FC Bayern in der Champions League:Kann man so machen

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Gemeinschaftlich entspannter Jubel: Der FC Bayern gestaltete den Champions-League-Auftakt in Mailand recht souverän. (Foto: Marco Luzzani/Getty Images)

Insgesamt souverän startet der FC Bayern in die neue Champions-League-Saison. Beim 2:0 in Mailand bemühte sich die Offensivreihe, Diskussionen um eine fehlende Lewandowski-Präsenz zu beenden.

Von Christof Kneer, München/Mailand

Vor der Saison hat Julian Nagelsmann gelobt, er wolle die taktischen Aufträge an seine Spieler künftig etwas einfacher gestalten. Wie einfach, das hat er nicht verraten, aber wer die ersten Minuten dieser Champions-League-Auftaktpartie bei Inter Mailand verfolgte, der sah Nagelsmann förmlich vor sich, wie er seinen Spielern unmittelbar vor Spielbeginn noch mal zurief: Schießt! Schießt aus der Entfernung! Die haben heute nur den Ersatztorwart im Tor! Nach zweieinviertel Minuten zog Joshua Kimmich zum ersten Mal von der Strafraumgrenze ab, nach zweidreiviertel Minuten ein zweites Mal, aber beide Male parierte André Onana, der bei Inter überraschend im Tor stand.

Nach 20 Minuten hatte es Kimmich bereits auf vier Schüsse gebracht, aber noch entschied der kamerunische Nationaltorwart dieses Privatduell für sich. Okay, dachte Kimmich, dann halt anders: Fünf Minuten später sandte er einen weiten Pass in Richtung von Onanas Strafraum, Leroy Sané schnappte sich die Luftpost, umkurvte den Keeper und erzielte jenes 1:0, das Kimmich nicht vergönnt war - es war jene Führung, die die Richtung vorgab und den Münchnern einen insgesamt souveränen Start in die neue Champions-League-Saison ermöglichte. Ein weitgehend ungefährdetes 2:0 in Mailand: Das kann man so machen.

Dass Inters Trainer Simone Inzaghi den Torwart getauscht hatte, passte gut zu dieser Partie, in der sich zunächst zwei mittelmäßig gelaunte Mannschaften begegneten. Beide hatten kein schönes Wochenende gehabt. Inter hatte das Stadtduell gegen den AC Mailand verloren, und die Bayern hatten bei Union Berlin verbotenerweise nur 1:1 gespielt, was insofern erstaunte, weil sie zuvor gegen Gladbach auch nur 1:1 gespielt hatten.

Beide Trainer rotierten - jedoch aus unterschiedlichen Gründen

Während Inter-Coach Inzaghi seine Unzufriedenheit durch mehrere Wechsel zum Ausdruck brachte und etabliertes Personal wie Stefan de Vrij, Nicolò Barella oder eben den Torwart Samir Handanovic auf die Bank strafversetzte, begründete sein Kollege Nagelsmann seine Aufstellung mit purem Luxus. "Wir müssen rotieren, auch wenn die Leistung zuvor gepasst hat", sagte der Trainer, was so viel heißen sollte wie: Seid nicht beleidigt, ihr Gnabrys, Musialas und Upamecanos, ihr gehört genauso dazu.

Einen tadellosen dunkelblauen Anzug trug Nagelsmann, und auch dem frisch angesäten Zweidreivierteltagebärtchen gelang es nicht, den festlichen Eindruck zu trüben, den der Trainer offensichtlich hinterlassen wollte. Mehr denn je dürfte die Champions League in dieser Saison ja der Wettbewerb werden, an dem sich die Bayern messen lassen müssen - erst recht, weil sie den Wettbewerb beim letzten Mal gegen ein Team namens Villarreal verlassen mussten, verbotenerweise im Viertelfinale. Der Mannschaft ist dieser Auftrag offenkundig bekannt, es gab jedenfalls von Beginn an keine Probleme mit dem "Energielevel", das Nagelsmann am vergangenen Wochenende noch kritisiert hatte.

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Kimmichs frühen Schüssen folgte bald schon eine hübsch herauskombinierte Chance durch Thomas Müller (8.), die Münchner standen den Mailändern früh auf den Füßen und versuchten, sie gar nicht erst ins Spiel kommen zu lassen. Dennoch entwickelte sich erst mal ein abwechslungsreiches Spiel, in dem die Italiener immer wieder die Schnittstellen in der Münchner Deckung ansteuerten, aber nicht sauber genug fanden. Der gute, alte Bundesliga-Bekannte Edin Dzeko hat die Bayern vor 13 Jahren schon mal zur Weißglut getrieben, damals stürmte er in Wolfsburg neben einem Naturereignis namens Grafite (Wolfsburg wurde dann Meister, verbotenerweise). Diesmal ersetzte Dzeko das Naturereignis Romelu Lukaku, der verletzt fehlte, was dem Vortrag der Mailänder trotz einer guten Chance von Lautaro Martínez einiges an Wucht nahm.

Müller, Mané und Sané gaben sich Mühe, die vermeintlich fehlende Lewandowski-Präsenz im Strafraum aufzufangen

Bayerns Führungstor war dann aber schon eine natürliche Folge des Spielverlaufs. Die Italiener hatte nun etwas der Mut verlassen, sie wichen ein bisschen zurück, was den Bayern die Gelegenheit gab, einigermaßen geduldig die flinken Füße im Sturm zu suchen. Man darf im Moment ja weder sagen noch schreiben, dass Robert Lewandowskis Präsenz im Strafraum fehlt (also: pssst!), und so gaben sich Thomas Müller, Sadio Mané und Leroy Sané auch rechtschaffen Mühe, den Strafraum stets besetzt zu halten. Vor allem Müller agierte als eine Art Rückraum-Mittelstürmer, immer wieder wurde er gesucht und gefunden, aber der vermeintliche Ersatztorwart von Inter war gar nicht so schlecht.

Zweimal machtlos: Inters Ersatztorwart André Onana (rechts) parierte gegen die Bayern mehrmals stark - zwei Gegentreffer musste er dennoch hinnehmen (hier das 1:0 von Leroy Sané). (Foto: Eibner/Memmler/Imago)

Die Bayern hätten es sich nun leichter machen können, ein 2:0 war möglich und hätte ihnen vermutlich eine Menge Arbeit erspart (dass Marcel Sabitzer eine große Chance in jener Minute vergab, in der im Parallelspiel in Barcelona gerade Lewandowski traf, muss man den Bayern ja nicht sagen). So aber besannen sich die Mailänder nach der Pause auf ihre Verpflichtung als Heimmannschaft, sie attackierten forscher und kamen durch den guten, alten Dzeko auch zu Chancen.

Aber in jener Phase, in der Bayern bedenklich passiv wurde und die Partie ernsthaft zu kippen drohte, zauberten die Münchner ein 2:0 hervor, bei dem kein Mittelstürmer störte. Artistisch kombinierten sich Coman und Sané mit doppeltem Doppelpass durch die Abwehr, Inters D'Ambrosio bekundete seinen Respekt, indem er den Ball ins eigene Tor lenkte. Nun hatten die Bayern alles im Griff, Inter bekam jetzt Probleme mit dem Energielevel, und Nagelsmann brachte Upamecano, Gnabry und Musiala, damit die auch wirklich nicht beleidigt sind.

Und dass Lewandowski für Barcelona gleich drei Mal traf? Pssst!

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