Florian Kohfeldt bei Werder Bremen:Akademietrainer ohne Schlaubischlumpf-Gefahr

Lesezeit: 6 min

"Erst kommt die Offensive, und daraus leiten wir dann das Verteidigen ab": Florian Kohfeldt, 35. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)
  • Florian Kohfeldt von Werder Bremen steht exemplarisch für die Riege an jungen Trainern, die die Bundesliga aufmischen wollen.
  • Er musste die Menschen in Bremen erst von sich überzeugen, aber mittlerweile sagt sogar Armin Veh, Kohfeldt sei "echt a Guader".
  • Hier geht es zur Tabelle der Fußball-Bundesliga.

Von Christof Kneer

Florian Kohfeldt ist noch nicht mal ein Jahr Profitrainer, aber er kennt sie schon alle. Er weiß inzwischen, wie diese Menschen aussehen, die beim Training immer verdächtig nah an der Hecke stehen. Manche schauen dann schnell auf ihr Handy, wenn man sie anspricht, andere versuchen, rücklings durch die Hecke zu entkommen. Einmal, erinnert sich Kohfeldt mit erheblichem Amüsement, hätten sie einen aus dem Gebüsch gezogen, zwei Tage vor dem Spiel gegen HSV. Zwar habe sich der Mann geistesgegenwärtig als Autogrammjäger ausgegeben, aber er hatte keine Chance. Der Bremer Sicherheitsdienst hat den Mann als HSV-Spion enttarnt und entschlossen des Feldes verwiesen.

Kohfeldt, 35, war jahrelang Nachwuchstrainer, er coachte in einem Eck der Branche, in dem man nicht in Hecken recherchieren muss. Dennoch kennt er die große Bühne inzwischen deutlich besser, als die große Bühne ihn kennt. Zwar hat sich herumgesprochen, dass Werder Bremen nicht mehr von Thomas Schaaf trainiert wird und dass die da jetzt einen neuen Trainer haben, so'nen jungen, der im Fernsehen immer ganz sympathisch rüberkommt. Aber spontan hat man jetzt halt keinen Superspruch von dem im Gedächtnis, man kann sich nicht erinnern, dass der mal auffällig rumgetobt wäre, und in einem roten Dufflecoat saß er, soweit man weiß, auch noch nicht auf der Tribüne des FC Bayern.

Er ist da, wo er hingehört. In Bremen.

Solche Bilder kennt man von diesem Nagelsmann, und den kleinen Tedesco kennt man inzwischen auch: Das ist der, der immer so gescheit daherredet, was man ihm aber keinesfalls verübeln kann, weil seine Schalker oft auch gescheit daherspielen.

Aber dieser, wie heißt er: Kohlfeldt?

Kohfeldt heißt er, ohne "l" in der Mitte, auch wenn viele in der Branche das "l" immer noch mitsprechen. Dieser Kohlfeldt sei "echt a Guader", sagte kürzlich Kölns Sportchef Armin Veh, der nicht im Verdacht steht, junge Trainer grundlos gut zu finden. Tatsächlich ist das die Grundmelodie, die zu hören ist, wenn man sich quer durch die Branche fragt: Dieser Kohfeldt ist einer und wird einer, ob mit oder ohne "l". Und er hat die beste Startposition für eine Karriere: Er ist da, wo er hingehört. In Bremen.

Als Trainer müsste er "aus Gründen der Geheimhaltung" eigentlich ein Verfechter des geschlossenen Trainings sein, sagt Kohfeldt zum Beispiel, nachdem er die Episode mit dem HSV-Spion erzählt hat. Trotzdem gibt es in Bremen nur ein Geheimtraining pro Woche, alle anderen Einheiten sind geöffnet, auch das Abschlusstraining. "Wir leben nicht auf dem Baum", sagt Kohfeldt, "ich bin sicher, dass unser Auftaktgegner Hannover bei jedem Training jemanden stehen hatte. Aber wir haben uns bewusst entschieden, jede Einheit in der Vorbereitung öffentlich zu machen, wir als Verein, aber auch ich als Trainer." Das, sagt Kohfeldt, sei "eben Werder". Und die Nähe der Fans und der Rückhalt der Stadt seien "wichtiger als die Gefahr, dass mir jemand mal eine Standardsituation wegguckt".

Florian Kohfeldt ist in Siegen geboren, aber diesen schon schwerwiegenden biografischen Makel sehen sie ihm nach in Bremen, so wie sie Thomas Schaaf nachsehen, dass er in Mannheim auf die Welt kam, brummend möglicherweise. Wie Schaaf, so geht auch Kohfeldt in Bremen als Bremer durch, aufgewachsen und im Tor gestanden im nahen Delmenhorst, später gar in einem Reserveteam des SV Werder. Anschließend Jugendtrainer bei Werder, dann Co-Trainer bei den Profis unter Viktor Skripnik, dann Trainer der Drittliga-Reserve.

Und seit dem 30. Oktober 2017 eben: Cheftrainer der Werder-Profis, die er als Vorletzter übernahm und zur fünftbesten Rückrunden-Mannschaft machte.

Werder Bremen ist eine Mannschaft, auf die man besonders gespannt ist vor der neuen Saison, und das liegt vor allem daran, dass man auf diesen Trainer besonders gespannt ist. Nach nur wenigen Monaten steht dieser Kohfeldt schon im Nagelsmann-Verdacht: So wie der Hoffenheimer ein Team in die Champions League geführt hat, dessen Spieler Vogt, Schulz und Kaderabek heißen, so traut man Kohfeldt zu, dass er eine Elf, deren Spieler Bargfrede, Eggestein und Moisander heißen, weit über ihre Verhältnisse hinaus coacht.

"Was in Bremen gerade mit meiner Person verbunden wird, ist mir gar nicht so recht", sagt Florian Kohfeldt. In Bremen sind sie gerade so drauf, dass führende Spieler wie Max Kruse sagen, man wolle "nicht unbedingt um die Meisterschaft spielen, aber alles, was dahinter kommt, könnte für uns interessant sein". Heißt: Ein Team, das fünf Jahre gegen den Abstieg gespielt hat, könnte sich nun also vorstellen, gegebenenfalls auch mal in die Champions League einzuziehen, und viele, nein: fast alle Hoffnungen zielen dabei auf diesen jungen Trainer. Der findet diese kruseartige Frechheit zwar grundsätzlich sehr okay, "Euphorie ist nicht schlecht, wenn sie in den richtigen Bahnen verläuft", sagt er, und er habe nicht das Gefühl, dass diese Euphorie "im Training auch nur eine Millisekunde zu Nachlässigkeiten führt".

Aber es müsse schon "eine realistische Euphorie" sein, "wenn jemand ernsthaft von der Champions League anfängt, würde ich sagen: Leute, das ist Größenwahn".

Und dass das alles nur mit ihm zu tun haben soll? Also bitte!

FC Bayern
:Kovac ist der Chef-Versteher

Vor seinem Bundesliga-Debüt mit dem FC Bayern gegen Hoffenheim gibt der Bayern-Coach Einblicke in seine Arbeitsweise - im Fall von Robert Lewandowski ist ihm schon ein Erfolg gelungen.

Von Jonas Beckenkamp

"Ich konnte gut nachvollziehen, dass die Leute anfangs kritisch waren"

Florian Kohfeldt wird nichts anderes übrig bleiben: Er wird akzeptieren müssen, dass man ihn bereits jetzt für einen ziemlich guten Trainer hält. Seine ersten Monate erzählen schon fast die ganze Geschichte. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der einen Heimnachteil mit verblüffender Souveränität in einen Heimvorteil verwandelte. Keiner hatte auf ihn gewartet in Bremen, bei Werder hatten sie gerade erst zwei hauseigene Amateurtrainer bei den Profis scheitern sehen, erst Viktor Skripnik, dann Alexander Nouri.

"Ich konnte gut nachvollziehen, dass die Leute anfangs kritisch waren und gesagt haben: Was, der dritte U 23-Trainer hintereinander?", sagt Kohfeldt, "und vielleicht haben manche danach gelechzt, mal wieder was Gestandenes zu haben, eine Art gefühlte Sicherheit." Auch die Spieler seien "skeptisch" gewesen, "die haben nicht gejubelt: Hurra, da ist ja der Nächste! Aber wichtig war, dass ich offen mit der Skepsis umgegangen bin und mit den Jungs in der Kabine drüber gesprochen habe".

Diese Offenheit sei ihm aber auch leicht gemacht worden, meint Kohfeldt, aus einem einfachen Grund: weil seine Vorgesetzten mit ihm auch offen gewesen seien. So hat es der Trainer auch nie als Misstrauensvotum empfunden, dass ihm Sportchef Frank Baumann erst nur einen Vertrag bis Weihnachten aushändigte, Kohfeldt wusste, dass sein Chef auch mit anderen Trainern spricht, "ich kannte sogar die Namen". Kohfeldt muss jetzt immer aufpassen, wenn er über Frank Baumann spricht, er soll nämlich nicht mehr Baumi sagen, zumindest nicht öffentlich. Jedenfalls wollte Baumi, also Frank, von Anfang an dasselbe wie Kohfeldt: Er wollte eine langfristige Zusammenarbeit, aber er wusste eben auch, dass der Zeitpunkt wegen der Vorgeschichten mit Skripnik und Nouri heikel war.

Aber die Antwort auf Skripnik und Nouri heißt jetzt eben Florian Kohfeldt. Dreimal ist wohl tatsächlich Bremer Recht.

Kohfeldt hat längst einen richtigen Vertrag unterschrieben, bis 2021, und wer bei Begleitern und Spielern ein paar Meinungen einsammelt, dem drängt sich folgender Verdacht auf: Kohfeldts Erfolgsgeheimnis ist, dass die Spieler ihn gern bei sich in de Kabine haben. Der Trainer hat sich etwas vom Staunen des Neulings bewahrt, er hat kein Problem einzugestehen, dass auch er von seinen Spielern lernt, von Max Kruse und dessen "Mischung aus Lockerheit und Wettbewerbshärte", von Niklas Moisander, "dessen ruhige Art auch dem Trainer Stress nimmt" - oder vom wirklich sehr großen Claudio Pizarro. "Es ist auch für mich was Besonderes, ihn zu trainieren", sagt Kohfeldt, "es wäre gelogen, wenn ich sagen würde: Das lässt mich kalt."

Kohfeldt kann es sich leisten, sich da ein bisschen klein zu machen, er geht ja fest davon aus, dass seine sportliche Autorität ausreicht, um den Kader im Griff zu haben. Auch Kohfeldt ist einer dieser Akademietrainer, Jahrgangsbester natürlich, aber er ist kein Dogmatiker, er mag Ballbesitzfußball, das schon, "aber nie als Selbstzweck, immer nur als Vorbereitung einer Tempoaktion" - und der Schlaubischlumpf-Gefahr entgeht er sowieso durch den kühnen Fußball, den er spielen lässt. Es ist ein Fußball, der durchaus die Zockermentalität von Spielern wie Kruse oder Pizarro bedient, Kohfeldt denkt das Spiel von vorn.

"Wir denken, bevor wir uns um den Gegner kümmern, erst mal an unseren eigenen Plan", sagt er, "erst kommt die Offensive, und daraus leiten wir dann das Verteidigen ab. Das ist keine Wertigkeit, beides ist gleich wichtig. Aber es ist eben unsere Reihenfolge." Offensiv wolle er ein "klares Werder-Muster" sehen, "defensiv richten wir unsere Ordnung nach dem Gegner".

Dieser mutige Fußball war schon vor Kohfeldt in der Stadt, so will Bremen sein Werder spielen sehen. Und jetzt hat Bremen auch wieder den passenden Trainer dafür, einen Trainer, der den offensiven Mittelfeldspieler Davy Klaasen holt, um den defensiven Mittelfeldspieler Thomas Delaney zu ersetzen. Und bei diesem riskanten Plan kann sich der Trainer auch auf seinen Sportchef verlassen, jedenfalls, solange er nicht mehr Baumi zu ihm sagt.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Start in die Bundesliga-Saison
:Alle gegen einen

Die Aussicht ist dünn, dass das Monopol des FC Bayern in der heute startenden Bundesliga-Saison gebrochen wird. Andererseits: Was wäre, wenn sich die Trainer der 17 anderen Teams solidarisieren würden?

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: