Champions League: AS Rom - FC Bayern:Schwere Turbulenzen in Rom

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Auf unnötige Weise verliert der FC Bayern trotz sicherer 2:0-Führung in der Schlussphase beim AS Rom. Nach dem 2:3 ist der Champions-League-Startrekord dahin - die Laune beim kriselnden Klub sowieso.

Es hätte ein ruhiger Betriebsausflug sein können, nach Rom, in die ewige Stadt, mit vier Siegen im Gepäck und der schon sicheren Zulassung für das Achtelfinale der Champions League. Ruhe aber mögen sie scheinbar nicht besonders beim FC Bayern, diesem ewig Reizpunkte setzenden Verein mit den vielen selbstbewussten Menschen in Führungsämtern. Seit Präsident Uli Hoeneß neulich mit Kalkül den Trainer kritisiert hat, ist die Stimmung im Hause herrlich heikel.

Siegtor für den AS Rom: Francesco Totti (in der Bildmitte) trifft per Elfmeter. (Foto: AFP)

Seinerseits eröffnete Louis van Gaal soeben ziemlich unnötige Debatten mit dem Vorstand: über die Zukunft des Spielers Schweinsteiger und seine eigene Hoheit bei der Aufstellung; auch Franck Ribéry grummelte vor dem Flug nach Italien mal wieder über den Trainer. Der sportliche Teil der Reise verlief dann ebenfalls turbulent und recht unerfreulich: Durch ein 2:3 beim AS Rom verloren die Bayern erstmals in der Gruppe E, nach klarer 2:0-Führung und zwei Gegentreffern in der Schlussphase.

Mario Gomez - wer sonst ? - erzielte beide Tore, mit einem elegant geschnürten Doppelpack (34./39.) vor der Pause setzte der Stürmer seinen Spätherbst der Frühlingsgefühle fort. Borriello (49.) verkürzte für die Roma, ehe de Rossi (81.) und Totti per Elfmeter (84.) das Ergebnis noch abrupt drehten. Den Gruppensieg, der die Aufgabe in der ersten K.o- Runde mutmaßlich erleichtert, haben die Bayern trotzdem sicher.

Andere angenehme Nebeneffekte wurden hingegen leichtfertig verschenkt: Die Bundesliga hätte weitere wertvolle Punkte für die Uefa-Fünfjahres-Wertung erhalten, in der Italien überholt werden soll. Und auch van Gaals Bitte, man möge sich wegen der schlechten Notierung im nationalen Spielbetrieb "etwas Selbstvertrauen für die Bundesliga holen", blieb unerhört.

"Es ist unglaublich, ein Spiel zu verlieren, in dem wir so dominant angefangen haben", haderte van Gaal. Die Dramaturgie des Abends erinnerte ihn an das 3:3 neulich in der Liga in Mönchengladbach. "Das kann nicht wahr sein", betonte der Trainer, den vor allem das leichtfertig kassierte erste Gegentor aufregte: "Danach bekamen die Römer die zweite Luft", erkannte auch Verteidiger Philipp Lahm die Bedeutung jener Szene.

Wie von Vorstand Rummenigge unverbindlich empfohlen, änderte der Trainer die Startelf auf drei Positionen: Ribéry bekam die gewünschte Spielpraxis, Demichelis ersetzte in der Abwehrmitte wieder den zuletzt in Leverkusen mäßigen Breno, und das Tor hütete, Überraschung: Thomas Kraft, der "sein großes Talent", so der Trainer, "in einem großen Spiel" beweisen sollte. Die erste Prüfung bestand der 22-Jährige nach zwei Minuten mühelos: AS-Stürmer Borriello zielte auf die Tormitte. Die zweite Prüfung, ein Rückraum-Schuss von Greco, war schon schwerer, Kraft hechtete gekonnt ins bedrohte Toreck, nach 23 Minuten.

Die Bayern brauchten 33 bis zur ersten nennenswerten Torchance - und führten sofort 1:0: Ribéry, wie gewohnt dem linken Flügel zugeteilt, tauchte diesmal im rechten Teil des Strafraums auf und setzte mit einem hübschen No-look-Pass aus dem Fußgelenk Gomez ins Szene. Der schießt derzeit auch dann ins Tor, wenn er den Ball gar nicht voll trifft, wie bei diesem 1:0. Beim 2:0 (39.) benutzte Gomez dann den Außenrist, diesmal bediente ihn Thomas Müller mit einem sanften, ebenfalls sehenswerten Steilpass. Körpersprache und taktisches Verhalten mancher Römer waren ähnlich sonderbar wie im Hinspiel (0:2), so diktierten die Bayern bis dahin routiniert das Geschehen, ohne sich zu verausgaben.

AS Rom - FC Bayern
:Kraftvoll verloren

Mario Gomez trifft in "Weltklasse"-Manier, Torhüter Thomas Kraft hält erst bravourös, verursacht dann den entscheidenden Elfmeter: Die Bayern verlieren 2:3 beim AS Rom.

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Gleich nach der Pause riss der Faden, wie schon häufiger in jüngster Zeit verlor Bayerns Defensive allzu leicht Ordnung und Rhythmus, sobald der Gegner taktisch umstellte und aufs Gaspedal drückte. Ein leichter Ballverlust nach eigener Ecke wurde - bei 2:0-Führung - zu einer Konter-Einladung für die Römer. Der Franzose Menez spurtete Timoschtschuk davon, Demichelis verließ unklug die Abwehrmitte, intervenierte außen aber ebenfalls nur halbherzig. So konnte Stürmer Marco Borriello die Hereingabe von Menez kunstvoll zum 1:2 (49.) verwerten, fast im Liegen.

Starkes Debüt in der Königsklasse: Bayerns Nachwuchskeeper Thomas Kraft. (Foto: REUTERS)

In der 61. Minute waren erneut Krafts Reflexe gefordert, um den Ausgleich zu verhindern. Wieder konnte kein Abwehrspieler Menez an der kraftvollen Vorarbeit hindern, vor dem Tor brachte der eingewechselte Simplicio den Fuß vor Philipp Lahm an den Ball, doch der junge Bayern-Torwart patschte die Kugel von der Linie und parierte auch den Nachschuss von de Rossi - für Kraft, den jungen Mann mit Ausstrahlung, die spektakulärste Szene des Abends. Kurz darauf griff er sich einen weiteren Schuss-Versuch von Simplicio sicher (68.).

Nach 73 Minuten kehrte ein weiterer wochenlang krankgeschriebener Bayer zurück: Diego Contento ersetzte Müller. Kurz darauf war der Abend auch für den Rekonvaleszenten Ribéry zu Ende, Altintop kam. Die Bayern, so schien es, hatten die Lage nun wieder halbwegs im Griff. Der Eindruck täuschte: Roms Norweger Riise enteilte am linken Angriffsflügel dem Kroaten Pranjic in dessen Rücken, seine Flanke bugsierte der vollbärtige de Rossi diesmal sicher über die Linie. Wieder wirkte das Stellungsspiel der Innenverteidiger unglücklich, 2:2 (81.).

Keine drei Minuten später ging dann auch Kraft das Glück des Europapokal- Debütanten verloren. Er verließ sein Tor einen Tick zu spät, um den von Francesco Totti freigespielten Borriello regelgerecht zu bremsen. Kraft brachte Borriello zu Fall und hatte auch beim anschließenden Elfmeter Pech. Er ahnte die Ecke, die Totti, der alte Held der Römer, anvisierte, trotzdem flutschte der Ball unter den Fingern zum 3:2 (84.) ins Netz.

"Schön, dass ich endlich einmal spielen konnte", sagte Kraft, der verhinderte Münchner Held des Abends, "aber wenn man dann noch so verliert, dann stellt einen das natürlich nicht zufrieden."

© SZ vom 24.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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