Boldt ist in Nürnberg geboren, im Rheinland wurde er heimisch, nachdem er 2003 bei der fußballspielenden Tochtergesellschaft der Bayer AG als Praktikant anfing. Michael Reschke, inzwischen Manager des VfB Stuttgart, förderte ihn und baute ihn ins Klubgefüge ein, und nach Reschkes Wechsel zum FC Bayern 2014 übernahm Boldt in Leverkusen den Posten des Kaderplaners. Dafür brauchte er sich nicht zu bewerben, er war dazu prädestiniert wie ein Erbe. Mit Geschäftsführer Völler bildete Boldt das zentrale Gespann der sportlichen Abteilung, wobei sich an der schon vorher bestehenden Arbeitsteilung nicht viel änderte.
Wenn es um Spielertransfers, Verkäufe oder Vertragsverlängerungen ging, dann brachte sich Völler in den Prozess ein, die Initiative ging von Boldt und dessen Abteilung aus: "Rudi Völler hat nicht gelenkt, sondern lenken lassen. Er hat die Entscheidungen mitgetragen, doch er war nicht der Impulsgeber", sagt ein Insider.
Im Sommer kam zudem ein neuer Geschäftsführer nach Leverkusen. Fußball war bis dahin nicht das Business von Fernando Carro, 54, zuvor hatte er 24 Jahre für Bertelsmann gearbeitet. In der Öffentlichkeit hielt sich der Spanier anfangs zurück, im Verein baute er seinen Einfluss aus. Man sagt ihm ein gewisses Machtbedürfnis nach. Dass Boldt im November den Job quittierte, hat zweifellos mit Carros Wirken zu tun. Völler äußerte über die Entwicklung unzweideutig sein Missfallen, er habe sich "das anders vorgestellt".
Die Bundesliga ohne das Original Völler? Schwer vorstellbar
Mit Boldt war sich Völler zwar nicht immer einig, etwa im Fall Herrlich oder bei Debatten um die berüchtigte Leverkusener "Komfortzone", doch die Verbundenheit zwischen den beiden blieb eng. Und nun, nach Reschkes und Boldts Weggang, fühlt sich Völler 24 Jahre nach seiner Ankunft in Leverkusen (damals noch als Mittelstürmer) als Übriggebliebener einer vergangenen Epoche. Völler, so heißt es, sei "ein Wohlfühlmensch, der vertraute Menschen um sich braucht", er sei nun in einer Situation, in der er sich frage: Was soll ich hier noch? Er gehe "schwer auf die 60 zu", hat er kürzlich gesagt, 58-jährig.
Im Falle des Falls könnten auf den Verein schneller, als mancher dort denkt, schwierige Zeiten zukommen. Der Gründervater Reiner Calmund, 70, hat aus Bayer einen stabil erfolgreichen Bundesligaklub gemacht, bis in die Gegenwart reichte durch seine Nachfolger und Gefolgsleute die Calmund-Ära, obwohl der bekennend dicke Mann bereits vor 14 Jahren aus dem Dienst geschieden ist. Jetzt steht offenbar ein abrupter Generationswechsel an, und auch wenn sich Rolfes, 36, sehr gefreut hat, dass er binnen weniger Monate vom "Leiter Jugend und Entwicklung" zum Sportdirektor aufstieg, so ändert das erst mal nichts daran, dass er in dieser Rolle und in diesem komplizierten Geschäft ein Anfänger ist - demnächst womöglich ohne den Balancehalter Völler an seiner Seite, der vielleicht nicht der eifrigste Arbeiter im Betrieb ist, aber natürlich ein riesengroßer Fußballexperte und das wichtigste Gesicht des Vereins sowieso.
Die Bundesliga ohne das Original Völler? Schwer vorstellbar, aber irgendwann unvermeidlich. Völler ohne Fußball? Das wird nicht passieren. Daheim kommt ihm die neue Vielfalt des Angebots zugute: Italien, England, Spanien, sogar sein Urverein Offenbach, das alles gibt es jetzt im Heimkino. Rudolf Völler sagt: "Ohne Fußball wird es nie sein." Er gibt aber zu, dass es manchmal "ein bisschen hektisch wird", wenn Sabrina andere Prioritäten setzt.