Ajax Amsterdam:Ein Trainer fürs Fachpublikum

Lesezeit: 3 min

Erik ten Hag beim Abschlusstraining vor dem Spiel gegen die Bayern. (Foto: dpa)
  • Als Experte für Nachwuchsarbeit kam Erik ten Hag einst zum FC Bayern und wurde Trainer der U23.
  • Mittlerweile trainiert er Ajax Amsterdam und muss beim Champions-League-Auswärtsspiel in München schon einen Punkt holen, um die hohen Erwartungen zu erfüllen.
  • Hier geht es zu den Partien der Champions League.

Von Benedikt Warmbrunn, München

In seiner Funktion als Matthias Sammer ist Matthias Sammer weiterhin ein gefragter Gesprächspartner in der Welt des Fußballs. Kommt eine gute Anfrage, dann fährt er mit seinem Vertrauten Karsten Schumann los, um die Fußballwelt zu modernisieren. Im vergangenen Herbst reisten beide zum Beispiel zu einer Trainertagung in die Niederlande, 300 Zuhörer, darunter der frühere Bondscoach Guus Hiddink. Übersetzen ließ sich Sammer vom damaligen Trainer und Sportdirektor des FC Utrecht. Anschließend war er beeindruckt, nicht, weil der Dolmetscher Sammers gelegentlich von interessanten Konstruktionen geprägte Sätze flink übersetzte. Sondern weil er merkte, wie respektvoll Hiddink und die 299 anderen auf diesen Mann blickten: "Es war zu spüren, welche Achtung und Wertschätzung er genießt", erinnert sich Sammer.

Sammer kennt diesen geschätzten Mann schon länger. Bevor er Erik ten Hag als Übersetzer auswählte, verpflichtete er ihn in seiner Zusatzfunktion als Sportvorstand des FC Bayern 2013 als Trainer für die U23. Als er zuvor in Zusatzfunktion als Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund arbeitete, wollte er ten Hag als U21-Trainer holen, die Personalie scheiterte am Veto von Bundestrainer Löw.

Bayern-Trainer Niko Kovac
:"Ich sehe das alles sehr entspannt"

Auch nach dem 0:2 in Berlin bleibt Bayern-Trainer Niko Kovac ganz der geschmeidige Pragmatiker und sich treu. Für ihn ist die erste Niederlage Teil eines wichtigen Testlaufs.

Von Benedikt Warmbrunn

Ten Hag blieb lange ein Name, mit dem sich vor allem Nischenkenner wie Sammer und Schumann beschäftigten, aber inzwischen hat sich das geändert. An diesem Dienstag (21 Uhr/Dazn) betritt ten Hag die größte Bühne seiner Trainerkarriere: Der 48-Jährige spielt in der Champions League beim FC Bayern vor, und zwar mit Ajax Amsterdam.

Für Sammer ist ten Hag "ein moderner Trainer"

Der niederländische Rekordmeister ist der Klub, der der Fußballwelt Johan Cruyff schenkte, vielleicht war es auch umgekehrt. Es ist der Klub, der Trainer hatte wie Rinus Michels oder Louis van Gaal. Es ist ein Klub, der mit so viel Geschichte daherkommt wie nur wenige Klubs in Europa. Es ist also kein Klub für Namen, mit denen sich Nischenkenner beschäftigen.

Dass Ajax seit dem Jahreswechsel von ten Hag trainiert wird, sieht auf den ersten Blick nach einer kleinen Lösung aus. Ten Hag hatte als defensiver Mittelfeldspieler eine ordentliche Karriere, für ein Länderspiel reichte es nicht. Auch seine Trainerkarriere blieb lange eine im Hintergrund. Er arbeitete als Assistent in Enschede und Eindhoven, es waren Jahre, in denen er sich einen Ruf als Experte für Nachwuchsarbeit machte; es waren Jahre, in denen Sammer und Schumann auf ihn aufmerksam wurden. "Er hat eine klare Linie und Denkweise, dennoch ist er offen für die Entwicklungen des Fußballs. Das ist für mich ein moderner Trainer", sagt Sammer. "Er denkt ballorientiert, aber anders als viele holländische Trainer würde er nie so lange an seinem System festhalten, dass er untergeht", sagt Schumann.

Nach dem Aufstieg in die Eredivisie mit den Go Ahead Eagles ging ten Hag nach München. Er wurde Meister mit Bayern II in der Regionalliga, der Drittliga-Aufstieg in der Relegation stand eigentlich fest, doch dann ließ Torwart Raeder einen harmlosen Ball durch die Hände rutschen: "Im Fußball ist Perfektion unerreichbar, aber im ersten Jahr waren wir ihr unglaublich nahe. Eigentlich haben nur wenige Sekunden zu einer perfekten Saison gefehlt", erinnert sich ten Hag.

Eine Woche vor dem Spiel in München nimmt sich der Ajax-Trainer im Auto Zeit für ein Telefonat, über das Spiel will er aber nicht reden. Für ihn ist es der zweite Tag nach einem 0:3 gegen das von Mark van Bommel trainierte Eindhoven. Seitdem beträgt der Rückstand von Ajax in der Tabelle fünf Punkte. Für das ambitionierte Umfeld des Klubs sind das mindestens fünf Punkte zu viel, obwohl Ajax zuletzt 2014 einen Titel gewonnen hat. Die Zeitungen schreiben von schweren Zeiten für ten Hag, aber er bleibt gelassen. Er kennt das Spielchen inzwischen ganz gut: "Wenn du bei Bayern gewinnst, ist alles gut. Verlierst du, ist alles schlecht", sagt ten Hag. "So ist es auch bei Ajax - aber wirklich gut ist es nur, wenn du auch noch schönen Fußball spielen lässt." Der Weg dorthin sei allerdings noch weit.

Sammer aber schwärmt von ten Hags Ajax, seit er sich im Juli die Qualifikationsspiele gegen Sturm Graz (trainiert von Heiko Vogel, 2015 ten Hags Nachfolger bei Bayern II) angeschaut hatte: "Ajax hat eine gute Organisation, dazu eine gewisse Flexibilität. Sie bauen ihr Spiel ballsicher aus der Abwehr auf, rennen nicht kopflos nach vorne, sondern suchen Lücken."

"Wenn er Zeit bekommt, wird er alle belohnen"

Schumann sagt, er sehe bei Ajax "die Handschrift von Erik", für ihn ist das auch ein Resultat des langen, unbeirrbaren Weges nach oben. Schumann glaubt, dass dieser persönliche Weg von ten Hag auch noch nicht zu Ende ist: "Wenn ich mich festlegen sollte, wer der nächste Bondscoach werden könnte, dann gibt es für mich zwei Namen: van Bommel - und Erik."

Und in der Champions League? Sammer sagt, er traue Ajax den zweiten Platz hinter den Bayern zu. Ob das als Erfolg gezählt würde, da ist auch er sich unsicher. "Ich hoffe, dass Ajax mit seinen allerallerallerallerhöchsten Maßstäben für Erik nicht einen Ticken zu früh war. Aber wenn er Zeit bekommt, wird er alle belohnen."

Ein Punkt in München wäre dafür nicht schlecht. Noch besser wäre es natürlich, wenn Ajax dabei schönen Fußball spielt.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Spannung in der Bundesliga
:Auch für die Bayern gibt es Grenzen

Sollte man sich freuen, dass der BVB Tabellenführer ist? Unbedingt - die Münchner Alleinherrschaft trägt ja diktatorische Züge. Dortmund hat sogar etwas zu bieten, was der FC Bayern nicht hat.

Kommentar von Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: