Bundesliga: Wolfsburg - St. Pauli:Langeweile - Leidenschaft

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Der FC St. Pauli vergibt zahlreiche Torchancen, gerät in Rückstand, dreht die Partie gegen den VfL Wolfsburg und spielt dennoch nur Unentschieden. Für beide Vereine wird es im Abstiegskampf nun eng.

Jürgen Schmieder

Sollte jemals ein Autor ein Buch über Fußball-Floskeln schreiben, dann muss er im Kapitel "Wer vorne nicht trifft, bekommt hinten groteske Tore" die Partie zwischen Wolfsburg und St. Pauli erwähnen. Die Hamburger dominierten die ersten 45 Minuten, hatten zahlreiche Torchancen - und am Ende des ersten Durchgangs prügelte Wolfsburgs Torwart Diego Benaglio den Ball nach vorne, Diego verlängerte mit dem Ellenbogen und Mario Mandzukic schoss das Spielgerät aus Abseitsposition ins Tor.

20 Torschüsse - und am Ende doch noch zwei Treffer: Deniz Naki bejubelt seinen Treffer zum 1:1 (Foto: dpa)

Weil in der zweiten Halbzeit noch eine zweite Floskel ("Manchmal ist der Fußball ungerecht") ihre Gültigkeit behielt, drehte St. Pauli die Partie zunächst, musste sich am Ende jedoch mit einem 2:2 (1:0) zufrieden geben. Es ist ein Unentschieden, das keiner Mannschaft wirklich hilft. Wolfsburg steht nach der sechsten sieglosen Partie hintereinander auf dem Relegationsplatz, St. Pauli bleibt durch den ersten Punkt nach sieben Niederlagen punktgleich dahinter.

Die Vorbereitung beider Vereine auf diese Partie hätte unterschiedlicher kaum sein können. Der ohnehin emotionale Klub St. Pauli hatte eine der emotionalsten Wochen der Vereinsgeschichte erlebt: Spielabbruch gegen Schalke, Geisterspiel-Urteil, Revision des Urteils. Dazu verkündete Holger Stanislawski tränenreich seinen Abschied nach 18 Jahren. "Wir wollen Stani den Klassenerhalt schenken", hatte Mittelfeldspieler Fabian Boll vor dem Spiel gesagt.

Felix Magath dagegen hatte seiner Elf die bald nach ihm zu benennende Trainingswoche verordnet: Laktaktest am Montag (weswegen Mandzukic für Helmes spielen durfte), Konditionstraining am Mittwoch (weshalb Dejegah für fit erklärt wurde und von Beginn an agieren durfte), Trainingslager von Donnerstag an. "Die Mannschaft ist nicht unbedingt für den Klassenerhalt zusammengestellt", hatte Magath nüchtern analysiert. Es gab allerdings keinen Spieler, der angegeben hatte, Magath den Klassenerhalt schenken zu wollen.

Die Wolfsburger Spieler begannen die Partie, als wäre ihnen nicht nur die komplette Magath-Philosophie eingetrichtert worden, sondern als wären sie gezwungen worden, den Taktik-Teil des Louis-van-Gaal-Buches auswendig zu lernen. Sie kamen zunächst auf eine Ballbesitzquote von etwa 80 Prozent, schoben sich im Mittelfeld die Bälle zu und weigerten sich 35 Minuten lang, auch nur eine Torchance zu haben.

Die Hamburger sahen dem Ballgeschiebe etwa zehn Minuten lang zu, verteidigten konzentriert, kontrolliert und kompromisslos - dann erkannten sie, dass diese Partie interessanter werden würde, wenn sie auch offensiv daran teilnehmen. Also spielten sie nach Ballgewinn forsch nach vorne, erzielten bisweilen mit einem Zuspiel mehr Raumgewinn als die Wolfsburger bei einem kompletten Angriff und erspielten sich in regelmäßigen Abständen Gelegenheiten.

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:Im Abstiegswahn

Am Samstag stehen sich der VfL Wolfsburg und der FC St. Pauli gegenüber. Vor dem Spiel begegnen sich die Trainer Felix Magath und Holfer Stanislawski.

Von Guido Schröter

Gerald Asamoah setzte einen Drehschuss über die Latte (12.), Charles Takyi schoss den Ball in die Arme von Diego Benaglio (19.) und schaffte in der 32. Spielminute das Kunststück, den Ball aus drei Metern am leeren Tor vorbeizuschieben. Kurz darauf säbelte Asamoah aus acht Metern über das Spielgerät, ein Gunesch-Schlenzer streifte knapp über das Tor (37.).

Warum kein Tor? St.-Pauli-Trainer Holger Stanislawski spricht während des Spiels gegen Wolfsburg mit Gerald Asamoah - der hatte zahlreiche Chancen vergeben. (Foto: dpa)

Dass Wolfsburg sich keinen Treffer erspielen, sondern höchstens aus heiterem Himmel erzielen würde, verdeutlichte Diego in der 34. Minute, als sein eher verzweifelt wirkender Fernschuss tatsächlich an den Pfosten prallte und somit in der Statistik als Torchance aufzutauchen hat. Fünf Minuten später fiel dieser Befreiungsschlag-Ellenbogen-Abseits-Treffer, der Wolfsburg eine Führung zur Pause trotz einer Torschuss-Bilanz von 3:12 ermöglichte.

Die zweite Halbzeit wirkte zunächst wie eine Kopie des ersten Durchgangs - mit dem Unterschied, dass die Hamburger in der 60. Minute gleich ihre erste Gelegenheit verwerten konnten. Gunesch spielte auf Asamoah, der legte mit der Hacke auf Takyi. Der schubste den Ball weiter zu Deniz Naki - und der schob das Spielgerät durch die Beine von Benaglio ins Tor.

Nach dem Ausgleich agierte Pauli weiter frech und leidenschaftlich, während die Wolfsburger konfus und ideenlos wirkten. Die Herausnahme des Freigeistes Diego für den 21-jährigen Koreaner Ja-Cheol Koo in der 73. Minute wirkte wie das Eingeständnis von Magath, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr daran zu glauben, dass seine Elf noch ein Tor würde erzielen können. Holger Stanislawski dagegen schickte den Offensivspieler Dennis Daube aufs Feld - und der spielte sogleich einen formidablen Pass auf Matthias Lehmann. Der nahm den Ball schön auf und schob ihn ins Tor.

Es hatte zunächst den Anschein, dass Magath mit seinem Eingeständnis der Chancenlosigkeit Recht behalten sollte: Seine Mannschaft hatte auch nach dem Rückstand keine einzige Gelegenheit, die erwähnt werden müsste - bis zur 88. Minute, als Koo einen Eckball in den Strafraum schlug und Jan Polak den Ball mit dem Kopf ins Tor wuchtete.

"Ich kann nicht erklären, warum wir so spielen", sagte Polak nach dem Spiel und bat den nachhakenden Reporter, doch bitte eine andere Frage zu stellen, weil er wirklich keine Erklärung hatte für den Auftritt des VfL Wolfsburg. Magath ergänzte: "Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, mit dem Spiel aber selbstverständlich nicht. Wir haben wieder mal nicht das gezeigt, was man im Abstiegskampf braucht."

Die Spieler von St. Pauli zeigten eine engagierte Leistung (Stanislawski: "Es gibt zwei Möglichkeiten, warum meine Mannschaft so gut gespielt hat, entweder sie wollten sich bei mir bedanken oder sie sind froh, dass ich gehe."), könnten in dem möglichen Floskel-Buch jedoch in einem anderen Kapitel auftauchen. Das lautet: Wer so ein Spiel nicht gewinnt, der steigt am Ende der Saison ab.

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