Remis im Top-Duell:Stuttgart zelebriert das wohldosierte Spiel

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Diese eine von mehreren Chancen war drin: Chris Führich bringt den VfB gegen den Tabellenersten Leverkusen in Führung. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Beim 1:1 gegen Leverkusen beweist der VfB, dass er zu Recht Tabellendritter ist. Trainer Sebastian Hoeneß wagt eine selbstbewusste Taktik mit viel Ballbesitz - und zwingt so den offensivverliebten Gegner in eine ungewohnte Rolle.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Dass auch ein jahrzehntealter Fangesang ein Statement sein kann - und zwar ausdrücklich auch dann, wenn er schon vor Jahrzehnten dämlich war - bewiesen die Fans des VfB Stuttgart nach dem 1:1 gegen Spitzenreiter Bayer Leverkusen. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff ging es in der Cannstatter Kurve um den Wunsch, im kommenden Spiel den Bayern die Lederhosen auszuziehen. Und damit war am Sonntag nicht der alle Jahre wieder geäußerte Wunsch gemeint, den übermächtigen Rivalen doch bitte, bitte ein wenig zu ärgern. Dieses Mal war es eher eine Kampfansage unter Spitzenteams.

Tatsächlich war es ja einmal mehr beeindruckend, wie die Stuttgarter der wohl derzeit besten Bundesliga-Mannschaft nicht nur Paroli boten, sondern dabei zumindest im ersten Durchgang auch das klar bessere Team waren: 18 zu 8 Torschüsse wies die Statistik zur Halbzeit zugunsten der mutigen Gastgeber aus, das ist eine Quote, die eigentlich über 90 Minuten üblich ist. Dabei musste Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky schon früh gegen Chris Führich und Serhou Guirassy klären, ehe er froh sein musste, dass Jeremie Frimpong einen Schuss von Josha Vagnoman auf der Linie blocken konnte.

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Und dann war er wieder direkt gefordert, als er zuerst gegen Deniz Undav und dann gegen Guirassy klären musste. Letzterer wies bei seinem Torschuss damit nach, dass auch er eindeutige Chancen vergeben kann. Es waren dann weder Guirassy noch Undav, die den VfB in Führung brachten, sondern Führich, der den Ball nach schöner Vorarbeit von Vagnoman nur noch zur 1:0-Pausenführung einschieben musste. Und die war so verdient, dass Trainer Xavi Alonso nach dem Spiel zugab, dass er in der Halbzeit mit seiner Mannschaft sehr energisch und lautstark gesprochen habe.

Alonso und Honeß lassen beide seit Monaten einen hochenergetischen attraktiven Offensivfußball spielen

Derweil feierten die VfB-Fans ihr Team schon nach dem Pausenpfiff auffallend laut. Schließlich ging es in dieser Partie dann doch um etwas mehr als um drei Punkte an einem 14. Spieltag der Saison. Stattdessen galt es ja die Frage zu beantworten, ob diese Stuttgarter Mannschaft, die seit dem Sommer 13 ihrer 16 Pflichtspiele gewonnen hat, auch mit der wohl derzeit besten Bundesligamannschaft mithalten kann.

Auf den Plan folgt die Umsetzung: VfB-Trainer Hoeneß hatte vor dem Spiel angekündigt, die Leverkusener "in Phasen zu bringen, die sie vielleicht selbst noch nicht so oft erlebt haben". (Foto: Tom Weller/dpa)

Alonso und sein Stuttgarter Kollege Sebastian Hoeneß hatten sich in den vergangenen Tagen wechselseitig für ihr Fußball-Verständnis gelobt. Das war gewissermaßen ein Eigenlob über Bande, schließlich lassen ja beide seit Monaten einen hochenergetischen attraktiven Offensivfußball spielen. Der wurde am Sonntag allerdings im zweiten Durchgang phasenweise ein bisschen weniger energisch betrieben, nachdem es schon früh zu einem Zwischenergebnis gekommen war, mit dem beide offenbar nicht unzufrieden waren. Das betonte auch Torschütze Führich, der bei DAZN sagte, dass wohl "beide mit dem Ergebnis ganz gut leben können."

Hoeneß muss sehr lange nachdenken, ehe ihm etwas Kritikwürdiges einfällt

Ab der 47. Minute stand es nämlich schon 1:1. Nach tollem Steilpass von Granit Xhaka legte Boniface quer auf Florian Wirtz, der nur noch den Fuß zum Leverkusener Ausgleich hinhalten musste. Und Stuttgart zeigte nun gegen die stärker werdenden Gäste, dass es auch die Kunst des wohldosierten Spiels beherrscht. Die wenigen Angriffe der nun deutlich besseren Leverkusener wurden meist entschärft, ehe Nübel aktiv werden musste. Der Schuss von Jonathan Tah, der knapp am Tor vorbeiging, hätte der Begegnung dann allerdings in den Schlussminuten doch noch fast einen Sieger beschert. So aber blieb es bei einem Remis, mit dem der VfB wohl endgültig nachgewiesen hat, dass er in dieser Saison zu den vier Topteams der Liga zählt.

Und irgendwie hallte nach diesem mutigen, selbstbewussten Auftritt ein Satz nach, den Hoeneß zwei Tage zuvor bei der Pressekonferenz gesagt hatte. Er habe vor, die Leverkusener "in Phasen zu bringen, die sie vielleicht selbst noch nicht so oft erlebt haben", hatte er angekündigt. Gemeint waren Phasen, in denen sich die bei eigenem Ballbesitz so überzeugenden Leverkusener damit zurechtfinden müssen, dass der Gegner den Ball hat - und sie selbst reagieren statt agieren müssen.

Und so kam es: In Stuttgart hatte Leverkusen 47 Prozent Ballbesitz, beim vorherigen Auswärtsspiel in Bremen waren es satte elf Prozent mehr gewesen. Für eine Stuttgarter Mannschaft, die in den vergangenen vier Wochen im Pokal und in der Liga zwei Mal Borussia Dortmund eher blamiert als besiegt hatte, lief also auch das vorletzte Heimspiel dieser Saison so gut, dass Hoeneß wirklich sehr lange nachdenken musste, ehe ihm etwas Kritikwürdiges einfiel. Irgendwann kam er dann auf die "Chancenverwertung", an der es in den vergangenen Wochen ein wenig gehapert habe. Was soll man auch sagen? Als Trainer eines Tabellendritten, der am Sonntag bewies, dass er nicht ohne Grund nur einen Zähler hinter dem Gegner mit den Lederhosen steht.

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