In der 80. Minute wurde es noch mal richtig laut im Stuttgarter Stadion. Kurz zuvor hatte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß mit einem guten Gespür für die Volksseele die beiden Doppeltorschützen ausgewechselt: Chris Führich und Serhou Guirassy hatten vier der fünf Treffer beim erstaunlich einseitigen Stuttgarter 5:0 gegen Freiburg geschossen und wurden nun entsprechend gefeiert.
"Die Nummer eins im Land sind wir" sang die Cannstatter Kurve - und meinte damit: im Bundesland. Auch der Freiburger Anhang, der bald ein paar Europa-League-League-Spiele sehen darf, musste sich in dem von beiden Fanlagern mittlerweile erstaunlich ernsthaft betriebenen badisch-schwäbischen Duell Unerfreuliches anhören: "In Europa kennt euch keine Sau."
Dabei war das Freiburger Problem am Samstag wahrlich nicht die europäische Perspektive. Denn was das Team, das die ersten beiden Saisonspiele gewonnen hatte, in Stuttgart ablieferte, war nicht einmal auf Bundesliganiveau konkurrenzfähig. Freiburg verlor fast alle entscheidenden Zweikämpfe und schien sich nach dem frühen 0:3-Rückstand nach nicht mal 20 Minuten nicht entscheiden zu können, ob es eine Aufholjagd anvisieren oder Schlimmeres verhindern wollte.
Nach drei Spielen hat Stuttgart ein unorthodoxes Torverhältnis von 11:5
Die Folge war ein fast demütigendes Spiel, in dem Stuttgart alle Räume bekam, um ein leichtfüßiges und effizientes Angriffsspiel aufzuziehen. "Der Gipfel der Nicht-Kommunikation war das 3:0", ärgerte sich SC-Trainer Christian Streich: "Das sah aus wie zehn-gegen-null, ohne Gegenspieler." Die Länderspielpause komme nun zur Unzeit: "Wir müssten uns jetzt eingraben, schonungslos analysieren und ganz hart trainieren", so Streich. Dass Freiburgs Abwehrverhalten beim vierten und fünften Gegentreffer durch Enzo Millot nicht besser ausfiel, dürfte Streichs Laune nicht verbessert haben.
"Wenn wir alles abarbeiten, können wir gute Spiele machen", analysierte Streich die Gesamtlage, "aber wenn es ein bisschen weniger ist, verlieren wir 0:5 in Stuttgart. Das ist die Realität. Mit der können wir uns jetzt wieder auseinandersetzen."
Beim VfB herrschte deutlich bessere Stimmung. "Wir waren heute sehr effizient, auch gegen den Ball", sagte Stuttgarts Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, der ebenso höflich wie wahrheitswidrig behauptete, das Ergebnis sei vielleicht einen Tick zu hoch ausgefallen. Dabei hätten nicht nur Guirassy und Waldemar Anton das Ergebnis in noch höhere Sphären schrauben können.
Endo, Sosa und Mavropanos sind weg, aber Guirassy ist noch da
Nach dem zweiten hohen Sieg im zweiten Heimspiel der Saison - schon Bochum war mit 5:0 abgefertigt worden - gönnte sich Wohlgemuth immerhin die Freude über Torjäger Guirassy, der nun schon fünf Saisontreffer auf dem Konto hat. Vieles ist bekanntlich noch passiert beim VfB, nachdem die einschlägigen Saison-Sonderhefte bereits gedruckt in den Läden lagen: Wataru Endo und Konstantinos Mavropanos gingen von Bord, am Freitag verabschiedete sich dann auch noch Borna Sosa nach Amsterdam, wohin ihn der ehemalige VfB-Sportdirektor Sven Mislintat gelockt hatte.
Nur Guirassy ist nicht gewechselt, sondern immer noch da. "Darüber habe ich mich vor sechs Wochen gefreut, vor vier auch, und jetzt freue ich mich immer noch", sagte Wohlgemuth, der die Hochstimmung beim eigenen Anhang originell einordnete: "Wenn man zu unseren Spielen kommt, kann man sicher sein, dass man viele Tore sieht." Die beiden hohen Heimsiege und die 1:5-Niederlage bei RB-Leipzig bescheren dem VfB nach drei Spielen das unorthodoxe Torverhältnis von 11:5. Und ein Fazit, das aus dem Mund des stets betont sachlichen Hoeneß wie eine Jubelarie klang: "Wenn wir in der Lage sind, Freiburg zu schlagen, können wir von einem richtig guten Saisonstart sprechen."