BVB:"Bayern ist mir jetzt total egal"

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Marco Reus traf in Wolfsburg per Kopf - das reichte zum Sieg für den BVB. (Foto: imago/DeFodi)
  • Borussia Dortmund holt einen Sieg nach dem anderen - dabei spielt die Elf nicht immer glanzvoll.
  • Jetzt stehen zwei große Aufgaben an: Erst geht es in Madrid in der Champions League ran - dann kommen die Bayern zum Spitzenduell.

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Diesmal bleibt kaum Zeit zum Kofferauspacken für die Dortmunder Reisegruppe, schon am Montag kurz vor Mittag startet das Flugzeug nach Spanien, wo am Dienstagabend das Champions-League-Spiel bei Atlético Madrid ansteht. Diese Aufgabe kommt den Verantwortlichen des BVB nicht ungelegen, sie lenkt zumindest noch ein wenig vom Liga-Gipfeltreffen am kommenden Samstag ab, wenn der BVB gegen den FC Bayern spielt, Tabellenerster gegen Verfolger, Team der Stunde gegen schwächelnden Branchenprimus. Nach dem 1:0 in Wolfsburg wies Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke aber alle in diese Richtung zielenden Fragen ab - mit einem kratzigen "Bayern ist mir jetzt total egal".

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Trotzdem ist der deutsche Clásico verstärkt in den Fokus gerückt nach diesem Wochenende, weil der hart erarbeitete 1:0-Sieg des BVB in Wolfsburg in der Konsequenz doch sehr eng mit den Punktverlusten der Münchner gegen Freiburg verwoben war. Die Dortmunder haben ihre Pflichtaufgabe gelöst, die Bayern eher nicht - vier Punkte beträgt der Vorsprung in der Tabelle nun, was auch heißt: Die Münchner können am Samstag anstellen, was sie wollen, der BVB um Trainer Lucien Favre wird Tabellenführer bleiben.

Dortmund bewahrt eine gewisse Lockerheit

"Geil für uns", sagte BVB-Profi Thomas Delaney, und zur Nachfrage, was denn wäre, wenn Dortmund auch dieses Spiel gewänne und dann folglich sieben Punkte Vorsprung in der Tabelle hätte, entfuhr es dem Dänen: "Das wäre richtig geil."

Ganz so euphorisch sah es die Führungsetage offiziell nicht, auch wenn ihr inoffiziell nicht entgangen sein wird, dass sich die Borussia gerade in einer Disziplin übt, in der die Bayern einst weltberühmt geworden sind. In diesen ekligen Herbstwochen, wenn es draußen kalt wird und die Spiele im Drei-Tages-Rhythmus anstehen, dann gilt es, die kleineren Aufgaben mit genau der Power zu erledigen, die eben nötig ist, um gut im Geschäft zu bleiben. Schon der 3:2-Pokalerfolg gegen Union Berlin war einer der glanzlosen Sorte gewesen.

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Und nun drei Punkte gegen Wolfsburg - aus einer ganz ähnlichen Kategorie: "Sehr, sehr wichtig" seien Siege in der aktuellen Phase, erklärte Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl, "die Ergebnisse helfen extrem, eine gewisse Lockerheit zu behalten". Kehl sagte auch, dass er sich vorstellen könne, dass es in München gerade nicht so locker zugeht: "Die stehen vielleicht noch ein Stück mehr unter Druck."

Über das Einsnull in Wolfsburg dürfte sehr bald kein Wort mehr verloren werden, außer dass es Favres 15. Pflichtspiel ohne Niederlage zum Start seines Trainerjobs in Dortmund gewesen ist, womit der Schweizer den Vereinsrekord von Thomas Tuchel aus der Spielzeit 2015/16 verbessert hat. Im Kern war es ein Arbeitssieg gegen bissige, aber wenig zielstrebig auftretende Wolfsburger, nach zuletzt rauschenden Offensivfestivitäten reichte es für den BVB gerade mal zum Tor des Tages durch Marco Reus, der dabei doppeltes Glück hatte, weil ihm erstens Delaney den Ball mit dem Ohr auflegte und dann auch noch Jerome Roussillon das Abseits aufhob, so dass Reus aus kurzer Distanz einköpfeln konnte (27.).

Ebenso viel Fortune beanspruchte Dortmund kurz vor Schluss, als Dan-Axel Zagadou so wirkungsvoll am Trikot von Marcel Tisserand zupfte, dass die Wolfsburger energisch Elfmeter forderten (87.). Mitglieder des VfL-Stabs zogen später laut schimpfend durch die Katakomben. Es sei "unsäglich", urteilte Trainer Bruno Labbadia, "das war ein klarer Elfmeter". Auch Maxi Arnold klagte: "Ein kleiner Trikotzupfer reicht, um den Bewegungsablauf zu unterbrechen." Jeder, der mal selbst Fußball gespielt hat, wisse das. Doch Schiedsrichter Daniel Siebert beurteilte die Situation anders, der Elfmeterpfiff blieb aus, die Dortmunder nahmen es dankend zur Kenntnis.

Sie fliegen nun nach Madrid, das Selbstvertrauen für diesen Trip ist zweifellos vorhanden. Nach drei Siegen aus drei Spielen ist die K.-o.-Phase der Champions League fast schon erreicht; ein Unentschieden in Madrid, dann wäre auch der Gruppensieg sehr nah. Kehl erwartet, dass die Spanier das 0:4 vor zwei Wochen gekränkt und angestachelt haben dürfte. Atlético werde "mit großer Kampfeslust in die Partie gehen", so Kehl. "Die wollen eine Reaktion zeigen", glaubt auch Spieler Manuel Akanji.

Atlético wird allerdings am Dienstag auf eine Dortmunder Mannschaft treffen, die offensiv wieder etwas mehr Wirbel veranstalten möchte als in Wolfsburg. Denn obwohl Trainer Favre seine Komplettrotation aus dem Pokal rückgängig gemacht hatte und seine vermeintlich beste Elf, inklusive Raphael Guerreiro, Jadon Sancho und des genesenen Stürmers Paco Alcácer aufgeboten hatte, kamen die Dortmunder nicht wie gewohnt ins Kontern und Kombinieren. Für Watzke war das eher ein Zeichen bewusster Kraftsteuerung als von Schwäche - "wenn du jeden dritten Tag spielst, kannst du nicht immer hurra spielen", verteidigte er die eigene Belegschaft.

Das Kalkül dürfte lauten: Lieber kein Hurra gegen Wolfsburg, dafür ein zweites Hurra gegen Atlético. Und wenn diese Partie gespielt ist, dann, in dieser Reihenfolge, auch gerne ein Hurra am Samstag gegen die Bayern.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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