reflex früherer Jahre, den ligaweit besten Innenverteidiger wegzukaufen (1989 Kohler, 2004 Lúcio, 2006 van Buyten), funktioniert in diesem Jahr nicht. Deutschlands neuer Vorzeigemann, der Dortmunder Mats Hummels, hat sich gerade erst eindrucksvoll gegen eine Zukunft in München entschieden. Die Kandidaten dahinter, etwa Hummels Kollege Neven Subotic oder der Hannoveraner Emanuel Pogatetz, haben ebenfalls langfristige Verträge.

Bleibt die Frage, ob sich weitere Spieler gegen eine Zukunft in München entscheiden könnten. Ausgerechnet Arjen Robben deutete nach dem Spiel an, wie wichtig das Erreichen der Königsklasse persönlich für ihn sei. "Ein Verein wie Bayern München muss in der Champions League spielen", sagte der Niederländer: "Wenn ich weiß, dass wir nur Europa League spielen nächstes Jahr, dann kann ich mir das nur sehr schwer vorstellen."

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