Bundesliga:Sehnenriss bei Reus? "Völliger Quatsch"

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Marco Reus: Ständig im Fokus (Foto: dpa)

Nein, Marco Reus ist nicht schwerer verletzt als bislang bekannt. Der BVB scheint für erfundene Gerüchte besonders anfällig zu sein.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Manche Nachrichten sind dazu bestimmt, sich wie ein Virus im Internet zu verbreiten. Der angebliche Sehnenriss bei Marco Reus war am Dienstag so ein virales Ereignis. Borussia Dortmund brauchte bis zum späten Nachmittag, 16 Stunden nach Veröffentlichung, um die Meldung zu dementieren, die Bild in die Welt gesetzt hatte: Reus nämlich, auf den Bundestrainer Joachim Löw wegen einer Schambein-Entzündung bei der EM kurzfristig verzichten musste, habe auch einen tiefen Sehneneinriss im Adduktorenbereich erlitten. Es drohten sechs Monate Pause. Angeblich.

Die Mechanismen des Profigeschäfts, das von der Öffentlichkeit lebt, aber oft ängstlich vor notwendiger Kommunikation zurückscheut, waren am Dienstag beinahe exemplarisch zu beobachten. Die Meldung (Titel: "Sehnenriss bei Marco Reus!") verbreitete sich blitzartig. Pechvogel Reus, der vor zwei Jahren schon wegen einer Verletzung die WM in Brasilien verpasste, ist für überspitzte und frei erfundene Nachrichten offenbar ein idealer Spielball.

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Als Dortmund auf der vereinseigenen Homepage um kurz nach 15 Uhr die Dinge richtig stellte, hatten sich einige im Netz schon so in Rage geschrieben, die Fortsetzung von Reus' Karriere gleich ganz in Frage zu stellen. Der BVB aber ließ wissen: "Mitnichten hat der 27-Jährige Sehnen- oder Schambein-Schäden erlitten, die zu einem kompletten Ausfall in 2016 führen, wie heute kolportiert wurde. Verletzungen dieser Art wurden weder vom Vereinsarzt noch von den Ärzten der Nationalmannschaft diagnostiziert." Es gelte, wie bislang bekannt, die Prognose der Ärzte, dass der potenzielle Kapitän der Dortmunder zur neuen Saison im August wieder "voll belastungsfähig" sein werde.

Gegenseitige Verdächtigungen

Im Hintergrund soll es bis dahin aber bereits jede Menge Irritationen und Schuldzuweisungen gegeben haben. Dirk Hebel, der Berater von Reus, ließ sich nach einigem Zögern zitieren, die Meldung sei "völliger Quatsch". Am Vormittag sollen sich die medizinischen Abteilungen der Nationalmannschaft und des BVB gegenseitig verdächtigt haben, womöglich mehr zu wissen als der andere und ein merkwürdiges Spiel zu spielen.

Schließlich sind die Mediziner der wertvollen Profis mit ihren Diagnosen und Heilungs-Prognosen ständig unter einem besonderem Druck. Keiner will schließlich etwas Falsches gesagt haben, keiner will eine schwere Verletzung falsch interpretiert haben. Öffentliche Bulletins wechseln sich im Fußball ab mit ärztlicher Schweigepflicht. Wenn es um einen Nationalspieler wie Reus geht, wird eine Schambein-Entzündung leicht zur nationalen Angelegenheit.

Bild hatte sich als Zeugen den Kölner Sportmediziner Ingo Froböse geholt. Der selbst ernannte "Fitness-Doktor" kenne Reus aber nur aus dem Fernsehen, heißt es in Dortmund. Der ehemalige Klasse-Sprinter hatte ganz allgemeine Dinge über den Fall eines Sehneneinrisses gesagt. Nicht aber, dass Reus einen erlitten habe und es neue Diagnosen gebe.

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Reus selbst ist im Urlaub und schont das entzündete Körperteil. Sein ehemaliger und möglicherweise künftiger Vereinskollege Mario Götze fiel vor einigen Jahren, damals noch in Dortmund, eine komplette Halbserie mit einer Schambein-Entzündung aus, Bayerns Arjen Robben erging es ähnlich. Auch ganz ohne Sehnenriss ist mit der schwer kalkulierbaren Verletzung nicht zu spaßen. In Dortmund aber gehen alle davon aus, dass die Entzündung und der "kleine Einriss des Adduktoren-Ansatzes" nur leichte Ausprägungen hätten.

Ein Ausfall von Reus ist vielleicht deshalb Ziel für erfundene Verletzungen, weil der ganze BVB-Kader viel stärker im Umbruch erscheint als jüngst noch gedacht. In Mats Hummels (FC Bayern) und Ilkay Gündogan (Manchester City) muss Dortmund den Weggang von zwei Nationalspielern kompensieren. Henrikh Mkhitaryan scheint seinen Vertrag, der 2017 endet, ebenfalls nicht recht verlängern zu wollen. Der BVB muss sich deshalb entscheiden, ob der Regisseur noch in diesem Sommer gegen eine Ablöse von 30 oder mehr Millionen Euro in die Premier League wechseln darf - oder ob man beim Vorlagen-König, wie vor zwei Jahren bei Robert Lewandowski, auf eine Ablöse verzichtet und Mkhitaryan noch ein Jahr hält. Allzu viel Fluktuation hält keine Mannschaft aus, die in der Champions League antreten muss. Ein Ausfall von einem wie Reus, dem prominentesten Borussen, wäre in so einer Situation fast ein Politikum.

Dortmund hat mit seinen jungen Zugängen Emre Mor, Ousmane Dembele, Mikel Merino und dem noch nicht bestätigten Raphael Guerreiro sowie den 25-jährigen Sebastian Rode (FC Bayern) und Marc Bartra (FC Barcelona) eine Reihe von sportlichen Wundertüten gekauft. Ein oder zwei dürften noch dazukommen. In Frage kommt auch der langjährige Borusse Jakub Blaszczykowski, der zuletzt an den AC Florenz ausgeliehen war und der mit der polnischen Nationalelf im ersten EM-Spiel groß auftrumpfte.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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