Es ist, als befinde sich Werder Bremen in einer Spirale des Grauens, in der Zahlen durch die Luft schwirren wie böse Geister. 0:6, 0:4, 1:4, 1:4, das sind bloß die schlimmsten Pleiten aus der Bundesliga, dazu kommt ein 0:4 in Mailand und, wenn man den Anfang vom Ende suchen möchte: ein 1:5 im Testspiel in Fulham. Schon dort tat sich an jenem 7. August, vor dem offiziellen Start in diese verhängnisvolle Saison, der Abgrund auf, an dem das Team stand.
Heute ist Werder einen Schritt weiter. Beim 0:4 auf Schalke wiederholte sich zum x-ten Mal das gleiche Szenario. Die Bremer beginnen zuversichtlich, kommen nicht zum Erfolg, verlieren den Glauben, kassieren ein Gegentor - und fallen auseinander. Weil ständig passiert, was die Verantwortlichen doch jedesmal erklären können, ist die Situation so gefährlich. Werder fehlen Lösungsmöglichkeiten für ein bekanntes Problem.
In Bremen scheinen sich zwei Entwicklungen zu überlagern. Die eine bestimmt die aktuelle sportliche Situation der Mannschaft. Die hat immer mal wieder Durchhänger gehabt und trotzdem zurück zum Erfolg gefunden, weil die spielerischen Mittel im Kader stets größer waren als taktische Defizite.
Doch weil der Erfolg immer wieder, wenn auch wie im letzten Jahr nur durch einen unglaublichen Kraftakt, erzwungen worden ist, verlor die andere, tiefer liegende Fehlentwicklung an Bedeutung. Werder hat eine zweite Mannschaft, die als abgeschlagener Tabellenletzter der dritten Liga kaum selbstbewusste junge Spieler an die erste Elf liefern kann. Die Jugendteams spielen zwar im Norden oben mit, bundesweit aber holen andere die Titel.
Fast alle strategischen Positionen hat der Verein mit eigenen Leuten besetzt, Sportdirektor, Trainer, Scouts, Jugendleiter, Nachwuchscoaches - alles überwiegend ehemalige Spieler. Die Co-Trainer, mit denen sich Thomas Schaaf umgibt, sind zwar (vor Jahren) von außerhalb gekommen, stehen aber ebenfalls für die schönsten Vokuhila-Zeiten der Bundesliga: Wolfgang Rolff und Matthias Hönerbach. Werder hat aus dem eigenen Verein heraus kaum Möglichkeiten, das Denken zu verändern. Alle Verhaltensmuster sind seit Jahren eingeschliffen.
Deshalb ist die Transferpolitik für Werder so überlebenswichtig, deshalb müssen alle Impulse von außen zugekauft werden. Geht das einmal schief, weil der Verein die Verluste von Özil und Diego innerhalb eines Jahres unterschätzt hat, müsste sich der Verein mit eigenen Mitteln helfen. Kann er aber, siehe oben, nicht: Die Spirale des Grauens kommt gerade erst in Fahrt.