Bundesliga:Union ist Meister des Minimalismus

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Diese Szene entschied die Partie in Leipzig: Robin Knoche verwandelt einen Elfmeter für Union. (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Die Berliner drehen das Spiel in Leipzig und sind wieder Zweiter. Ein Koreaner aus Mainz glänzt als gefährlicher Wuselmann, und ein Stuttgarter verursacht gleich zwei Elfmeter. Alles Wichtige zum 20. Spieltag.

Von Jonas Beckenkamp, Tim Brack und Barbara Klimke

RB Leipzig - Union Berlin 1:2 (1:1), Tore: 1:0 Benjamin Henrichs (24.), 1:1 Janik Haberer (61.), 2:1 Robin Knoche (72., Handelfmeter)

Union wird vielleicht nicht die Bundesliga gewinnen, Meister des Minimalismus sind die Berliner aber längst. Ansehnliche Offensivaktionen werden beim Gegner und auch den Berlinern selbst aufs Nötigste reduziert. Dank dieser Taktik gingen sie als erster Bayern-Verfolger in den Spieltag. RB Leipzig wusste also, was für einen Gast man sich da in die eigene Stube geholt hatte. Der Leipziger Retortenverein, der sich unter Trainer Marco Rose im beachtlichen Aufschwung befindet, hatte die Benimmregeln für den unbequemen Besuch vorsichtshalber aufgefrischt.

Im Union-Knigge ist unbedingte Zweikampfbereitschaft genauso gefordert wie brutale Effektivität vorm Tor. Die Leipziger setzten freudig ihre Körper in den Duellen ein. Und Benjamin Henrichs schoss ein Tor, wie es auch den Unionern zuzutrauen ist: wenig Erfolgsaussicht - und trotzdem geht der Ball rein. Sein Distanzschuss in den Winkel bedeutete die Leipziger Führung.

Union hatte (wie immer) nicht so viele Chancen. Als dann aber mal ein Eckball zustande kam, nutzten die Berliner dieses göttliche Geschenk umgehend. Janik Haberer wuchtete eine Kopfballverlängerung volley ins Leipziger Tor. Mohamed Simakan machte kurz darauf ein irdisches und doch unfassliches Geschenk: Der RB-Verteidiger ging im Strafraum so ungeschickt mit dem Arm zum Ball, dass selbst der VAR ungläubig den Kopf geschüttelt haben muss. Robin Knoche traf zum Sieg. Und Union ist weiterhin erster Bayern-Verfolger.

SC Freiburg - VfB Stuttgart 2:1 (0:1), Tore: 0:1 Chris Führich (30.), 1:1 Vincenzo Grifo (60.), 2:1 Vincenzo Grifo (84., beides Foulelfmeter)

Stuttgarts Torschütze Chris Führich hielt drauf - und was für ein Schuss ihm gelang zur Führung in Freiburg. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Für einen nicht ganz unbedeutenden Stuttgarter begann dieser Spieltag ziemlich räudig. Torhüter Florian Müller plagte kurz vor Anpfiff dieses Derbys solche Übelkeit, dass er kurzfristig ausfiel. "Wir haben versucht, ihn vom Rest des Teams zu isolieren, damit sich keiner ansteckt", sagte Trainer Bruno Labbadia. Aber dann hockte Müller doch auf der Bank neben seinen Kollegen. Sein Ersatz hieß Fabian Bredlow, und den schossen die Freiburger gleich mal zünftig warm. Es war ein vitaler Kick zwischen Schwaben und Breisgauern, das erste Trefferle setzte aber ein Mensch aus Castrop-Rauxel: Chris Führich nahm Anlauf und donnerte den Ball per Fernschuss ins Freiburger Gehäuse.

Christian Streich konnte sich darüber nicht auf der Bank aufregen, er saß eine Sperre ab und wurde von seinem Assistent Lars Voßler vertreten. Aber sowas haut den Sportclub nicht um, es folgten rasante Freiburger Angriffe, und nach einem Foul von Axel Zagadou an Stürmer Michael Gregoritsch griff der VAR ein. Es gab einen Strafstoß, den Vincenzo Grifo nutzte. Dass es wahrlich nicht Zagadous Tag war, manifestierte sich bei einem erneuten VAR-Check: Der VfB-Verteidiger hatte Ritsu Doan umgerissen, wieder gab es Strafstoß, wieder bedankte sich Grifo, sein elftes Saisontor. So blieb es ein räudiger Tag für ganz Stuttgart.

FSV Mainz 05 - FC Augsburg 3:1 (2:1), Tore: 1:0 Jae-Sung Lee (21.), 2:0 Karim Onisiwo (24.), Ermedin Demirovic (28.), 3:1 Jae-Sung Lee (51.)

Ja, wer macht ihn denn nun? Mainz-Stürmer Jae-Sung Lee drückt den Ball gegen Augsburg über die Linie. (Foto: Lars Baron/Getty)

Den Spieltag, an dem beim FSV mal alle fit sind, muss man erst noch erfinden. Zu den maladen Mainzern zählte diesmal Kapitän Silvan Widmer, der genauso zuschaute wie Stammkeeper Robin Zentner. Irgendwie fanden sich aber trotzdem elf einsatzfähige FSV-Profis - sogar kunterbunt eingekleidet in Fastnachts-Trikots. Die Augsburger verwirrte diese Farbgebung offenbar, denn binnen drei Minuten vollbrachten sie das Kunststück, nahezu alle gängigen Fehler des Fußballs auf einmal zu begehen: Vertändelte Bälle, keine Zweikampfführung, Torwartlapsus - erst nutzte das der Koreaner Lee per Kullertor, dann vollendete Karim Onisiwo eine Kopfballstafette.

Apropos Kopfball: Kurz darauf bekam der Mainzer Leandro Barreiro einen solchen bei einer Ecke an die Hände, es gab Elfmeter, durchaus umstritten - Ermedin Demirovic verkürzte. Dass Mainz trotzdem Mainz blieb, lag erneut an Lee, dem gefährlichen Wuselmann des FSV: Er legte sich den Ball im Duell mit Robert Gumny mit der Schulter vor und besorgte das 3:1. Für die Mainzer geht es damit zur närrischen Zeit nach oben, für die Augsburger in den Muff des Abstiegskampfes.

TSG 1899 Hoffenheim - Bayer 04 Leverkusen 1:3 (0:1), Tore: 0:1 Robert Andrich (6.), 0:2 Moussa Diaby (46.), 0:3 Adam Hlozek (56.), 1:3 Stanley Nsoki (77.)

Engagierter Einsatz: Trotzdem misslingt das Debüt von Hoffenheims Trainer Matarazzo gegen Leverkusen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Wunder gibt es nicht in diesem Geschäft, Zufälle womöglich, aber der Rest ist harte Arbeit. Das weiß ein Trainer wie Pellegrino Matarazzo nach ein paar Berufsstationen, und nach dem 1:3 gegen Leverkusen zu seinem Einstand in Sinsheim steht wieder einmal fest: Ein Neuanfang braucht Zeit.

Sechs Minuten hatten die Hoffenheimer darauf hoffen können, die Serie von zehn sieglosen Spielen zu beenden, dann lagen sie bereits 0:1 zurück. Eine Flanke von Moussa Diaby landete bei Leverkusens Ballverteiler Florian Wirtz, der klug Robert Andrich in Szene setzte: Aus 18 Metern krachte der Ball ins rechte Eck.

Matarazzo, der am Montag André Breitenreiter als Coach abgelöst hatte, nahm sich in den ersten Tagen viel Zeit, um mit den Profis zu reden; der ehemalige Stuttgarter kennt Sinsheim aus früherer Trainertätigkeit, und als größte Baustelle hat er zunächst die Abwehr identifiziert. Er startete entsprechend defensiv mit einer Doppel-Sechs, Dennis Geiger und Thomas Delaney. Bis zu Pause hatte sich das Team stabilisiert, Matarazzo wagte mehr Offensive, brachte Stürmer Dolberg für Geiger. Dann der nächste Rückschlag, nur 61 Sekunden nach Wiederanpfiff: Leverkusens Frimpong spielte quer durch den Sechzehnmeterraum auf Diaby, der Keeper Baumann überwand. Das 0:3 durch Adam Hlozek fiel kurz darauf nach ähnlichem Muster.

Hoffenheim wurde erst in der 77. Minute für seine Anstrengungen belohnt: Andrej Kramaric fand Stanley Nsoki im Sechzehner, der brauchte dann allerdings zwei Anläufe, ehe er schließlich aus sechs Metern traf. Eine Niederlage zum Einstieg: Die Arbeit in Hoffenheim fängt für Matarazzo gerade erst an.

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