Das hat man sich ja immer schon gefragt: Ob die Leute aus dem Fußball zu Hause genauso reden wie am Spieltag vor den Kameras? Ob sie also ihren Kindern sagen, diese hätten eine "absolute Top-Leistung abgerufen", wenn sie eine gute Note heimgebracht haben, oder dass sie "eine Reaktion zeigen" müssten, wenn das Ergebnis nicht gut war? Vielleicht sagen sie auch, dass sie "bis in die Haarspitzen motiviert" seien, wenn sie den Müll raustragen, oder die Gäste beim Abendessen bekommen zu hören: "Ich muss meiner Frau ein Kompliment machen. Sie hat alles in die Waagschale geworfen!"
Jeder Job bringt seine eigenen Krankheiten hervor. Rudi Völler jedenfalls hat neulich verraten, dass ihn seine Frau hin und wieder zur Ordnung ruft, wenn er zu Hause in den geübten Floskeln am Thema vorbeiredet. "Pass mal auf", sagt sie dann, "wir sind hier nicht im Fernsehen."
Sabrina Völler sagt im Übrigen nicht Rudi zu ihrem Mann, sondern ordnungsgemäß Rudolf. Genauso hat sie ihn neulich in der Podcast-Sendung "Phrasenmäher" angesprochen, in der Völler knapp anderthalb Stunden, aber keine Minute zu lang aus seinem Leben als Rudi und seiner Tätigkeit als Sportchef in Leverkusen erzählte. "Hallo Rudolf", sagte sie, "eine Frage, um dich festzunageln: Wie lange willst du den Job noch machen? Wie siehst du dein Leben nach dem Fußball?" So klar und deutlich, wie sie die Fragen formulierte, hörte es sich nicht so an, als ob sie eine Phrase als Antwort akzeptieren wollte.
Manche Insider glauben, Völler werde sich schon recht bald im neuen Jahr zurückziehen
Drei Monate sind seitdem vergangen, und was damals schon akut war - zumindest für Sabrina Völler -, ist es jetzt erst recht. Anfang Dezember hat Rudi Völler gesagt, es gebe "noch keinen Zeitplan", wann er sich bei Bayer 04 zurückziehen werde, doch das werde nun sicherlich "Stück für Stück" passieren. Mancher Kenner meint allerdings, dass dies nicht zwei, drei Jahre dauern, sondern ziemlich bald geschehen wird, und auch nicht in Raten, sondern womöglich plötzlich. Spätestens im kommenden Sommer, vielleicht auch schon zum Start ins neue Jahr.
Völler, das sagen einige, die ihn lange und aus nächster Nähe kennen, sei "amtsmüde" geworden. Er selbst sagte in dieser Woche, die Frage nach seinem Rückzug sei zwar "ein gutes Thema", im Moment wolle er darüber aber nicht sprechen, weil es genug Spekulationen rund um Bayer Leverkusen gebe (womit er vor allem die Frage der Weiterbeschäftigung von Trainer Heiko Herrlich meinte). Dass sein Vertrag noch bis 2022 gilt, betrachtet Völler jedenfalls nicht als Hindernis: "Das ist natürlich nicht der Maßstab", ließ er im "Phrasenmäher" wissen.
Am Mittwoch auf Schalke war Völler noch ganz der Alte. Nach dem Spiel, das Bayer zäh 2:1 gewonnen hatte, folgte er seiner Pflicht als Klubrepräsentant und stellte sich dem Erstrechteverwerter Sky zum Interview. Das Gespräch sorgte für viel Aufsehen und wurde auf etlichen Medienkanälen originalgetreu weiterverbreitet wie einst Völlers Mist-und-Käse-Tirade als Teamchef nach dem Länderspiel auf Island. Wie zwei Kommissare verhörten sich Völler und der Reporter gegenseitig in einem stakkatohaften Schlagabtausch, was dem Publikum zwar keine expliziten Erkenntnisse zur Leverkusener Trainerfrage verschaffte, aber ein schönes Vergnügen. Manchmal konnte man meinen, nicht den großen Rudi Völler, sondern den großen Louis de Funès zu hören.
Während also Völler in ganzer Pracht präsent war, hielt mancher Schalker vergeblich Ausschau nach einem anderen langjährigen Bayer-Mitarbeiter: Jonas Boldt, im Vorjahr als Kaderplaner tätig, im Sommer in den Rang des Sportdirektors befördert, tauchte nicht auf in Gelsenkirchen. Seit ein paar Wochen schaut er sich die Spiele im Fernsehen an, bei Bayer steht er nur noch formell unter Vertrag.
Spätestens im Sommer werden sich die Wege des Klubs und des 36 Jahre alten Managers trennen. Boldts Nachfolger Simon Rolfes ist bereits vereidigt. Das erklärt auch, warum sich jetzt der eine oder andere Schalke-Funktionär nach Boldt erkundigt hat. Ein Fachmann wie er könnte dem Verein, dem es an sportlichem Know-how mangelt, guttun. Ob er aber zum Ruhrpottklub passen würde? Weiß keiner.