Champions League: FC Bayern:Nicht viel los

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Robben und Gomez angeschlagen, Klose glücklos, Schweinsteiger gesperrt: Beim Spiel gegen Manchester muss Louis van Gaal auf Spieler setzen, denen er das Vertrauen entzogen hat.

Klaus Hoeltzenbein

Es darf davon ausgegangen werden, dass Arjen Robben finanziell ausgesorgt hat, wenn er einmal mit dem Fußball aufhört, doch falls nicht: Er hat noch andere Talente. In der medizinischen Schnelldiagnose auf dem Rasen beispielsweise macht ihm kaum jemand etwas vor. Robben weiß sofort, wenn es vorbei ist. Erst ein tastender Griff an die linke Wade, dann eine kategorische Da-geht-gar-nichts-mehr-Geste zur Bank des FC Bayern - kurz vor Abpfiff war das Spiel beendet, das für Robben mit einer Einwechslung zur Halbzeit erst begonnen hatte.

Seinem hochsensiblen Athletenkörper sollte eigentlich viel Schonung gewährt werden nach jenem atemraubenden 70-Meter-Solo drei Tage zuvor zum 1:0-Sieg im DFB-Pokal bei Schalke 04 und vor dem Festspiel-Dienstag im Viertelfinale der Champions League gegen Manchester United. Doch nun wird der fragile Filigran wohl ausgerechnet gegen ManU fehlen, seine erste Felddiagnose hatte auch am Sonntag noch Bestand: Zerrung der linken Wade, Einsatz unwahrscheinlich.

Kleine Muskelfasern, große Folgen. Die Robben-Verletzung war die dramaturgisch passende Pointe eines aus Münchner Sicht völlig verkorksten Nachmittags. Was für die Tabelle zählt, sind die Fakten: Wie schon in der Woche zuvor beim 1:2 in Frankfurt, konnten die Bayern auch beim 1:2 (1:1) gegen den VfB Stuttgart eine 1:0-Führung nicht behaupten. "Zwei Niederlagen hintereinander - das passiert nicht oft", grübelte Mark van Bommel, der Kapitän jenes Klubs, der nun mit einem Zwei-Punkte-Rückstand zum Spitzenspiel am Ostersamstag nach Schalke reist.

Schwerer zu deuten sind die internen Stimmungen bei den Münchnern -, und dass da am Samstag einiges in Schieflage geraten sein könnte, darauf deutete nicht nur der optische Eindruck im Stadion hin, sondern auch eine Kernbotschaft von Miroslav Klose, dem vereinsamten Mittelstürmer. Angesprochen auf den Doppelwechsel zur Pause, als Arjen Robben und Frank Ribéry vom Publikum mit einem orkanartigen Erlöser-Beifall empfangen wurden, sobald sie nur die kunterbunten Schuhe schnürten, sagte er: "Das sind zwei Spieler, die ein Spiel allein entscheiden können. Aber man muss auch bedenken, dass neun andere auf dem Platz sind, die die Drecksarbeit machen."

Eingewechselt wurde die Prominenz, für sie ausgewechselt wurde das Tor: Danijel Pranjic, der in der 32. Minute die Flanke zum 1:0 gab, und Ivica Olic, der sich im Stile eines Kung-Fu-Kämpfers dem Ball entgegenwarf. Der Plan war klar, aber er ging nicht auf. Eine ermattende Stuttgarter Abwehr sollte von den Dribbelkünstlern Robben/Ribéry über die Flügel aufgerissen werden, doch die Elf fand "keine Lösungen" mehr, wie Bayern-Stratege Louis van Gaal beklagte.

Auf dem Statistik-Zettel, den die Münchner später verteilen ließen, stand hinter der Rubrik "Torschüsse" die Ziffer"9" - doch wer streng rechnete und nach dem 0:1 nur noch die ernsthaften Prüfungen für Jens Lehmann in die Wertung nahm, dem blieb eine "1". Ein einziges Mal noch, bei einem Klose-Kopfball Mitte der zweiten Halbzeit, musste der VfB-Torwart stabil an der richtigen Stelle stehen. Da Trainer naturgemäß auch Spekulanten sind, bleibt festzustellen, dass sich Louis van Gaal an diesem Tag verzockt hat: Warum er Olic, seiner vitalsten Sturmkraft, zur Pause das Vertrauen entzog, blieb sein Geheimnis.

Zumal die Rolle des Miroslav Klose schon bis zum ManU-Spiel dringendst einer Überarbeitung bedarf. Zu sehr reiht sich Klose unter besagte Drecksarbeiter ein, die Fleißpunkte in der eigenen Hälfte sammeln, zu selten ist er dort zu Gast, wo ein Stürmer erwartet wird: in des Gegners Strafraum, in the box, wie die Risikozone in England genannt wird.

Die Hilfsdienste mögen Kloses sozialer Ader geschuldet sein, gewiss auch der bitteren Erkenntnis, dass das Duo Robben/Ribéry seinen Promibonus auslebt, doch die Folgen für die Struktur der Bayern-Elf sind gravierend: Vorne, im Zielbereich, fehlte nicht nur gegen den VfB Stuttgart die Zuspitzung. Da auch beim Kollegen Mario Gomez zuletzt die Muskelfasern streikten, flogen bei vielen im Publikum ein paar sehnsüchtige Gedanken gen Süden.

Denn gerade dieses Spiel gegen Stuttgart wäre eines für den Stürmertypus Luca Toni gewesen, für einen, der vorne drückt und schiebt, der präsent und lästig ist und manchmal etwas Verbotenes versucht. Luca Toni gehört noch den Bayern, am Samstag traf er für den AS Rom; nach dem Siegtor gegen Inter Mailand zeigte er dort seinen berühmten Ohrenschrauber. Falsch war es nicht, perspektivisch auf den sperrigen Toni zu verzichten, falsch aber ist es, dessen zentrale Rolle nicht stets neu zu besetzen.

Chance für Altintop oder Timoschtschuk

"Ich bedanke mich für die Mühe, die sie sich gemacht haben", sprach Louis van Gaal auf der Pressekonferenz salbungsvoll in Richtung seiner Spieler. Es sind strapaziöse Tage, in denen viel zu gewinnen und viel zu verlieren ist. Gesundbeten kann er Robben bis zum Dienstag nicht, aber er wird seinen Kader umstellen müssen, zumal der im Mittelfeld nahezu unersetzliche Bastian Schweinsteiger eine Gelbsperre absitzt.

Louis van Gaal wird auf Spieler setzen müssen, denen er das Vertrauen eigentlich entzogen hat: auf Altintop oder Timoschtschuk zum Beispiel, Reservisten, die auch einmal prominent und wertvoll waren. Am Samstag saßen beide bei Anpfiff neben Robben und neben Ribéry. Da genossen sie ein Privileg. Sie saßen auf der teuersten Bank der Welt.

© SZ vom 29.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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