Bundesliga:"Gespräch unter Männern"

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Manchmal hatte man den Eindruck, Gregor Kobel hätte vier Arme und vier Beine. Hier pariert Stuttgarts Keeper spektakulär den Elfmeter von Emil Forsberg - die Niederlage konnte Kobel aber dennoch nicht verhindern. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Der VfB Stuttgart kann beim 0:1 gegen Leipzig wieder nicht zu Hause gewinnen - aber zumindest der Machtkampf im Verein scheint sich etwas zu entspannen.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Spektakulär war es schon vor dem Anpfiff: Da betraten Thomas Hitzlsperger, der Vorstandschef des VfB Stuttgart, und Claus Vogt, der Präsident des e.V., tatsächlich Seite an Seite die Tribüne im Stuttgarter Stadion. Was nach einem ganz normalen Vorgang klingt, hatte angesichts der Vorgeschichte kaum noch jemand für möglich gehalten. Zu unerbittlich hatten Hitzlsperger und Vogt in der Woche zuvor mit öffentlichen Stellungnahmen aufeinander herumgehackt. Mega-Machtkampf beim VfB! Und nun? Verfolgten sie das Heimspiel gegen RB Leipzig im Rahmen einer sicher wohlüberlegten Inszenierung gemeinsam, oder jedenfalls nebeneinander.

Kurz vorher hatten die beiden Kontrahenten zudem fast gleichzeitig Signale der Entspannung via Twitter versendet. Sie hatten miteinander gesprochen. Das "heutige Gespräch mit Claus Vogt" stimme ihn "zuversichtlich, dass wir die anstehenden Aufgaben im Sinne des VfB lösen", schrieb Hitzlsperger und räumte auch gleich ein: "Waren nicht die besten Tage, die hinter uns liegen..." Vogt berichtete von einem "Gespräch unter Männern"; man suche nun "nach einem gemeinsamen Weg im Sinne des Clubs".

Das Zerwürfnis reicht dennoch tief. Hintergrund ist unter anderem eine Affäre aus dem Jahr 2017: Der VfB hatte damals Mitgliederdaten an Dritte weitergegeben; die Umstände werden derzeit extern aufgearbeitet - durch die Berliner Firma Esecon (die zuletzt auch mit der DFB-Generalinventur in den Schlagzeilen war). Laut Hitzlsperger hat Vogt diese Aufarbeitung "ohne Ausschreibung, ohne Kostenschätzung und ohne Projektplan durchgedrückt und bei der Projektleitung die nötige Sorgfalt, Kompetenz und Abstimmung vermissen lassen". Hitzlsperger hatte Vogt zudem in seinem Offenen Brief von letzter Woche Entscheidungsschwäche vorgeworfen, zudem bedrohe Vogts permanenter Profilierungsdrang "die Existenz des ganzen Vereins". Deshalb will Hitzlsperger bei der Vorstandswahl am 18. März gegen Vogt antreten.

Dass der ansonsten so diplomatisch auftretende Hitzlsperger Vogt derart harsch und umfassend attackiert, hat auch viele im VfB-Umfeld irritiert, die den Ex-Nationalspieler für einen der wichtigsten Architekten des gegenwärtigen sportlichen Aufschwungs halten. Ob Hitzlsperger und Vogt nun trotz ihres "Gesprächs unter Männern" beide an ihrer Kandidatur für die Wahl am 18. März festhalten, dürfte die entscheidende Frage für einen etwas länger anhaltenden Vereinsfrieden sein. Vorerst herrscht jedenfalls Erleichterung; Sportdirektor Sven Mislintat sagte am Sonntag: "Für mich liegt das in der Natur der Sache, wenn zwei der wichtigsten Personen in unserem Klub in der Öffentlichkeit gesprochen haben, dass man irgendwann in einen geschlossenen Raum zurückkehrt." Er glaube, "dass das Thema damit nicht erledigt, aber am richtigen Platz ist". Immerhin das.

Thomas Hitzlsperger (links), der Vorstandschef des VfB Stuttgart, und Claus Vogt, der Präsident des Klubs, betreten trotz ihrer Differenzen gemeinsam die Stuttgarter Arena. (Foto: Tom Weller/dpa)

Es sprach dann sehr für die Protagonisten dieses Bundesligaspiels, dass die Fehde in der Führungsetage nicht dessen einziges Thema blieb. Spektakulär ging es nämlich auch auf dem Rasen zu. Dabei häufig im Mittelpunkt: VfB-Torwart Gregor Kobel.

In der 23. Minute zum Beispiel: Da klatschte Kobel erst fünf Mal sehr laut seine Torwarthandschuhe zusammen, dann weitere drei Mal, dazwischen inszenierte er noch hüpfend den traditionellen Hampelmann. Dann lief Leipzigs Emil Forsberg an - und Stuttgarts Keeper lenkte den wuchtig geschossenen Ball mit der Fußspitze an die Unterkante der Latte. Es war die spektakulärste Szene des ersten Durchgangs.

Genützt hat sie den Stuttgartern am Ende nichts: Leipzig siegte verdient 1:0, durch ein Tor von Dani Olmo (67.).

Viel Laufarbeit wurde auf beiden Seiten verrichtet, weil sowohl Julian Nagelsmann als auch Pellegrino Matarazzo gerne die Außenbahnen mit einbezogen sehen. Die Kombinationen waren meist ganz nett anzusehen, zumindest, wenn man Spaß an Mittelfeldaktionen hat und sich nicht weiter daran stört, dass ein handelsüblicher mitteleuropäischer Rasen Anfang Januar eben nicht mehr ganz so viele Grashalme bietet. Ein Schuss von Olmo (41.), der knapp übers Tor ging, und Kobels Heldentat beim Elfmeter waren die Szenen, die aus der ersten Halbzeit in Erinnerung blieben.

Im zweiten Durchgang dominierten die elf Männer aus Leipzig, bei denen Amadou Haidara (47.), Forsberg (48.) und Alexander Sörloth (90.) gute Möglichkeiten vergaben. Doch nur Olmo traf. Der VfB, bei dem Waldemar Anton in der 86. Minute fast noch den Ausgleich geschossen hätte, bleibt hingegen zu Hause sieglos. Vorm nächsten Heimspiel gegen Gladbach dürfte also auch zwischen Trainer und Mannschaft das neu entdeckte Stuttgarter Allheilmittel zur Anwendung kommen: viele Gespräche unter Männern.

Am Freitag hatte Matarazzo seine Mannschaft noch einmal zusammengerufen und sie darauf eingeschworen, sich nicht durch die Zwistigkeiten in der Vereinsführung aus dem Tritt bringen zu lassen, die über Silvester die Schlagzeilen im Schwäbischen bestimmt hatten. Dass einige Profis erst durch die Trainer-Ansprache überhaupt vom Zoff auf der Geschäftsstelle erfuhren, soll den Coach sehr gewundert haben.

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