Bundesliga: Streit um Polizeikosten:Wer zahlt für die Problemfans?

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Polizisten beim Spiel zwischen dem Hamburger SV und Hertha BSC im Volksparkstadion. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Seit Jahren streiten das Land Bremen und die Bundesliga darüber, wer bei Hochrisikospielen die Polizeikosten übernimmt: der Staat oder die Klubs? Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht. Die Folgen für die Liga könnten gravierend sein.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht ist, wenn es ums Grundgesetz geht, vermutlich allwissend. Aber über die Wirklichkeit draußen in der Welt sind die Richterinnen und Richter meist auch nicht viel besser unterrichtet als die normale Bürgerin. Deshalb hören sie in ihren Verhandlungen besonders intensiv den nichtjuristischen Fachleuten zu. An diesem Donnerstag ging es um den schon sehr lange währenden Streit um Polizeikosten für "Hochrisikospiele", wie sie die Freie Hansestadt Bremen seit 2015 erhebt. Und einer dieser Fachleute brachte dem Publikum im Karlsruher Sitzungssaal einen neuen Begriff mit - den Problemfan.

Der Problemfan, der genau genommen nur im Plural auftritt, bildet den Kern des Streits zwischen Bremen und der Deutschen Fußball Liga (DFL). Wenn verfeindete Gruppen solcher Fans aufeinandertreffen, kann das Geschehen leicht aus dem Ruder laufen. Die Polizei analysiert daher schon im Voraus eines Spiels das Ausmaß der Feindschaft und mithin das Eskalationspotenzial und zieht gegebenenfalls zusätzliche Polizeikräfte hinzu. Man differenziert hier sehr anschaulich zwischen Rot-, Gelb- und Grünspielen.

Den Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) treibt schon seit 2009 die Frage um, warum für solche Eskalationen eigentlich der Staat aufkommen soll. Er schilderte dem Karlsruher Gericht, wie er in der Innenministerkonferenz Jahr um Jahr für seine Position warb, ohne Erfolg. 2014 begann das Bundesland Bremen dann einen Sololauf, der bis heute anhält: Es änderte seine Gebührensatzung, nach der fortan die DFL und damit letztlich die Vereine für Hochrisikospiele zur Kasse gebeten werden konnten - nur für den zusätzlichen Aufwand bei Rotspielen wohlgemerkt, und zwar für den Polizeieinsatz außerhalb des Stadions.

Seit 2009 gab es in Bremen neun Bescheide, über insgesamt drei Millionen Euro

Premiere war eine Begegnung der Bremer mit den - im Jargon der Fans gesprochen - Erzfeinden vom Hamburger SV im April 2015, für die die Hansestadt letztlich 385 000 Euro in Rechnung stellte. Seither kam es in Bremen zur überschaubaren Zahl von neun Hochrisikospielen, deren zusätzliche Polizeikosten auf insgesamt rund drei Millionen Euro veranschlagt werden.

Die Frage, die das Bundesverfassungsgericht in einigen Wochen zu entscheiden hat, lautet also: Wer zahlt für den Problemfan? Der Steuerzahler, der die allgemeine Polizeiarbeit finanziert - mit einer Art Sicherheitsflatrate? Oder die Vereine, die den Nutzen aus dem Fußball ziehen? Fünf Milliarden Euro Umsatz habe die DFL für die Spielzeit 2022/23 gemeldet, sagte Joachim Wieland, der juristische Bevollmächtige Bremens. "Der Gewinn fließt zu den privaten Veranstaltern, die Kosten trägt der Steuerzahler?" Das könne nicht richtig sein.

Der Bremer Polizeidirektor Michael Zander schilderte dem Gericht eindrücklich, wie so eine Sicherheitsanalyse vor den betroffenen Heimspielen aussieht. Die Zahl der Problemfans spielt natürlich eine Rolle, die Tabellensituation, die Anreisewege. Jedenfalls werde viel mit der Fanszene kommuniziert, die freilich gern auch einmal konspirativ anreise. Manchmal würde ein Fanmarsch durch die Innenstadt untersagt, auch Betretungsverbote seien möglich. Oder es werden kilometerweise Sichtschutzzäune aufgestellt, damit sich die rivalisierenden Stämme gar nicht erst begegnen. "Fanstromkollisionen vermeiden", heißt das in der Fachsprache.

Gestritten wird vor allem, ob das Geschehen außerhalb des Stadions dem Veranstalter zurechenbar ist

Der eskalierende Faktor ist indes der Gegner. Der Hamburger SV in Bremen - ganz schwierig, wie gesagt, aber seit dem Abstieg in die zweite Liga auch nicht mehr regelmäßig zu Gast. Hingegen seien die Fans von Bremen und dem designierten Erstliga-Aufsteiger St. Pauli sich durchaus freundlich gesinnt.

Was das Gericht juristisch aus dem Streit machen wird, wurde in der Verhandlung nicht so recht deutlich. In den bisherigen juristischen Instanzen hat sich die DFL erfolglos gegen die Gebührenbescheide gewehrt, auch das Bundesverwaltungsgericht hielt die Bescheide für rechtens. Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltverein und Bund der Steuerzahler hielten das Bremer Vorgehen ebenfalls für rechtens.

Gestritten wird vor allem über die Frage, ob das Fangeschehen außerhalb des Stadions wirklich dem Veranstalter zurechenbar ist. Wolfgang Ewer, der Anwalt der DFL, antwortete hier mit einem klaren Nein. Die "Sachherrschaft" des Vereins beginne erst im Stadion. Dort könne er sein Sicherheitspersonal einsetzen, Kontrollen verschärfen, den Zutritt verwehren. "Fanmarsch durch die Innenstadt, Besäufnis im Bremer Steintorviertel, Trouble am Bahnhof - da hat der Veranstalter keine Möglichkeit, dies zu unterbinden."

Werder betont, wie bedeutsam die Summe für den Klub ist

Sollte Karlsruhe die Hochrisikogebühren erlauben, könnte dies in anderen Bundesländern Nachahmer finden. Von 612 Spielen in der ersten und zweiten Bundesliga sind nach Angaben des DFL-Direktors Jürgen Paepke in der vergangenen Spielzeit 52 als Hochrisikospiele eingestuft worden. Dass man Gebühren um die 400 000 Euro einfach so wegstecke, sei eine falsche Wahrnehmung, sagte Tarek Brauer von Werder Bremen. Derzeit kämpfe man gegen den Abstieg. "Wir bewegen uns zwischen zwei Millionen Euro minus und drei Millionen plus pro Jahr."

Zugleich wurde deutlich, wie wichtig das Thema Sicherheit für die Vereine ist. In der vergangenen Spielzeit habe die DFL 110 Millionen Euro in ein "sicheres Stadionerlebnis" investiert, also in Prävention, in Einlasskontrollen, in Blocktrennung, in Fanbeauftragte. Tarek Brauer fasste das so zusammen: "Wir können es uns nicht leisten, dass die Menschen sich nicht sicher fühlen." Denn das hätte auch wirtschaftliche Konsequenzen.

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