Bundesliga-Spitzenspiel Dortmund gegen Bayern:Überfall der Mimosen

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Arjen Robben (rechts) und seine Teamkollegen werden auch gegen Dortmund viele Anweisungen von Trainer Pep Guardiola erhalten. (Foto: dpa)

Das Dortmunder Jammern halten sie beim FC Bayern für ein Ablenkungsmanöver. Pep Guardiola weiß, dass den Münchnern im Spitzenspiel gegen den BVB kein Spaziergang bevorsteht - und gibt sich bemerkenswert distanziert gegenüber seiner Mannschaft.

Von Claudio Catuogno

Wenn man Pep Guardiola richtig verstanden hat, dann wird das am Samstag in Dortmund eine Art Blind Date für ihn. Aufregend. Geheimnisvoll. Klar, "in Spanien habe ich hundert Millionen Clásicos erlebt", übertreibt der Bayern-Trainer nur unwesentlich. Aber in der Bundesliga ist es sein erster, nun ja: Clásico. Klassiker. Und dann spielen da ja diesmal beim Gegner Borussia Dortmund auch noch Leute mit wie ein gewisser Erik Durm, 21, von dem selbst Guardiola noch nicht so häufig gehört hat. . .

Aber Erik Durm und überhaupt die Dortmunder Verletzungsmisere, das sind am Freitag gar nicht Guardiolas Themen gewesen. Dass die Dortmunder ihre komplette Abwehrreihe neu formieren müssen, das findet Guardiola nicht sehr bemerkenswert. "Ihre Aufstellung wird sehr, sehr gut sein", erwartet er in typischer Guardiola-Diktion, "mit Top-top-Qualitäten." Man muss das mit dem Blind Date eher so verstehen, dass Pep Guardiola am Samstag eines mit seiner eigenen Mannschaft hat.

Frage: Was erwartet er von dem Spiel? Antwort: "Wir werden uns besser kennenlernen, meine Spieler und ich."

Fast ein halbes Jahr ist Pep Guardiola nun schon in München, er hat seither von Philipp Lahm über Diego Contento bis zum Platzwart der C-Junioren jedem Bayern-Mitarbeiter mindestens eine Top-top-Liebeserklärung gemacht, aber als er am Tag vor dem Spitzenspiel im Westfalenstadion über seine Mannschaft sprach, klang er auf einmal wieder bemerkenswert distanziert: Doch, sie sei "ein bisschen besser geworden" seit seinen ersten Trainingseinheiten in München. "Aber noch ist es nicht meine Mannschaft. Ich fühle noch nicht das Spiel, wie ich es mag."

Die Guardiola-Bayern sind selbst noch viel zu sehr Baustelle, um sich ernsthaft auf das derzeitige Dortmunder Wehklagen einzulassen - auch das ist es wohl, was Guardiola zum Ausdruck bringen will. Er befindet sich mitten in einem "Prozess", und ob ihn dieser in Wochen, Monaten oder Jahren zufriedenstellen wird? "Ich weiß es nicht." Was Guardiola allerdings weiß, ist, dass ihm dieses Spitzenspiel gerade sehr gelegen kommt. Weniger wegen der hineingepumpten Rivalität, wegen der Live-Übertragungen in über 200 Länder oder weil die Bayern im Fall eines Sieges schon sieben Punkte Vorsprung hätten. "Ob wir im November Erster oder Zweiter sind, spielt für mich keine Rolle - Hauptsache, wir sind da." Das Spiel kommt ihm vor allem deshalb gelegen, weil ihm die 90 Minuten wieder eine Menge darüber verraten werden, wie weit sein Projekt schon ist. Unter Ernstfallbedingungen.

Mainz, Hertha, Hoffenheim, Pilsen, Augsburg - die Bayern sind jetzt schon eine Weile keinem Rivalen mehr begegnet, der sie bis an die Grenzen gefordert hat. Dass die Dortmunder sie nun entsprechend fordern werden, das stellt in München niemand in Frage.

Das Lamentieren der BVB-Offiziellen über den Bundestrainer und überhaupt über den Deutschen Fußball-Bund halten sie beim FC Bayern zwar für ziemlich mimosenhaft, und das Aufrechnen, welcher Dortmunder und welcher Münchner Nationalspieler wie lange in Freundschaftsspielen seine Kraft gelassen hat, finden sie auch ein bisschen peinlich. Was sie aber nicht glauben: dass ihnen bloß wegen der Ausfälle von Mats Hummels und Marcel Schmelzer in Dortmund jetzt eine Art Spaziergang bevorsteht.

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Pep Guardiola kann da sogar regelrecht ins Schwärmen kommen: "Dortmund ist die beste Mannschaft der Welt im Umschaltspiel", sagte er am Freitag. Sogar Real Madrid mit dem berüchtigten Konterspieler Cristiano Ronaldo könne da nicht mithalten: "Die Dortmunder überfallen dich zu sechst, und das tausend Mal pro Spiel." Und dass selbst den ausgebufftesten Champions-League-Siegern im Dortmunder Stadion schon mal das Herz in die Hose rutschen kann, wenn es nicht so läuft, das kann sich Guardiola auch vorstellen.

Deshalb wird er vor seinem deutschen Clásico-Debüt wohl eine ähnliche Ansprache halten wie 2008, als er das erste Mal als Barcelona-Coach auf Real traf: "Seid tapfer", sagte er damals; zu wenig Pathos ist ja eher nicht sein Problem. Auch diesmal wird es ihm wieder um Haltungsfragen gehen: "Mit Angst hast du keine Chance. Wenn wir Angst haben, heißt das hundertprozentig: drei Punkte für Dortmund."

Wer am Vortag allerdings die Profis Thomas Müller und Arjen Robben im Pressestüberl an der Säbener Straße hat plaudern hören, der käme eher nicht auf die Idee, dass die Bayern mit zu wenig Selbstbewusstsein in den Westen fahren. Obwohl ja auch Guardiola permanent improvisieren muss wegen einer langen Verletztenliste.

Frage: Wie lange wird Franck Ribéry ausfallen? Antwort: "Lange."

Intern war man zunächst nur von ein, zwei Wochen Pause ausgegangen - eine angebrochene Rippe sei zwar schmerzhaft, hindere einen aber nicht dauerhaft am Spielen, hieß es. Nun steht eine Pause bis Ende des Jahres im Raum: Wenn der Franzose bei der Klub-WM in Marokko wieder dabei sein könnte (die für die Bayern am 17. Dezember in Agadir beginnt), dann wäre das für Guardiola schon ein Glück, sagte er. Arjen Robben dürfte Ribéry vorerst auf dem linken Flügel ersetzen, Philipp Lahm wird wohl wieder auf jener Position vor der Abwehr aushelfen, an der er mehr und mehr Gefallen findet. Aber über all die verletzten Bayern will Guardiola nicht klagen: "Ich hasse Entschuldigungen."

© SZ vom 23.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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