Bundesliga-Relegation:Eine Frage der Nerven

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"Lore hat einen Riecher dafür, wo die Bälle runterfallen": 19 Sekunden nach seiner Einwechslung drückt Kiels Simon Lorenz den Ball ins Kölner Tor. (Foto: Claus Bergmann/imago)

Nach dem 0:1 gegen Holstein Kiel muss der 1. FC Köln schnell seine Nervosität in den Griff bekommen, um den drohenden siebten Bundesliga-Abstieg noch zu verhindern. Die Stimmung ist gereizt.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Es gibt diese Fußballabende, da gelingt einem gar nichts. Blöd, wenn es dabei ausgerechnet in der Relegation um den Bundesliga-Klassenverbleib geht. Für Jonas Hector vom 1. FC Köln war der Mittwoch so ein Abend. Erst konnte er im Spiel keine einzige Torchance nutzen, beim Gegentreffer verlor er das Kopfballduell gegen den Kieler Simon Lorenz und nach dem Schlusspfiff machte er im DAZN-Interview auch noch eine denkbar schlechte Figur.

Der Kölner Kapitän will immer vorangehen, sich zeigen und Verantwortung übernehmen - das ist vorbildlich. Aber vielleicht wäre er nach dieser 0:1-Niederlage im Relegations-Hinspiel gegen den Zweitligisten Holstein Kiel besser gar nicht erst vor die Kamera getreten.

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In den 90 Minuten vorher: etliche Torschüsse - aber kein Treffer. Nach den 90 Minuten: etliche Fragen - aber keine Antworten. Ob er Dampf ablassen wolle, ob er sich leer fühle, wie man zum Rückspiel am Samstag neuen Mut gewinnen wolle - mit solchen Fragen wurde Hector konfrontiert. Es waren aber nicht so sehr die Fragen, die ihn nervten, es war die Situation an sich. "Scheißfragen", blaffte der 31-Jährige also, "dumme Fragen", und gab auch ohne relevante Antworten einen umso eindrücklicheren Blick in sein Gefühlsleben.

"Genau vor diesen Eckbällen hatten wir gewarnt", sagt Kölns Trainer Friedhelm Funkel

53 Prozent Ballbesitz,12:6 Torschüsse, 9:5 Ecken hatten die Kölner gesammelt, aber dass dem Klub nun der siebte Bundesliga-Abstieg droht, liegt an dieser einen Szene aus der 59. Minute: Kiel wechselte Simon Lorenz für Aleksandar Ignjovski ein. Lorenz ging sofort vors Kölner Tor, weil es einen Eckball für Kiel gab. "Lore hat einen Riecher dafür, wo die Bälle runterfallen", sollte Kiels Trainer Ole Werner nach dem Spiel sagen. "Genau vor diesen Eckbällen hatten wir gewarnt", klagte der Kölner Trainer Friedhelm Funkel später: Eckball auf den zweiten Pfosten, von dort zurück ins Zentrum.

Genauso kam es: Eckball von Finn Porath auf den zweiten Pfosten, dort köpfelte Jae-Sung Lee den Ball zurück ins Zentrum, wo Lorenz 19 Sekunden nach seiner Einwechslung hochstieg und den Ball mit der Stirn ins Tor drückte. Direkt neben ihm, aber am Boden geblieben: Jonas Hector. "Ein Unentschieden wäre gerecht gewesen", presste er sich hinterher grantig aus den Mundwinkeln, "am Samstag können wir's noch drehen."

Die Kölner machten einen viel nervöseren Eindruck als die Kieler. Dabei hatten die Rheinländer doch drei ihrer jüngsten fünf Ligaspiele gewonnen, hatten sich in letzter Minute noch auf den drittletzten Platz geschoben und wirkten zuletzt nervenstark. Die Kieler hatten ihre jüngsten beiden Ligaspiele verloren, schienen mit Kräften und Nerven am Ende zu sein. Aber sie spielten in Köln cooler als die Gastgeber, hätten durch Janni Serra zwölf Minuten vor Schluss sogar beinahe noch das zweite Tor erzielt. Doch sein Kopfball knallte an die Latte.

Ein Unentschieden genügt den Kielern, um in die Bundesliga aufzusteigen

"Es ist erst Halbzeit und noch nichts entschieden", sagte Funkel. "Das wird bis zur letzten Minute heiß bleiben", pflichtete ihm Werner bei. Zwei Tore benötigen die Kölner, um nach zuletzt 2018 nicht schon wieder abzusteigen. Ein Unentschieden genügt den Kielern, um als erstes Fußballteam aus dem Bundesland Schleswig Holstein in die Bundesliga aufzusteigen.

Es dürfte vor allem eine Frage der Nerven werden. Genau deshalb kratzte Kiels Trainer direkt nach dem Hinspiel schon mal am Kölner Nervenkostüm. "Der Druck liegt bei Köln", sagte er, "wir sind der Zweitligist; wenn was dazukommt, ist es gut - wenn nicht, bleibt eben alles beim Alten." Ist bloß die Frage, ob die Rollen nach diesem 1:0 im Hinspiel so überhaupt noch gelten. Zwei Matchbälle haben die Kieler in den vergangenen beiden Saisonpartien beim 2:3 in Karlsruhe und beim 2:3 gegen Darmstadt bereits vergeben. Nun gehen sie mit einem 1:0-Vorsprung ins ultimative Heimspiel gegen Köln. Für den Moment ist Kiel schon halb gefühlter Bundesligist. Die Begegnung am Samstagabend (18 Uhr, DAZN) wird ein Nervenkrimi. Man darf gespannt sein, wie hinterher die Interviews ausfallen.

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