Tedesco bei Schalke 04:Beschützerinstinkte für den Trainer

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Eindrucksvoller Monolog nach der nächsten bitteren Niederlage: Schalkes junger Trainer Domenico Tedesco spürt plötzlich die harte Seite seines Berufs. (Foto: Jürgen Fromme/firo Sportphoto)
  • Schalke 04 verliert ein niveauarmens Spiel gegen Bayer Leverkusen und steckt nun endgültig im Abstiegskampf fest.
  • Sebastian Rudy sitzt ohne Verletzung und ohne genauere Begründung auf der Tribüne.
  • Trainer Domenico Tedesco wirkt in der Situation überfordert.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Dass Heiko Herrlich am Dienstag an den Neandertaler erinnerte, um die Situation vor dem Spiel beim FC Schalke 04 zu beschreiben, hörte sich fast wie eine Provokation für den Gegner an. Der Schalker Fußball ist inzwischen ja berüchtigt im ganzen Land. Tückische Absichten lagen Bayer Leverkusens Trainer allerdings fern. Herrlich wollte lediglich auf die unwägbaren Gefahren hinweisen, denen seine Fußballer - ebenso wie der Urzeitmensch vor 100 000 Jahren - in jedem Spiel aufs Neue ausgesetzt seien. Doch wie sich am Mittwochabend zeigte, enthielt seine Analogie prophetische Züge.

Hätte der im gar nicht fernen Tal der Düssel beheimatete Höhlenbewohner Fußball gespielt, dann hätte das womöglich nicht viel anders ausgesehen als die zweite Halbzeit in Gelsenkirchen. Schalke wehrte sich gegen den 1:2-Rückstand wie der Neandertaler gegen die Bedrohungen einer feindlichen Natur: mit wildem Kampf und roher Gewalt. Für Fußball, das wunderbare Spiel, blieb in dieser Begegnung zweier verhinderter Spitzenteams kein Kopf und kein Platz. Den Leverkusenern, die nicht besser waren als die Verlierer, war ihr 2:1-Sieg beinahe peinlich.

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"Das war nicht schön anzusehen", gestand Bayer-Verteidiger Jonathan Tah. Julian Baumgartlinger, erstmals als Kapitän fungierend, machte Notwehr geltend: Beide Teams hätten demonstriert, dass sie den Sieg so dringend brauchten "wie ein Stück Brot". Wie sehr der Erfolg dem bedrängten Leverkusener Trainer Herrlich zugutekommt, wird sich weisen. Sportchef Rudi Völler kündigte ein Grundsatzgespräch vor der Weihnachtspause an.

"Alle Spieler stehen hinter dem Trainer - wirklich alle!"

Wehmut herrschte schon vor dem Spiel, als Schalke die Verabschiedung der letzten Bergmänner des Ruhrgebiets zelebrierte. Zumindest da erwies der Knappen-Klub Meisterschaft, es war eine schöne, würdevolle Zeremonie. 2000 Kumpels hatte der Klub eingeladen, sie trugen das klassische blau-weiße Grubenhemd mit dem Aufdruck "Danke Schalke". Doch die anschließende Partie verbreitete kaum weniger Melancholie als die trauervolle Feierstunde, fünf von sieben Heimspielen hat der Vizemeister in der Hinrunde verloren, die Abstiegszone rückt immer näher. Die Leverkusener Tore durch Verteidiger Aleksandar Dragovic (27.) und Lucas Alario (35.) fielen auf Einladung der Schalker Abwehrspieler. Und wie am Samstag in Augsburg trug auch Torwart Ralf Fährmann zum Erfolg des Gegners bei, als er Alarios unplatzierten Schuss ins Netz rutschen ließ.

Zwei dicke Torchancen erarbeitete sich Schalke beim Anrennen in der zweiten Halbzeit; wie Konopljanka, von Haus aus ein feiner Fußballer, die bessere der beiden konfus verbummelte, das war bezeichnend für den angegriffenen seelischen Zustand der Elf. Dass Schalke gleich fünf Stürmer wegen Krankheit oder Verletzung fehlten, trug naturgemäß zu den Problemen bei. Doch auch mit Uth, Embolo und Burgstaller war Schalke keine Tormaschine, die Ursachen der Misere liegen tiefer.

Während defensiv zumindest die Ordnung zur Konterabwehr funktionierte, ging im gewaltsamen Bemühen um das 2:2 jeder Rest von offensiver Struktur verloren, das Mittelfeld war eine Kampf-, keine Spielzone. Sebastian Rudy, als Gestalter eingekauft, erlebte das Unglück auf der Tribüne, verletzt war er nicht: Zeugnis einer Einkaufspolitik, die ihr Ziel - die spielerische Emanzipation vom (sehr erfolgreichen) Ergebnisfußball des Vorjahres - bisher weit verfehlt hat. "Lasst doch Fußball spielen", sagten die Fans beim Training immer, erzählte Coach Tedesco später. Und fügte die beunruhigende Pointe an: "Das ist genau das, was wir versuchen."

Dennoch weckt Tedescos Leiden an der Dauerkrise bei den maßgebenden Schalkern eher Beschützerinstinkte als Distanzierung: "Da gibt es ein großes Vertrauen", so Manager Christian Heidel, "ich tue mich total schwer damit, einen Trainer infrage zu stellen, den wir alle noch vor vier Monaten gefeiert haben. Ich glaube, das Gefühl in der Kabine ist genauso. Daher kann ich das nicht in Prozent oder in Euro ausdrücken, wie viel Kredit er noch hat. Das Thema stellt sich einfach nicht." Kapitän Fährmann sagte mit anderen Worten das gleiche: "Alle stehen hinter dem Trainer, angefangen beim Zeugwart, über den Koch, die Torhüter. Alle Spieler. Wirklich alle."

Die Solidarität mit dem jungen Tedesco ist das eine. Der Eindruck, dass ihn die Situation zunehmend überfordert, ist das andere. Mancher Klubmitarbeiter macht sich Sorgen, dass Tedesco mangels Erfahrung ohne fachkundigen Helfer an seiner Seite die Kontrolle über die Probleme verliert. Weder Manager Heidel noch dessen Assistent Axel Schuster eignen sich für so eine Rolle, kurzfristige Hilfe ist nicht in Sicht.

Angst um seinen Job hat Tedesco aber nicht, wie er in einem Monolog wissen ließ, der erfreulich anders klang als seine oft mühevollen Vorträge als Fachbereichsleiter: "Ich bin grundsätzlich ein Mensch, der sich immer sehr, sehr viele Sorgen macht. Wenn meine Frau Auto fährt und mit der Kleinen unterwegs ist, dann mache ich mir Sorgen. Wenn sie allein daheim ist, mache ich mir Sorgen. Wenn Schalke verliert, mache ich mir auch Sorgen. Aber eines können Sie mir auch glauben: Über mich mache ich mir keine Sorgen. Ich bin mir relativ wurscht." Übrigens darf man ihm das sogar glauben.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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