Bundesliga:Leverkusen plant sogar den Notstand voraus

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"Er brauchte dieses Gefühl, von Anfang an zu spielen", sagt Trainer Alonso über Patrik Schick (Mitte, mit Jeremie Frimpong und Jonas Hofmann). (Foto: Jarry Andre/Imago)

Trainer Xabi Alonso verzichtet schon beim 4:0 gegen Bochum auf jene Spieler, die im Januar zum Afrika-Cup reisen müssen. Der Testlauf ohne Boniface fördert die Qualitäten des lange absenten Torjägers Patrik Schick zutage.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Am brasilianischen Abwehrspieler Bernardo, 28, hat der VfL Bochum bisher viel Freude gefunden, und umgekehrt hat es auch Bernardo in Bochum bestens angetroffen. Keine einzige Minute Spielzeit in der Bundesliga hat er seit seiner Ankunft im vorigen Sommer versäumt. Lediglich der finale Betriebsausflug nach Leverkusen war gar nicht nach seinem Gefallen. Die Reise in den Weihnachtsurlaub werde er jetzt erst mal mit schlechten Erinnerungen an die 0:4-Niederlage bei Bayer 04 verbringen, sagte er am Mittwochabend und machte dafür den Gegner verantwortlich: Gegen Leverkusen zu spielen, sei "nicht lustig, das macht keinen Spaß". Besonders dieses Mittelfeld: "Sie machen mit dir ein Rondo, es ist sehr frustrierend."

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Rondo ist eine Trainingsübung, in der mehrere Spieler in der Mitte den Ball jagen, den sich eine Überzahl von Spielern in engem Kreis (Rondo) gegenseitig zupasst. Je nach technischer Fertigkeit der Kreisspieler kann das für die Jäger anstrengend und entmutigend werden, und eben solche deklassierenden Momente erlebten jetzt die Profis des VfL, als das Team des Tabellenführers mit ein wenig Verspätung seine Maschinerie in Gang gebracht hatte. Eine halbe Halbzeit lang hatten die Bochumer den Favoriten mit energischer Vorwärtsverteidigung genervt und am gewohnten Vormarsch gehindert, dann öffnete Florian Wirtz mit einem Steilpass den Weg für Patrik Schick, der eine minimale Berührung durch Torwart Manuel Riemann dankend annahm, den folgenden Elfmeter zum 1:0 verwertete und damit den Startschuss gab für ein weiteres kreatives Happening der Bayer-Elf. Zur Pause durfte sich Schick für einen Hattrick feiern lassen, der nach deutscher TÜV-Tradition das Siegel lupenrein trug.

Die Bochumer hätten später durchaus beleidigt sein dürfen: Dass Wirtz, Grimaldo, Granit Xhaka und Jonas Hofmann mit ihnen wie im Training Rondo spielten, war das eine. Dass Bayer-Trainer Xabi Alonso die Partie von vornherein zu einem Feldversuch nutzte, war hingegen beinahe ein starkes Stück. Alonso schickte eine Elf auf den Platz, aus der er jene Stammspieler entfernt hatte, die beim Rückrundenstart im Januar wegen der Teilnahme am Afrika-Cup nicht zur Verfügung stehen werden. Jonathan Tah musste somit im Abwehrzentrum ohne die gewohnten Nebenleute Edmond Tapsoba und Odilon Kossounou auskommen, stattdessen unterstützten ihn Josip Stanisic und Piero Hincapié. In der Angriffsmitte begann Schick, während Victor Boniface auf der Bank blieb. "Heute war eine Vorbereitung", sagte Alonso mit Blick auf die Lücken, die im Januar in seinem Kader entstehen werden. "Es war ein Test, aber es war kein Risiko, ich hatte totales Vertrauen."

Schick ist ein anderer Typ Mittelstürmer als Boniface, aber er passt als Endstation des Leverkusener Stafettenfußballs nicht minder brauchbar ins Programm

Dass der Trainer den Notstand simuliert, obwohl noch gar kein Notstand herrscht, das zeugt in Wahrheit nicht von der Geringschätzung des VfL Bochum, sondern wieder mal von seinem planenden Verstand. Die betroffenen Spieler wissen jetzt aus eingeübter Erfahrung, worauf sie sich einstellen dürfen, wenn es am 13. Januar zum FC Augsburg geht. Bis dahin werde er "nicht viel Freizeit haben - ich werde viel arbeiten", blickte Schick voraus. Dieser erfolgreiche Abend hatte seinem Ehrgeiz und seiner Sehnsucht nach Toren einen weiteren Schub gegeben. "Er brauchte dieses Gefühl, von Anfang an zu spielen", sagte Alonso.

Den fast ein komplettes Jahr absenten Torjäger hatte in der Begeisterung über die neue Attraktion Boniface selbst mancher Bayer-Fan vergessen, zumal da Schick im Oktober nach einem ersten Comeback-Versuch einen weiteren Monat verletzt ausfiel. Nun aber ist er wieder zur Stelle, ein halbes Dutzend Tore hat er in seinen Teilzeiteinsätzen in Liga, Pokal und Europacup bereits erzielt. Er ist ein anderer Typ Mittelstürmer als der etwas ballverliebte Boniface, aber er passt als Alternativmodell und als Endstation des Leverkusener Stafettenfußballs nicht minder brauchbar ins Programm.

25 Spiele ohne Niederlage hat Bayer 04 seit dem Start im Sommer bestritten, und zuletzt glich der Leverkusener Fußball einem Perpetuum mobile, das regelmäßig und unaufhaltsam Tore produziert. Da könnte man meinen, die Unterbrechung käme beinahe ungelegen, doch Alonso findet, "ein bisschen Pause" täte allen gut. Betonung liegt auf ein bisschen. "Wir wollen weitermachen und nicht aufhören", sagt der Trainer, der das Understatement allmählich ablegt. Die Lust auf große Taten ist geweckt. Wegen des Spielplans und eines Nachholspiels für die Bayern sind die Leverkusener bisher zwar weder Herbst- noch Wintermeister - aber deutsche Rondo-Champions 2023 sind sie allemal.

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